Es waren Tage vergangen, an denen mich das Glück so sehr vereinnahmt hatte, dass ich kaum noch wusste, wie sich andere Gefühle anfühlten. Ich war vollkommen benebelt, gefangen in meinem Glück, dass ich nichts und niemanden um mich herum wahr nahm – außer den Menschen, der all das in mir auslöste. Bill sorgte noch immer jeden Tag dafür, dass ich mich so geborgen fühlte. Wir verbrachten viel Zeit miteinander, wir waren viel unterwegs. Er zeigte mir seinen Lieblingsplatz an einem kleinen Strand, der durch seine Abgeschiedenheit so unglaublich geheimnisvoll wirkte. Wir fuhren in die Stadt in seine Lieblingsgeschäfte, er ging mit mir durch einen angrenzenden Wald, in dem sich seine liebste Hunderunde durchzog und wir saßen in dem großen Park in der Nähe, in denen er einige Nachmittage ganz in Ruhe verbracht hatte, um Kraft zu tanken. Er zeigte mir sein Leben, er zeigte mir Plätze, die ihn geprägt hatten und die zu ihm gehörten und er zog mich jeden Tag ein Stück tiefer in sein Leben und ich gehörte mit jedem Schritt immer mehr dazu. Ich dachte vorher schon, dass ich angekommen war, aber dieses Gefühl hatte sich mit den letzten Tagen immer mehr bestärkt. Ankommen war kein Gefühl, das ab einem bestimmten Punkt abgeschlossen war. Ankommen war ein Prozess, der anfing und sich immer weiter festigte. Dieser Prozess hörte nie auf. Man kam an einem Ort oder bei einer Person an, doch dann passierten Dinge, die einen mehr und mehr ankommen ließen. In diesem Prozess befand ich mich gerade.»Worüber denkst du nach? So verträumt hast du deine Haare noch nie gebürstet.«, Bill erschreckte mich fast als er mich aus meinen Gedanken riss und mir einen sanften Kuss auf meine nackte Schulter drückte. »Ich wollte auch mal so verträumt in den Spiegel blicken und meine langen blonden Haare bürsten, wie es die Prinzessinnen in den Märchen auch immer machen.«, ich grinste. »Aber du hast den Moment zerstört. Kein Prinz würde sich jemals so an seine Prinzessin pirschen und ihr ganz ungeniert einen Kuss auf die nackte Schulter drücken.«»Ich bin ja auch gar kein echter Prinz.«, Bill zuckte die Schulter und nahm meine Haare, um sie mir über die Schultern auf den Rücken zu legen. Ich liebte es, wenn er durch sie strich, weil es eine beruhigende Wirkung auf mich hatte. »Meiner vielleicht ja schon.«, ich musste mir mein Lachen verkneifen. »Das war sehr kitschig, meine liebe Tia.«, Bill lachte und zog meinen Kopf an meinen Haaren zurück, um meinen Mund besser für einen Kuss erreichen zu können. Er hatte mich im wahrsten Sinne des Wortes in der Hand.»Aber Tia heißt nun mal Prinzessin. Und wenn ich eine Prinzessin bin, dann brauch ich schließlich auch einen Prinzen.«, beschwerte ich mich grinsend und sah an die Decke, weil Bill meine Haare noch immer so fest hielt, dass es mir nicht möglich war, meinen Kopf nach vorne zu richten. »Ich bin leider nur ein armer Musiker und kann kein prachtvolles Schloss bieten.«, er ließ langsam lockerer. Sofort drehte ich mich zu ihm und lehnte mich mit meinem Po an die Kommode, dass er gar nicht mehr auf die Idee kommen konnte, meine Haare erneut in seine Fänge zu nehmen. Und damit auch mich. »Dein kleines Holzhäuschen, in welchem du wohnst, nehme ich dir nicht übel, du armer, armer Musiker.«, ich verdrehte die Augen und verschränkte meine Arme vor der Brust. »Abgehobener Musiker passt vielleicht besser.«»Ach Prinzessin, du weißt, wie ich das meinte.«, mit einem Lächeln auf den Lippen nahm er meine Arme und legte sie um seinen Körper, dass mir gar keine andere Wahl blieb, als ihn zu umarmen. Sofort sog ich seinen vertrauten Geruch ein und legte meinen Kopf gegen seine Brust. »Auch wenn ich kein Prinz bin, darfst du trotzdem meine Prinzessin sein.«»Schleimer.«, nuschelte ich nur matt und fing mir sofort einen kleinen Schlag auf meinen Rücken ein. Ich war froh, dass unsere Beziehung so locker und entspannt war. Dass ich das sagen konnte, was mir auf dem Herzen und der Zunge lag, und nicht minutenlang darüber nachdenken musste, ob es das richtige in dieser Situation war. Ich war glücklich. »Bist du soweit fertig?«, Bill überging meine Aussage fast und drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn, ehe er von mir abließ. »Wir müssen in einer halben Stunde im Club sein.«»Ja, ich denke schon.«, ich sah noch einmal in den großen Spiegel, der an der gegenüberliegenden Wand hing und richtete meine Haare. Mein schwarzes Kleid, das über meinen Knien endete, saß perfekt an meinem Körper und betonte meine Kurven durch die enge Naht im Bauchbereich perfekt. Um gegen die Kälte, die sich am Abend eventuell über die Stadt legen könnte, ankämpfen zu können, hatte ich eine Lederjacke im Used-look über meinem Arm hängen und an meinen Füßen trug ich als kompletten Kontrast zu dem eigentlich elegant scheinenden Kleid meine ausgelatschten Chucks. »Meinst du, ich kann so gehen?«, hakte ich bei Bill noch einmal nach. Ich fühlte mich wohl in dem Outift und trotzdem war ich so aufgeregt aufgrund der neuen Situation, die sich mir bieten würde, dass ich ohne Bills Zustimmung nicht aus dem Haus gehen konnte.»Du siehst wunderbar aus, Tia.«, lächelnd kam Bill auf mich zu und zog mich zurück an seinen warmen Körper. »Und weißt du was? Du musst auch gar nicht aufgeregt sein.«, seine Lippen drückten sich sanft gegen meine Stirn und er hielt mich so eng an sich, dass ich immer mehr spürte, wie schnell und fest mein Herz eigentlich schlug. »Bin ich auch gar nicht.«, widersprach ich und wusste, dass ich mich selbst anlog. »Ich bin einfach nur.. gespannt.«»Lügnerin.«, sagte Bill nur kurz und knapp. Wir beide wussten, dass er recht hatte. Es war fast unmöglich, dass ich vor einem Auftritt nicht aufgeregt und nervös war. Neue Situationen luden mich förmlich dazu ein nervös zu sein. Und gerade wenn ich im Mittelpunkt stand. »Hat Tom meine Gitarre schon eingepackt?«, nuschelte ich als ich mich wortlos von Bill gelöst hatte. Jegliche Widersprüche waren sowieso zwecklos. Ich ließ es einfach so im Raum stehen. »Ja, das hast du mich übrigens schon drei Mal gefragt. Und Tom auch.«, Bill verkniff sich sein Lachen. Ich konnte es förmlich heraushören. »Ich bin nicht nervös.«, ich hob meinen Finger und schnitt ihm mit einer Bewegung sofort das Wort ab, ehe er überhaupt zum Widerspruch ansetzen konnte. Manchmal musste man dem Herrn zeigen, wo es lang ging.Ich zitterte, als ich mit meiner Gitarre in der Hand von der kleinen Bühne stolperte. Ich war noch immer aufgeregt, das Adrenalin schoss durch meine Adern und wahrscheinlich konnte ich mich erst beruhigen, wenn ich einen Drink in meinen Händen hielt und die beruhigende Wirkung des Alkohols in meinem Körper spürte. »Du bist spitze. Du bist so spitze!«, Vio kam fast auf mich zugestürmt, als ich in den provisorischen Backstage kam. Ich grinste, war vollkommen gefangen von all den Gefühlen, die auf mich einprasselten. »Danke.«, fast schon schüchtern stellte ich meine Gitarre gegen die Couch und ließ mich von Vio in den Arm nehmen. Die Jungs waren noch draußen, wollten dieses Mal einfach nur Publikum sein und mich auch dort in Empfang nehmen. Sie wollten einfach mal Gast eines Konzertes sein und nicht jemand, die zu jeglichen Räumen zutritt hatten, in die andere nicht reinkamen. Auch wenn dies hier die Bar war, in der sie bekannt waren und alles klein gehalten war, wollten sie dieses Gast-Ding durchziehen. Und ich nahm es ihnen nicht übel. Ich freute mich eher für sie, dass sie so unbeschwert und normal ihren Abend verbringen konnten. »Jetzt weiß ich endlich, was Tom immer gesagt hat, als er meinte, dass du einen packst und mit auf eine Reise mitnimmst.«, Vio grinste mich förmlich an, als ich die Wasserflasche von dem kleinen Tisch nahm. Sofort legte sich eine Gänsehaut auf meine Arme. »Das hat Tom gesagt?«, erstaunt sah ich sie an. Tom hatte mich oft gelobt, wenn ich Musik mit ihm gemacht hatte, doch so etwas hatte ich aus seinem Mund noch nicht gehört. Ich war fast erschrocken, dass er solche Worte für mich übrig hatte. »Ja, er schwärmt förmlich von dir.«, sie legte ihre Hand auf meinen Rücken und schob mich aus dem kleinen Raum heraus und in den Gang, den ich vor wenigen Sekunden noch gegangen war, um die Bühne hinter mir zu lassen. »Oh Tom.«, ich schüttelte lachend meinen Kopf, weil ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte. Irgendwie überforderte es mich, weil ich es nicht gewohnt war, solche Komplimente aus dem Mund eines Menschen zu hören. »Vielleicht bekommst du gleich ja auch sowas zu hören.«, Vios Lachen hallte solange nach, bis wir in den kleinen Club kamen und die Leute uns umgaben. Sie sahen mich an, als ich mich mit Vio durch sie hindurch quetschte, sagten aber nichts. Das war mir recht. Der Applaus und die Zugabenwünsche waren Kompliment genug. Wahrscheinlich würde ich es nicht überstehen, wenn sie mich noch ansprechen würden. Mir würden die Worte wegbleiben und das würde unangenehm werden. »Meine Supersängerin!«, Bill breitete die Arme aus, um mich an sich zu drücken. Er war noch immer so kitschig drauf. »Du warst fantastisch. Ich hätte es kaum besser machen können.«»Welch ein Kompliment von meinem Supersänger!«, ich betonte das ‚meinem' besonders und ließ mich von ihm küssen. »Danke dir!«»Von deiner Nervosität hat man übrigens nichts mitbekommen.«, er zwinkerte mir zu und griff das Thema von vorhin wieder auf. Wieder war Widerspruch zwecklos. Er wusste es, ich wusste es, wir alle wussten es. Ja, ich war nervös. Und das nicht zuletzt, weil Bill im Publikum saß. Jeden Song hatte ich für ihn gespielt und für ihn gesungen. Für ihn, für mich, für uns. Für unsere Liebe.
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Golden State - Wo du leben und lieben lernst
Fanfiction»Ich weiß, dass ich angekommen bin und alles, was ich in Deutschland lassen wollte, in Deutschland gelassen habe. Ich weiß, dass ich aus den Dingen in Deutschland gelernt habe. Und ich weiß, dass ich nie wieder dorthin zurückkehren würde. Nicht für...