»Und dir macht es echt überhaupt nichts aus, dass ich hier wohne?«, skeptisch runzelte ich meine Stirn und blickte Tom an.
»Nein, ich freue mich total. Endlich haben wir ein wenig Leben in der Bude. Zu zweit in so einem großen Haus kann manchmal ganz schön einsam sein.«, versicherte er mir und drückte seine Zigarette vor sich im Aschenbecher aus. »Außerdem denke ich, tut es meinem Bruder ganz gut, dass du hier bist.«
»Wie meinst du das?«, die skeptische Miene abgelegt und das Fragezeichen über meinen Kopf gesetzt, blickte ich ihm hinterher und hoffte, er würde ein letztes Mal stehen bleiben, ehe er vollends im Haus verschwinden würde, um sich für ein Treffen zurecht zu machen.
»So wie ich es meine.«, gab er, mit dem Rücken zu mir gewandt nur von sich und war binnen weniger Sekunden aus meiner Sichtweite.
Seufzend ließ ich mich in den Stuhl sinken und legte mir meine Gitarre auf den Schoß, um den ein oder anderen Akkord zu zupfen und von meiner Stimme am Abend noch einmal alles zu fordern.
Zwei Tage ist es nun schon her, dass ich bei den Zwillingen eingezogen bin. Schneller als gedacht fühlte ich mich schon fast wie Zuhause – auch wenn ich nicht wirklich behaupten konnte, dass ich wissen würde, was es heißt, Zuhause zu sein -, doch trotzdem hatte ich die gewisse Bedachtheit in mir, sodass jeder wusste, dass ich diese Geste der Jungs als nichts Alltägliches annahm. Noch jetzt, zwei Tage und viele Stunden des Nachdenkens später, hatte ich fast ein schlechtes Gewissen, dass ich Bills Angebot angenommen hatte. Zwar hatte ich nicht nur einmal gegen sein Angebot geredet, doch trotzdem blieb jedes Mal ohne Erfolg – Bill pochte da drauf, dass ich bei ihnen einziehen würden. Nichtsdestotrotz: Schlechtes Gewissen beiseite geschoben, denn ich bereute keine Sekunde, dass ich nicht standhaft genug war, um Bills Angebot aus dem Weg zu gehen.
»Sonnenschein!«, wurde mein Gesang unterbrochen.
»Und das noch so spät am Abend. Aber was erwartet man anderes von Los Angeles?!«, grinsend senkte ich meinen Kopf und ließ mir für einen kurzen Moment von den sanften Fingern Bills die Schultern massieren. Genießerisch sog ich de Luft durch meine Nase ein, versuchte die Gänsehaut, die seine Berührungen auslösten, zu übergehen und schloss die Augen.
»Du bist gemeint, Sonnenschein.«, kicherte er und riss mich mit dem Beenden seiner Geste aus meiner Starre. Mit hängenden Schultern beobachtete ich ihn dabei, wie er mir die Gitarre vom Schoß hob und sie auf den Stuhl neben mich legte. »Guck nicht so bedröppelt, sonst muss ich dich noch Regenschauer nennen.«
»Ach Bill.«, seufzte ich nur und rutschte tiefer in das Polster.
»Mach es dir nicht so bequem, ich entführe dich jetzt nämlich.«, grinste er mich an und zog mich im nächsten Moment auch schon aus meiner gemütlichen Position hoch auf meine Beine.
»Wo willst du mit mir hin?«, seine Hand fest umfasst, tippelte ich mit nackten Füßen über die heißen Steine zum Rasen, bis hinüber zum Pool.
»Hier hin!«, völlig gelangweilt entzog ich ihm meine Hand und stellte mich in die Hüfte gelehnt neben ihn.
»Ich habe keine Lust schwimmen zu gehen. Ich will üben, sonst bekomme ich den Auftritt hundertprozentig nicht hin und blamiere euch!«, widersprach ich ihm. Zwar hatte ich vor, ihm von mehreren meiner Argumente zu berichten, jedoch kam er mir mit seinem leichten Schubsen, welches mich torkelnd ins Wasser wankend ließ, zuvor.
Hustend und nach Luft ringend hielt ich mich mit paddelnden Bewegungen über Wasser. Erst jetzt spürte ich auf meinem Körper, dass meine Haut verbrannt sein musste und die Abkühlung mir nicht nur dafür, sondern auch für meine Muskeln, die sich aufgrund des Schneidesitzes, welchen ich beim Üben eingenommen hatte, verkrampft hatten, passend kam. Ein wenig dankbar, doch trotzdem mit einem Hintergedanken, schwamm ich die ein oder andere Runde durch den Pool, während Bill sich seiner Klamotten entledigte und kurz darauf mit einem Kopfsprung knapp neben mir unter Wasser tauchte.
»Was gibt es Besseres?«, ohne auf meine Antwort zu warten und seine nassen Haare aus dem Gesicht wischend, antwortete er sich selbst. »Nichts, richtig!«
Lachend schwamm ich eine weitere Runde, blieb hinter ihm und stürzte mich auf seine Schultern. Völlig überrascht von meiner Handlung und außer Gefecht gesetzt, taumelte Bill nach hinten und ließ sich von mir unter Wasser ziehen. Er tauchte vollends unter, ich drückte mich an seinen Schultern über Wasser und hielt einige Sekunden in der Position inne. Dass Bill unter mir wie verrückt um sein Leben paddelte, störte mich nicht – schließlich sollte er leiden, dass ich mit Hotpan und Top im Wasser gelandet war.
»Du Biest!«, jaulte er, als er hechelnd und hustend an der Wasseroberfläche auftauchte und sich orientierungslos nach mir umsah.
»Ich denke Sonnenschein?«, lachte ich laut auf und ging von der Mitte des Beckens rückwärts, um dem näher kommenden Bill aus dem Weg zu gehen.
»Ich zeig dir gleich mal Sonnenschein.«, zischte er grimmig und kam auf mich zu geschwommen. Ich spürte, wie etwas näher kam, wollte noch ausweichen, dockte im selben Moment jedoch schon gegen den Rand des Pools. »Oh, kommen wir nicht mehr weiter? Jeder Pool geht mal zu Ende.«, lachte er auf und zog mich zu sich. Automatisch klammerte ich meine Arme um seinen Hals und meine langen Beine um seine Hüfte.
»Sei leise. Wenn ich unter Wasser soll, musst du es wohl oder übel auch. Mich kriegst du nicht mehr los.«, drohte ich ihm und bestärkte meinen Griff ein letztes Mal.
»Das nehme ich gerne in Kauf.«, kicherte er und knickte seine Beine auch schon ein, sodass uns nur noch Wasser umgab. Dieser Akt wiederholte sich fast schon wie ein Mantra mindestens fünf Mal, ehe Bill standhaft blieb und sich mit mir auf dem Arm mit dem Rücken gegen den Beckenrand fallen ließ.
»Danke, dass du Erbarmen hast.«, lachte ich keuchend und legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab.
»Ach mensch, kann da etwa wer nicht mehr? Wer hören will, muss fühlen!«, machte er sich über mich lustig.
»Wir wären aber eigentlich schon längst quitt gewesen.«, erinnerte ich ihn an die vorherigen Situationen.
»Eigentlich ja heißt nein.«, grinste er nur und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Völlig benebelt von dem Gefühl, welches dadurch ausgelöst wurde, bemerkte ich kaum, wie er sich von mir löste und aus dem kühlen Nass stieg. Noch immer stand ich perplex im Wasser und sah ihm hinterher. Dass ich jemals so ein vertrautes und zugleich schönes Gefühl bei solch einer Geste seitens Bill bekommen würde, hätte ich nie gedacht. Doch da war es. Und ich wusste, dass ich versuchen musste, es einzuordnen. War es Freundschaft? Oder war es etwas anderes, viel mehr?
»Machen wir uns heute einen schönen Abend? Tom ist ja mal wieder weg.«, riss mich seine Stimme aus meinen Gedanken.
»Ähm...k-klar, können wir. Also...ja.«, stotterte ich und strich mir meine Haare aus dem Gesicht.
»Ich geh eben duschen, dann können wir uns was zum Essen machen.«, zwinkerte er mir zu, ehe er sich umdrehte und mich allein und total perplex, als auch durcheinander, zurückließ.
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Golden State - Wo du leben und lieben lernst
Fanfiction»Ich weiß, dass ich angekommen bin und alles, was ich in Deutschland lassen wollte, in Deutschland gelassen habe. Ich weiß, dass ich aus den Dingen in Deutschland gelernt habe. Und ich weiß, dass ich nie wieder dorthin zurückkehren würde. Nicht für...