»Hast du sonst noch irgendwelche Fragen, was den Club oder mich betrifft? Geschäftlich gesehen natürlich.«, lachte die helle Stimme des Besitzer des Clubs hinter mir. Zwar kannte ich ihn noch nicht lange, doch trotzdem schien er mir - im Gegensatz zu seinem Freund - äußerst sympathisch. Auch mit David hatte ich mich am Tag zuvor zum Mittagessen in einem, meiner Meinung nach, viel zu noblen Restaurant - mein Dank gebührt seinem Geldbeutel, aus dem er meine Mahlzeit bezahlte - getroffen. Wir unterhielten uns viel und lange über Belangloses, als auch über seinen Job, dem er nun schon seit knapp zehn Jahren nachging, und auch ihm gegenüber wuchs die Sympathie von Sekunde zu Sekunde immer mehr. Bei der kleinen Stadtführung und beim Spaziergang am Strand war ich sogar froh ihn zu kennen.
»Ne. Ne, erstmal nicht.«, winkte ich ab und riss meinen Blick von dem gläserspülenden Geschäftsführer. Es wunderte mich, dass John seine Gläser noch selbst wusch und nicht in einem teuren Anzug in einem großen, nobel eingerichteten Büro saß und seine Angestellten von der einen in die andere Ecke scheuchte.
Lächelnd drehte ich mich auf dem Barhocker vom Tresen weg und ließ meinen Blick durch den großen Raum schweifen. Es war groß und hell eingerichtet, rechts erstreckte sich eine große lange Bar, die meistens von John besetzt war und eine schwarze Front besaß. Verteilt im Raum befanden sich Sitzecken, die mit schwarzen und weißen Sofas und dazu passenden Tischen bestückt waren. Allgemein wirkte die Bar ziemlich modern, jedoch nicht zu nobel oder abgehoben.
»John, wir benutzen mal eben die Bühne, ja?«, schreckte ich urplötzlich zusammen, tauchte zurück in die Realität und richtete meinen Blick in die Richtung, aus der die feminin klingende, doch trotzdem männliche Stimme gekommen war. Die Person die dahinter steckte, war groß gebaut, hatte eine helle Röhrenjeans, die schon fast zu eng an seinen dünnen Beinen saß, ein schwarzes T-Shirt und die dazu passende Sonnenbrille an. Auch die anderen drei Jungs, die neben ihm zur Bühne liefen, sahen modebewusst, jedoch nicht nach typischen Kaliforniern aus.
»Ja, nur zu Jungs.«, rief John zurück. Ich musste gestehen, dass mir die Gruppe der Jungs zuvor bei der Führung durch den Club nicht ein einziges Mal aufgefallen war, weswegen ich mich nun umso mehr wunderte, dass sie John nicht einmal begrüßten, bevor sie um seine Bühne, die am Ende des Raumes die Hälfte der Tanzfläche einnahm, baten.
»Wer sind die Vier?«, fragte ich interessiert, als ich mühsam meinen Kopf von Richtung Bühne riss und mich wieder John zuwandte, der noch immer mit dem Spülen der Gläser beschäftigt war. Ein weiteres Mal darüber wundernd, dass seine Angestellten dies nicht während ihrer Schicht taten und dafür eine halbe Stunde vor Öffnung des Ladens herkamen, stützte ich mein Kinn auf meinen Händen ab.
»Sag nicht, dass du sie nicht kennst?«, lachte er schon fast, sah mich an, hielt jedoch nicht eine Sekunde in seiner Arbeit inne.
»Nein, woher denn? Ich war noch nie hier.«, zuckte ich mit meinen Schultern und spitzte deutlich stark meine Ohren, als sanfte Gitarrenklänge im Hintergrund zu hören waren.
»Gerade deswegen solltest du sie ja noch besser kennen als ich.«, fragend blickte ich mein Gegenüber an. »Sie sind die wohl bekannteste Band Deutschlands. Sag nicht, dass du Tokio Hotel nicht kennst.«, ein wenig skeptisch und verwundert zugleich, zog John endlich seine Hände aus dem kalten Wasser, trocknete sie ab und stützte sich auf der Theke ab.
»Tokio Hotel? Doch, die kenne ich. Aber was bitte tun sie hier in Los Angeles, wenn sie die wohl bekannteste Band Deutschlands sind?«
»Sie sind vor knapp einem Jahr geflüchtet.«, stellte John fest und kam zu mir, um sich neben mich auf einem der Barhocker niederzulassen.
»Geflüchtet?«, ein wenig perplex hakte ich einmal nach, um sicherzugehen, seinen Satz richtig verstanden zu haben.
»Ja, sie haben in Deutschland öfter ihren Wohnsitz gemeldet, als sie Marmeladenbrot sagen können. Sie wurden von Fans belagert und hatten keinen Hauch von Privatsphäre mehr. Gustav, der blonde von der Bande, hat in einem Club in Magdeburg eine Flasche über den Kopf gezogen bekommen, bei den Zwillingen wurde eingebrochen und Georg konnte keine einzige Sekunde mehr mit seiner Freundin zusammen sein, weil ihm überall Fans aufgelauert haben.«, geschockt blickte ich zuerst John und dann die Jungs an. Unbeschwert standen sie auf der Bühne, lachten über einen verpatzen Ton des Gitarristen und belächelten Songs, die ihnen bis zum Ende hin gelangen.
»Sie sehen so unbeschwert aus. Man würde niemals denken, dass sie es in Deutschland so schwer hatten.«, nuschelte ich gedankenverloren und versuchte mich in gewisser Weise in die Situation der Jungs hineinzuversetzen. Zwar hatte ich es in meiner Familie auch nicht gerade leicht und flüchtete so gesehen hier her, doch so schlimm, wie es die Jungs es damals getroffen hatte, hatte ich es womöglich noch lange nicht.
»Ja, David ist ja der Manager der vier und auch er meinte, dass man die Jungs, seitdem sie hier sind, wohl nicht mehr wiedererkennt. Zwar haben sie ziemlich abgenommen, was die Fanbase angeht, aber das stört sie - solange sie glücklich sind - nicht.«, kurz stoppte er, bevor er weiter sprach. "Ich kann mich echt glücklich schätzen, dass ich die Ehre habe und diese vier Musiker hier ab und an, wenn geschlossen ist, auf der Bühne stehen habe. Ich hatte echt einige Gespräche mit ihnen, bei denen sogar ich noch etwas dazugelernt habe.", lächelnd sah John mich an. »Sie sind wirklich wunderbar. Vielleicht steht ihr den ein oder anderen Nachmittag mal zusammen dort oben und spielt was zusammen - wer weiß.«, zwinkernd sprang er von seinem Barhocker und verschwand wieder hinter der Theke.
»Ich weiß nicht. Die Vier sind schließlich irre berühmt und haben ziemlich was auf dem Kasten.«, murmelte ich und erhaschte einen weiteren, kurzen Blick von den Jungs.
»Sie können was, sind aber noch lange nicht so abgehoben wie es womöglich jeder denkt. Das sind schließlich auch nur Menschen, solange man sie auch wie Menschen behandelt. Außerdem zweifel nicht immer so an dir. David hat mir auch schon gesagt, dass du wohl nicht gerade das selbstbewussteste Mädchen bist, wenn es um dein Können geht. Dabei hat er dich so gelobt - und wenn er das macht, dann kannst du dir da wirklich was drauf einbilden.«, lachend goss John eine Cola ein und stellte sie vor mich. »Sollst uns ja nicht verdursten.«
»Danke.«, grinste ich.
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Golden State - Wo du leben und lieben lernst
Fanfiction»Ich weiß, dass ich angekommen bin und alles, was ich in Deutschland lassen wollte, in Deutschland gelassen habe. Ich weiß, dass ich aus den Dingen in Deutschland gelernt habe. Und ich weiß, dass ich nie wieder dorthin zurückkehren würde. Nicht für...