» Kapitel 15

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»Ich bin irgendwie total nervös.«, nuschelte ich, als ich mit kleinen Schritten den geräumigen Flur durchquerte.

»Das, was du gestern vermutet hast, ist völlig absurd. Ich dachte, dass du das verstanden hast.«, mit besorgter Miene musterte Bill mich für einen kurzen Moment. »Denkst du wirklich, dass mein Bruder ein... ein Drogenjunkie ist?«

»Nein, natürlich nicht. Ich... ach, ich habe doch auch keine Ahnung. Ich bin wahrscheinlich einfach nur negativ gestört.«, lachte ich auf, ließ Bill keine Chance etwas zu sagen und ging durch die Tür, die in den großen Wohnbereich führt. Es roch nach frischen Brötchen und Kaffee, der Tisch war gedeckt, die Terrassentür weit aufgesperrt und die frische Luft, die von draußen hereinwehte, ließ mich nur erahnen, welche Temperaturen an diesem Tag wieder herrschten.

»Was ist hier denn los?«, rief Bill glücklich auf und lief sofort zu dem üppig gedeckten Tisch. »Haben wir was verpasst?«

Stirnrunzelnd blickte ich durch den Küchenbereich auf der Suche nach dem Verantwortlichen. Wieso backte Tom Brötchen auf? Wieso kochte er Kaffee? Und wieso zum Teufel deckte er den Tisch? Noch skeptischer als ohnehin schon, ließ ich mich auf einen der Stühle fallen.

»Wunderschönen guten Morgen, ihr beiden!«, trällerte Tom auch schon, als er über die Schwelle zwischen Terrasse und Küchenbereich trat. »Gut geschlafen? Ich dachte, ich mache heute mal Frühstück.«

»Gibt es einen bestimmten Grund oder bist du einfach nur mit dem richtigen Fuß aufgestanden?«, lachte Bill und schob sich kurz darauf ein Stück Gurke in den Mund.

Tom sah aus wie immer, fast schon besser gelaunt als sonst, und unsere Begegnung von heute Nacht schien wie weggeblasen. Ich konnte kaum glauben, was ich sah und was sich vor mir abspielte. Aber vielleicht hatte Bill recht und ich hatte nicht verstanden, dass der Vorfall auf der Terrasse ein Missverständnis war. Was dachte ich auch von Tom? Dafür, dass ich ihn auf die gleiche Stufe stellte, wie meinen Ex-Freund, sollte ich mich schämen. Ich wusste doch, dass Tom nicht so war und niemals so werden würde. Er war eine treue und gute Seele und auch wenn er nicht von mir wusste, was sich in meiner Vergangenheit abgespielt hatte, hatte er mit Sicherheit die ein oder anderen Fakten von seinem Bruder gesagt bekommen. So etwas würde er niemals machen.

»Heute ist der Tag der Tage.«, teilte Tom uns mit, goss jedem von uns etwas von dem braunen und heiß dampfenden Getränk in die Tasse und setzte sich mir gegenüber auf den Stuhl.

»Und welche Bedeutung hat der Tag der Tage?«, kicherte ich, alle Gedanken längst vergessen, ausgelöscht oder verdrängt. Die Hauptsache war, sie waren weg. Und das hatte ich hinbekommen.

»Wir werden heute Besuch bekommen.«, verkündete Tom auf meine Frage hin.

»Sag nicht, dass David schon wieder auf dem Weg hier her ist.«, Bill ließ sein Messer lauthals auf seinen Teller fallen und sein Körper sackte in sich zusammen.

»Nein, nein. Der wird wohl noch einige Zeit in Deutschland bleiben.«, winkte Tom ab. »Ich stelle sie euch heute vor.«

Ein Grinsen schlich sich in alle drei Gesichter, die hier am Tisch saßen, doch Toms Grinsen schien keiner übertrumpfen zu können. Vom rechten zum linken Ohr – und wieder zurück. Es war unglaublich, was in ihm vorgehen musste, wenn er an das Mädchen dachte. Sie schien wundervoll zu sein.

»Das muss ja eine Granate sein, wenn man sich dich mal anguckt.«, lachte Bill auf. Für ihn war das wichtigste an diesem Morgen wohl das üppige Frühstück, welches sich vor ihm erstreckte. Als hätte es das letzte Mal ein solches Frühstück gegeben, als er bei seiner Mutter Daheim oder aber in einem Hotel untergekommen war. Grinsend legte ich meinen Kopf auf seiner Schulter ab.

Golden State - Wo du leben und lieben lernstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt