27 - la indicación

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Die Mantilla (eine Art Schleier)wiegt schwer auf meinem Kopf. Das Kleid schnürt mir die Brust zu und Thea hat noch eine extra breite Kette um meinen Hals gelegt um die Würgemale zu verdecken, nachdem sie sie gründlich überschminkt hat. Ebenso wie die blauen Flecken auf meinen unbedeckten Armen.

Mein Kopf fühlt sich heiß an, meine Gedanken entgleiten mir immer wieder und ich schwanke zwischen Schwitzen und Frieren. Diese Situation schafft mich mehr als ich erwartet habe und ich lehne mich auf der Matratze zurück, um mich kurz auszuruhen.

Ich sitze wieder alleine in der Kammer und soll auf Mauricio warten, er hole mich gleich ab. Dann führen wir zur Kirche. Es fühlt sich an als wäre ich am Ende meines Lebens angekommen. Alles Wünsche, Träume und Hoffnungen sind weg. Denn nichts davon werde ich je erfüllen können.

Mein Leben wird an Mauricios Seite enden. Als seine Ehefrau.
Die Tränen laufen lautlos über meine Wangen und ich sehe Matts Gesicht vor mir. Er ist meine wahre Liebe, ihn sollte ich jetzt heiraten. Man könnte es fast Ironie des Schicksals nennen. Ich werde genau an dem Tag entführt, an dem ich Matt alles erklären und meine Liebe gestehen möchte.

Jetzt wird er es nie erfahren. Die Postkarte, die Thea erwähnt hat, wird alles was je zwischen uns war beenden. Nie wieder werde ich in seine dunkelblauen Augen sehen, nie wieder seine weiche Haut berühren, nie wieder seine Lippen küssen. Mein Weinen verwandelt sich in hysterische Schluchzer.
Ich will nicht, dass es vorbei ist! ¡Jódete! (Zum Teufel mit dir!) Du wirst mein Leben nicht zerstören, Mauricio!

Matt:

Das Warten macht mich wahnsinnig! Seit Stunden sitzen Michael und ich auf der Polizeiwache. Mein bester Freund hat die ganze Geschichte über Mira und ihren Exfreund erzählt und ich könnte Kotzen bei dem Gedanken, dass sie jetzt bei diesem Schwein ist und ich sie nicht beschützen kann.

Die Polizisten haben erstmal alles abgetan und uns verkündet, dass sie den Spuren nachgehen werden. Aber Mira sei nunmal eine erwachsene Frau und nur weil sie sich nicht meldet, müsse sie nicht gleich entführt worden sein.
Nachdem ich dem Polizisten dafür fast eine reingehauen hätte, haben sich ein paar Kollegen daran gemacht diesen Mauricio zu überprüfen. In der Zeit sollten wir uns hinsetzen und warten.

Mein Fuß tippt unaufhörlich auf den Boden, meine Hand balle ich immer wieder zu Faust, um dann wieder meine Hände zu kneten. Als einer der Beamten seine Kollegen heran winkt, springe ich auf und stelle mich hinter seinen Schreibtisch.

"Hey, setzen Sie sich wieder. Wir erledigen das hier schon", schimpft einer, doch ich starre unbeirrt auf den Bildschirm.
Eine Akte ist geöffnet und zeigt das Bild dieses Perversen. Doch sein Name lautet Rico Rámirez, nicht Mauricio Rámirez Torres.

"Das ist er!", sage ich sicher und lese sein Vorstrafenregister. Einige Anzeigen wegen Körperverletzung, eine wegen sexuellen Missbrauchs. Doch es scheint als wäre er nie vor Gericht gewesen.
Die Wut in meinem Bauch steigt, ich stelle mir vor, wie Mira gefesselt in seinem Bett liegt und er sie mit seinen schmierigen Händen berührt. Gerade noch rechtzeitig kann ich die gegenüberliegende Klotür aufstoßen und erbreche mich in die Toilette.

Schwer atmend hocke ich vor der Kloschüssel und versuche die schrecklichen Bilder aus meinem Kopf zu verbannen. Die Hilflosigkeit lässt mich aufschluchzen und ich wünschte ich hätte ihr von meinen Gefühlen erzählt. So viel Zeit haben wir mit unnötigen Streitereien vergeudet. Vielleicht wäre sie dann heute Nacht bei mir gewesen und dieses Schwein hätte keine Chance gehabt sie zu entführen.
Aber die Wahrheit über seine Gefühle bemerkt man immer erst, wenn es schon (fast) zu spät ist.

"Mister Norris, wir haben eine Anzeige von einer Mira Sánchez Martín gegen Mauricio Rámirez Torres gefunden. Darin erzählt sie eine ähnliche Geschichte, wie ihr Begleiter eben. Die Anzeige wurde jedoch zurückgezogen, da ein Mann mit diesem Namen nicht in der Datenbank ist. Aber wir haben eine Adresse des Mannes auf dem Foto. Ein Team fährt gleich hin und spricht mit ihm. Falls er ihre Lebensgefährtin wirklich entführt haben sollte, bekommen wir das raus", versucht mich einer der Polizisten zu beruhigen. Aber es hilft nicht. Einfach nur mit ihm zu Reden wird doch nichts bringen!

"Danke", sage ich trotzdem, erhebe mich und wasche mir den Mund gründlich aus. Ich gehe zurück in den Flur, in dem mein bester Freund schon ungeduldig wartet.

"Komm, wir fahren erstmal nach Hause", verkündet er.

"Wie bitte?! Ich fahre doch jetzt nicht nach Hause, die Polizei hat endlich eine Spur, ich will Mira finden und so schnell wie möglich zu ihr."

"Beruhige dich, Matt. Die melden sich, wenn sie was haben. Bis dahin sollten wir nach Hause und uns ausruhen", beschwichtigt er mich. Bevor ich noch einen Ton sagen kann, hat Michael mich schon am Arm gepackt und zieht mich mit nach draußen.

"Hey", protestiere ich und reiße mich los, "Spinnst du, Mann?!"

"Jetzt mach nicht so ein Theater. Wir setzen uns jetzt ins Auto und fahren zu dieser Adresse. Ich hab sie gehört, als die Polizisten sie über Funk weitergegeben haben. Los jetzt, oder willst du Mira noch länger warten lassen?" Michael öffnet die Beifahrertür und gibt eine Adresse in mein Navi ein. Der Weg soll ein halbe Stunde dauern und ich weiß schon jetzt, dass ich alle Verkehrsregeln über Bord werfen werde, um auch nur eine Minute früher da zu sein.

Mira:

Mauricio betrachtet mich lüstern in dem schwarzen Kleid. Das Dekolleté ist beinahe durchsichtig und er lässt seine Augen eine ganze Zeit dort verweilen. Reflexartig schlinge ich die Arme um mich, versuche meinen Körper vor seinen ekelhaften Blicken zu schützen. Doch ich erreiche damit das Gegenteil, denn er kommt zu mir, zieht mich hoch und fährt mit seinen Händen an meinen Seiten entlang.

"Du siehst wunderschön aus, mi vida" (mein Leben), haucht er in mein Ohr und eine Gänsehaut überzieht meinen Körper. Seine eine Hand bleibt auf meiner Hüfte liegen, während die andere zu meinen Brüsten fährt. Kurz bevor er sie berühren kann, schubse ich ihn weg und lege wieder die Arme um mich.

"Weißt du was? Ab jetzt hab ich genug Zeit dir Gehorsam beizubringen. Du kannst dich wehren so viel du willst, es wird dir nichts nützen", lacht er schadenfroh und packt meinen Arm. Seine Hand wandert hoch und drückt unangenehm meine Brust. Er zieht mich aus dem Zimmer und bringt mich nach draußen. Das Sonnenlicht blendet mich und ich atme erstmal tief ein und aus.

Mein Exfreund schlägt mir ungeniert auf den Hinter und lacht als ich verschreckt zucke. Mein Kopf pocht protestierend und Tränen steigen wieder in mir hoch, doch mein Stolz lässt nicht zu, dass ich vor ihm weine.
Er schiebt mich ein Stück weiter zu einem silbernen Auto und hält mir die Tür auf. Sobald ich eingestiegen bin, setzt er sich neben mich und der Wagen fährt los.

Te deseoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt