Teris Geschichte
Teri verschiebt an diesem Abend seinen Jagdausflug. Stattdessen sucht er mit Mara eine Stelle, an der Siva es sich gemütlich machen kann. Schließlich finden sie in der Ecke neben dem Dachfenster einen Stapel alter, staubiger Säcke. Die junge Schwalbe versucht, ihren verletzten Flügel möglichst zu schonen. Vorsichtig hüpft sie hinter Teri her, der ihr das viel zu große, aber immerhin weiche Nest zeigt. Müde kauert sich Siva in eine Falte des rauen Stoffs.
«Danke Teri. Es ist sehr nett, dass ich hier bleiben darf. Ich glaube, ich versuche jetzt ein wenig zu schlafen. Ich bin sehr müde.»
Damit fallen ihr auch schon die Augen zu. Teri verabschiedet sich von Mara und bricht zu seiner nächtlichen Jagdrunde auf. Allerdings lässt ihm der Gedanke an die verletzte Siva keine Ruhe. Er verzichtet deshalb heute auf seine Kunstflugübungen und kehrt noch vor Tagesanbruch auf den Dachboden zurück. Siva hat sich in ihr behelfsmäßiges Nest gekuschelt und schläft noch tief. Mara dagegen ist schon wach und damit beschäftigt, ein neues, großes Netz unten beim Fenster aufzuspannen. Sie unterbricht ihre Arbeit, um Teri mit einem Spinnenbein heranzuwinken.
«Wir müssen dafür sorgen, dass deine Vogelfreundin genügend zu essen bekommt. Sonst wird sie nicht wieder gesund.»
Teri nickt. Natürlich hat Mara Recht. Aber wie sollen sie das machen?
«Was fressen denn Schwalben überhaupt?»
«Fliegende Insekten, so wie du. Aber du kannst schlecht von deiner Jagdbeute mit nach Hause bringen, zumindest nicht genug, um einen Vogel zu ernähren, der doppelt so groß ist wie du. Deshalb spanne ich hier ein zweites Netz auf. Damit sollten wir genug Fliegen fangen, um Siva durchzufüttern, bis sie wieder gesund ist.»
«Das ist genial, Mara. Ich bin froh, dass ich eine so kluge Freundin wie dich habe.»
Diese Bemerkung macht Mara offensichtlich verlegen. Sie brummt etwas Unverständliches und beeilt sich, an ihrem Netz weiterzubauen. Teri hängt sich unterdessen in der Nähe von Sivas Nest kopfüber an einen Balken. Die Schwalbe öffnet bald darauf verschlafen die Augen. Noch bevor sie richtig erwacht ist, berichtet ihr Teri schon von Maras Idee. Siva braucht einen Moment, bis sie wach genug ist, um die aufgeregte Fledermaus zu verstehen. Aber dann freut sie sich mit Teri.
«Ihr seid beide so nett zu mir, du und Mara. Aber sag mal, Teri, warum lebst du eigentlich allein mit einer Spinne hier im Dachstock? Hast du keine Fledermausfamilie?»
«Nun, Mara wohnte schon hier, als ich eingezogen bin. Es war an einem Abend am Ende des letzten Winters. Ich hielt zusammen mit den anderen Fledermäusen meiner Kolonie einen langen Winterschlaf. Wir lebten damals in einem alten Obstbaum, dessen Stamm innen hohl war. Wenn es kalt wird, rücken wir jeweils alle ganz nah zusammen und schlafen friedlich, bis draußen der Frühling beginnt. Ich erinnere mich, dass mich ein schrecklich lautes Geräusch aus dem Schlaf riss. All meine Verwandten kreischten und schrien in Panik, als unser Baum zu wackeln begann. Schließlich stürzte er mit einem scheußlichen Knarren um, und unser Versteck im Stamm brach auf. Sofort drang die Kälte in unsere Schlafhöhle. Alle Fledermäuse flatterten in Panik davon, sobald sie dazu wach genug waren. Ich war aber in einer Spalte eingeklemmt. Obwohl ich laut um Hilfe rief, beachtete mich niemand. Als ich mich endlich befreien konnte, waren all meine Verwandten weg. Die Menschen, die den Baum gefällt hatten, sägten ihn mit einer kreischenden Maschine in Stücke. Ich lag im Schnee und fror entsetzlich. Da beugte sich plötzlich ein sehr kleiner Mensch über mich. Ich dachte schon, jetzt wolle er mich fressen. Aber er hob mich sanft auf und brachte mich zu einem der großen Menschen. Dieser erklärte ihm, dass ich aus dem Winterschlaf geweckt worden sei und schlug ihm vor, mich hierher in den Dachstock zu tragen. Der kleine Mensch tat das. Er setzte mich auf einen Dachbalken und ging weg. Ich war ganz steif von der Kälte und wollte nichts lieber als weiterschlafen. Mara erlaubte mir, hier zu überwintern. Im Frühling versuchte ich, die anderen Fledermäuse meiner Kolonie wieder zu finden. Aber bis heute ist mir das nicht gelungen. Deshalb wohne ich immer noch hier. Aber manchmal träume ich in der Nacht immer noch von dem Kreischen und dem Knarren, als unser Baum umstürzte.»
Als Teri seine Geschichte zu Ende erzählt hat, blinzelt er müde. Siva mustert ihn mitleidig. Sie weiß nicht, was sie sagen soll, um ihn zu trösten. Er lächelt sie traurig an.
«Vielleicht finde ich meine Familie irgendwann wieder. Ich werde die Hoffnung nicht aufgeben. Aber nun sollte ich wohl schlafen gehen, es ist schon fast Morgen und ich bin müde.»
«Ich wünsche dir viel Glück bei deiner Suche, Teri. Und schlaf gut!»
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Teri und Siva
مغامرةDie Fledermaus Teri lebt allein in einem alten Dachstock. Die Erzählungen der Spinne Mara wecken Teris Neugier auf das Leben am Tag. Als er die verletzte Schwalbe Siva kennenlernt, ergreift er die Gelegenheit, endlich bei Tageslicht auszufliegen. Ab...