22-secuestro

17.1K 556 22
                                    

Hektisch atme ich ein und aus und riskiere einen Blick in den Rückspiegel.

"Ich habe dir gesagt, dass ich kommen werde", haucht er in mein Ohr und eine Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus. "Du hast viel Unsinn angestellt, aber ich werde mich jetzt wieder um dich kümmern. Endlich sind wir wieder vereint", jauchzt er und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Angewidert und ängstlich versuche ich mich abzuwenden.

Eine Hand legt sich um meine Kehle und drückt langsam zu. "Du wirst schon lernen gehorsam zu sein. Ich habe dir schonmal gesagt, dass ich dieses Verhalten nicht dulden werde", raunt er gefährlich.

"Was willst du?", frage ich und versuche meiner Stimme einen festen Klang zu geben, was mir teilweise sogar gelingt. Mauricio nimmt die Hand von meiner Kehle und lacht auf. Ich habe das Gefühl seine Verrücktheit steigert sich von Sekunde zu Sekunde.

"Ich habe dir ein Leben mit mir versprochen. Du wirst in die nächste Seitenstraße fahren und dann werde ich uns zu unserem neuen Zuhause bringen." In meinem Kopf wirbeln die Gedanken nur so durcheinander, aber ich weiß, dass das vielleicht die einzige Chance zu Entkommen ist.

Ich folge seinen Anweisungen und halte in einer verlassenen Gasse an, die aussieht, als würde sie nachts Treffpunkt der gruseligsten Drogendeals und Morde sein. Genau so habe ich es mir vorgestellt, Mauricio gibt sich mal wieder alle Mühe die schrecklichsten Klischees zu erfüllen.

"Jetzt wirst du ganz langsam die Tür öffnen und aussteigen. Wehe, du machst auch nur einen Mucks", warnt mein Exfreund mich. Ich lege meine Hände an den kalten Türgriff, öffne dir Fahrertür und atme tief ein. So schnell ich kann springe ich aus dem Wagen und laufe zur Straße. Mauros Flüche hallen in meinen Ohren und ich zwinge mich noch einen Gang zuzulegen. So will ich nicht enden!

Ein Schuss erklingt und ich spüre einen unfassbaren Schmerz an meinem Bein und stürze zu Boden. Keuchend mit Tränen in den Augen liege ich da und rege mich nicht. Der Schock lähmt mich und ich kann die Situation nicht verarbeiten. Woher hatte er plötzlich die Waffe? Hat er mich wirklich getroffen? Muss ich jetzt für immer bei ihm bleiben? Oder werde ich sterben?

Meine Finger tasten sich langsam zu meinem Bein, ich spüre nichts, habe aber den zerreißenden Schmerz in Erinnerung. Warm fließt Blut aus meinem Oberschenkel und tränkt meine Hose damit.

Plötzlich ist Mauricio neben mir und packt meinen Oberarm. Unsanft zerrt er mich hoch und ignoriert meine Schreie.

"Eres una arrastrada. Warum läufst du auch weg?", (Du bist eine Schlampe.) schimpft er, während er mich im Wagen auf den Rücksitz schubste. Schluchzend halte ich mir mein Bein und fühle nur noch Schmerz und Hoffnungslosigkeit.

Grob reißt Mauro an meinem Oberteil und ich denke schon er will mich vergewaltigen und dann meinem Leben endgültig ein Ende bereiten. Doch er trennt nur ein Teil von dem Shirt ab und schlingt es um meinen Oberschenkel. Dann wirft er die Tür zu und setzt sich auf den Fahrersitz. Bevor ich auch nur reagieren kann, hat er die Türen gesperrt und fährt los. Doch in diesem Zustand hätte ich es vermutlich eh nur bis zur nächsten Straßenecke geschafft.

Das Stück meines beigen T-shirts färbt sich rot und ist nach wenigen Minuten schon komplett durchnässt. Nachdem ich den Schock langsam verarbeitet habe, kehrt der Schmerz zurück und der kalte Schweiß steht mir auf der Stirn. Ich drohe jeden Moment ohnmächtig zu werden.

"Steig aus", reißt Mauros Stimme mich aus meinem Delirium. Ich habe nicht einmal bemerkt, dass wir gehalten haben. Draußen färbt sich der Himmel langsam rötlich, sehe ich mit einem Blick aus dem Fenster. Mein Exfreund öffnet meine Autotür und zerrt mich wieder aus dem Wagen. Ohne sich umzudrehen schließt er das Auto ab und schleift mich hinter sich her. Wir befinden uns in einem Wald, die Bäume stehen immer dichter, je weiter wir gehen.

Ich humple, beiße die Zähne fest aufeinander, bis ein Knirschen entsteht. Doch nach einigen Schritten kann ich nicht mehr. Die Schmerzen lassen schwarze Flecken vor meinen Augen tanzen und ich falle hin. Mauro dreht sich entnervt zu mir um und hebt mich auf seine Arme. Ich fühle mich zu müde um mich zu wehren, also schließe ich einfach die Augen.

***

Als ich Aufwache fühle ich mich so schlecht wie noch nie in meinem Leben. Die Erinnerungen an die vergangenen Stunden tauchen in meinem Kopf auf.

Mit einem Blick auf meinen Körper stelle ich fest, dass ich noch immer die vom Sturz verschmutzte Kleidung trage, Mauro aber zumindest einen richtigen Verband um mein Bein geschlungen hat. Doch das ändert nichts an dem lähmenden Schmerz, der mein Bein betäubt. Wenigstens sieht es so aus, als hätte die Blutung gestoppt.

Erschrocken richte ich mich auf. Wo bin ich eigentlich? Ich sitze in einem kleinen Raum. Ein winziges Fenster weit oben lässt etwas Licht in den Raum scheinen, also ist es schon Tag. An der Wand ist ein Waschbecken angebracht, dessen Wasserhahn tropft. Eine kleine Toilette daneben treibt mir die Tränen in die Augen.

Er hat nicht vor mich wieder gehen zu lassen. Mein Schicksal ist besiegelt! In Zukunft bin ich Mauricios Gefangene, lebe in einem hässlichen Verließ und vegetiere vor mich hin bis er mich tötet.

Ich wollte zu Matt und endlich reinen Tisch machen. Ich hätte ihm gesagt, dass ich ihn liebe und eine Beziehung mit ihm führen möchte. Vielleicht hätte er mir versichert, dass er nie etwas mit Thea hatte und nur mich liebt. Er hätte mich um den Verstand geküsst und Mauricio hätte keine Chance gegen ihn gehabt.

Stattdessen hat dieses miese Schwein seine Drohungen wahr gemacht und mich für mein restliches Leben eingesperrt. Nebenbei hat er mich auch noch angeschossen und lässt mich jetzt elendig verrotten, um mich gefügig zu machen und zu seiner "perfekten Frau" zu erziehen.

Wimmernd vergrabe ich mein Gesicht in der schäbigen Matratze, auf der lediglich eine dünne Wolldecke liegt. Ich möchte nicht so sterben! Ich hätte die Drohungen ernster nehmen sollen! Warum habe ich mich überhaupt je auf so einen Psychopathen eingelassen?!

Te deseoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt