25 - desaparición

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Matt:

Unruhig sehe ich zum hundertsten Mal zu Miras leerem Schreibtisch. Ich warte jetzt schon seit drei Stunden, aber sie ist nicht zur Arbeit gekommen.

Ich kann es mir nicht erklären. Sie ist gestern früher gegangen und ich hatte eigentlich vor, sie heute ein wenig für ihren Abgang ohne einen Abschied mit Ignoranz zu strafen. Aber jetzt mache ich mir Sorgen und meine Enttäuschung ist in den Hintergrund gerückt. Ich hatte mir gewünscht mit ihr die Nacht zu verbringen.

"Carla, hat Mira sich in der Zwischenzeit gemeldet? Ist sie krank?", spreche ich in den Telefonhörer.

"Nein, sie hat nicht angerufen. In ihrem Kalender ist auch nichts vermerkt", antwortet sie. Stirnrunzelnd lege ich den Hörer auf und nehme mein Jackett. Mit schnellem Schritt verlasse ich das Büro und gebe Carla die Anweisung meine Termine zu verlegen.

Als ich vor dem Haus meines besten Freundes ankomme, atme ich einmal tief durch. Wir haben uns schon länger nicht gesehen. Ich weiß, dass es blöd war, aber ich konnte meine Eifersucht nicht unterdrücken. Für mich war er ein Konkurrent und ich wollte Mira um jeden Preis.

Kopfschüttelnd verdränge ich diese Gedanken. Das ist doch alles Blödsinn! Ich steige aus meinem Wagen und gehe zur Haustür. Mein Finger berührt gerade die Klingel, als sich die Tür öffnet.

Verwundert sieht Michael mich an. Dann wandert sein Blick hinter mich zum Auto, um dann wieder zu mir zu blicken.

"Was tust du hier?", will er wissen.

"Mira ist nicht bei der Arbeit aufgetaucht und ich wollte nach ihr sehen", erkläre ich.

"Also hat sie noch nicht mit dir gesprochen?" Sein Ausdruck wird verwirrt.

"Nein", sage ich gedehnt.

"Sie wollte vor ein paar Stunden zu dir fahren und diese Sache von gestern mit dir klären", deutet er unbehaglich an.

"Diese Sache gestern?" Jetzt ist es an mir verwirrt zu sein. Michael sieht so aus, als würde er noch mit sich hadern.

"Sie hat von eurem Geschäftspartner erfahren, dass seit Längerem etwas zwischen dir und Thea läuft."

"Was?!", erschrocken sehe ich ihn an. "Das stimmt nicht! Früher hatte ich ab und zu mal was mit ihr, aber das ist schon zu Ende gegangen bevor Mira angefangen hat bei mir zu arbeiten."

"Das solltest du mit ihr klären, aber ich verstehe nicht, warum sie nicht bei dir ist."

"Vielleicht ist sie zu meiner Wohnung", überlege ich. "Ich fahr sofort hin"

Gesagt, getan. Kurze Zeit später stehe ich vor meinem Haus, doch weit und breit ist niemand zu sehen. Ich gehe um das Haus herum in den Garten und sehe dort nach.

"Mira", rufe ich, doch meine Hoffnung wird zerstört. Es befindet sich auch hier niemand. Auf meine SMS an Carla antwortet sie, dass sie noch immer keine Nachricht von Mira und sie auch nicht gesehen hat.

Ich wähle Miras Nummer. Obwohl ich sie heute morgen schon angerufen habe und sie nicht erreichen konnte, will ich die Hoffnung noch nicht aufgeben. Aber auch jetzt meldet sich nur die Mailbox.

Unruhig gehe ich auf der Straße auf und ab. Hier stimmt etwas nicht. Ich kenne Mira und wenn sie etwas vor hat, dann zieht sie das auch durch. Sie ist weder bei der Arbeit noch bei mir zu Hause. Und bei Michael ist sie auch nicht, also hat sie sich nicht plötzlich umentschieden später mit mir zu sprechen.

Ich muss unbedingt herausfinden, was los ist.

***

Mira:

Mein Kopf dröhnt, als ich meine Augen das nächste Mal öffne. Ich muss eingeschlafen sein. Das Kratzen in meinem Hals bringt mich um.

Langsam richte ich mich auf und werfe einen Blick auf mein Bein. Ich versuche den Schmerz so gut es geht zu verdrängen, aber es scheint als hätte ich im Schlaf unbequem gelegen. Ein wenig Rot schimmert durch den weißen Verband.

Trotzdem raffe ich mich auf und humple zum Waschbecken. Ich strecke meine Zunge gierig zum Wasser, welches träge aus dem verrosteten Hahn fließt.

Ich schrecke hoch, als die Tür zur Abstellkammer aufgestoßen wird. Mauricio kommt mit einem irren Lächeln auf mich zu. Ich weiche ein Stück zurück an die Wand doch er kniet sich vor mich, sodass sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt ist.

"Ich habe eine Überraschung für dich, amorcito", grinst er und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Angewidert rücke ich noch weiter von ihm ab.

"Was für eine Überraschung?", will ich misstrauisch wissen.

"Ich habe ein wenig herumtelefoniert und meine Beziehungen spielen lassen. Wir werden heiraten und zurück nach Spanien gehen", sagt er, als wäre es das Schönste in seinem Leben. Für mich ist es der Tiefpunkt. Der absolute Tiefpunkt.

Ich habe mich damit abgefunden hier gefangen zu sein. Ich habe mir vorgestellt, wie ich eines Tages unbemerkt verschwinde. Vielleicht wenn er schläft oder wenn er denkt ich putze, koche oder tue sonst etwas, was er mir befohlen hat. Ich würde so tun, als könnte er mir vertrauen und dann, wenn er es am wenigsten erwartet, würde ich abhauen.

Aber ihn heiraten?! Diese Bindung wird schwer zu lösen sein.
Ich erinnere mich, dass es eine Trennungszeit von 12 Monaten gibt und ich kenne Mauricio gut genug, dass er niemals zulassen würde, dass ich gehe. Egal wie glaubwürdig ich von seinen Drohungen und der Entführung berichten würde, er findet dennoch einen Weg, um alle auf seine Seite zu ziehen.

Wahrscheinlich würde ich es nicht einmal nach 12 Monaten schaffen die Scheidung bei einem Richter durchzubringen. Und wenn wir erstmal in Spanien sind, kann Matt mich nicht mehr finden. Michael werde ich nie wieder sehen und jegliche Chance auf Rettung ist dahin.

¡Me cago en la mierda! (Verdammte Scheiße!) Das hier ist mein Ende. Ich muss einen Mann heiraten, den ich am meisten auf der ganzen Welt hasse. Ich muss mein Leben mit einem gewalttätigen Ehemann verbringen. Ich muss in Spanien eingesperrt in Mauricios Haus leben. Ich muss mich für immer von der Liebe meines Lebens und dem besten Freund... Bruder verabschieden. Und ich konnte Matt nicht einmal meine wahren Gefühle offenbaren.

"Du hast keine andere Wahl, cariño. Ich habe dir gesagt, dass ich diesen Matthias töten werde. Wenn du die Papiere nicht unterschreibst, wird genau das geschehen. Wenn doch überlege ich es mir nochmal und belasse es vielleicht bei einer Prügelei."

In diesem einen Moment zerbricht mein ganzes hart erarbeitetes Leben in tausend Scherben. Und diese Scherben bringen sicher kein Glück!

Te deseoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt