» Kapitel 09

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Den Magen völlig vollgeschlagen und den Kopf in Richtung Sonne gereckt, saßen wir da, als die Terrassentür aufgezogen wurde und David hinter Tom ins Freie trat.
»Hey, ihr beiden.«, begrüßte er Bill und mich.
»Hi.«, gaben wir entspannt zurück und bereuten jetzt schon, dem Gespräch mit David für diesen Zeitpunkt zugesagt zu haben. Wir brauchten keine Worte um genau das festzustellen – viel zu sehr sprachen die rollenden Augen, als Besagter vor uns stand und erfreut in die Hände klatschte.
»Was gibt es denn? Wir wollten den Tag heute entspannt beginnen.«, seufzte Bill und setzte sich auf, um David besser ansehen zu können. Auch ich nahm aus reiner Höflichkeit meine Beine von dem Gartenstuhl und versuchte die Aufmerksamkeit und das Interesse rüber zubringen, das er in diesem Moment verdient hätte. Ich wollte nicht, dass er sah, dass ich in diesem Moment wirklich null Lust auf ihn hatte, weil ich viel zu viel Angst besaß, er könne meine momentane gute Stimmung zerstören. Nichtsdestotrotz hatte David mir jedoch dabei geholfen, mit wenigstens einem Fuß in meinem jetzigen Leben in Los Angeles zu stehen und irgendwie anzukommen.
»Wolltest du dich verabschieden?«, stellte ich eine andere Frage, um den Manager der Jungs zu besänftigen und um einer Wortdiskussion mit nicht allzu netten Blicken zwischen ihm und Bill zu umgehen.
»Auch. Ich wollte sichergehen, dass die Jungs sich um dich kümmern werden, während ich weg bin.«, gab er zu und ließ sich mit einem Grinsen auf einen der Stühle sinken. Sofort war nicht nur Tom, sondern auch Bill hellhörig und setzte sich in eine aufrechte Position, die das Interesse gegenüber dem Manager widerspiegelte.
»Du siehst doch, dass wir uns um sie kümmern, oder nicht? Schließlich sitzt sie nicht umsonst hier bei uns am Tisch.«, fauchte Bill David an. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah ich ihn an und versuchte ihm mit einem fragenden Blick klarzumachen, dass ich nicht verstand, wieso er ein solches Verhalten gegenüber seinem Manager an den Tag legte. Und ob ich nur hier saß, weil er sich dazu verpflichtet fühlte.
»Die beiden kümmern sich wirklich gut um mich. Ich denke, du musst dir da keine Gedanken machen. Und wenn die beiden ihren Job vernachlässigen, komme ich auch noch alleine durch das Leben.«, wieder war ich es, die versuchte, die Stimmung ein wenig zu lockern und einen aufkommenden Streit zwischen Bill und David zu verhindern. Dass Tom sich bei der ganzen Sache elegant raus hielt und das ganze nur schweigend beobachtete, nahm ich ihm nicht übel – schließlich hatte ich beim Aufstehen mitbekommen, wie kratzbürstig Bill gegenüber ihm sein konnte.
»Und wenn du es doch nicht packst, gehst du einfach zu John in die Bar und der hilft dir mit Sicherheit auch weiter.«, zwinkerte David mir zu. Irgendwie ließ es mich aufatmen, dass ich nicht alleine dastand und es mehrere Menschen gab, die sich Gedanken um mein Wohlbefinden machten und mir im Notfall helfen würden.
»Danke.«, grinste ich ihn zufrieden und vor allem dankend an und lehnte mich beruhigt zurück in den Stuhl.
»Deswegen bist du aber nicht gekommen, David.«, schaltete Tom sich nun endlich ein. Er schien bemerkt zu haben, dass Bill runtergekommen sein musste und sich die ganze Situation gelockert hatte.
»Das stimmt. Ich habe nämlich noch ein Anliegen.«, lächelte er durch die Runde und erstarrte schon fast, als er sah, wie Bill ihn musterte. »Wie ihr euch die Zeit vertreiben könnt. Mit eurer Musik!«
»Und was wäre das, bitte?«, ein wenig hellhörig wie anfangs, als es um das Kümmern meiner Person ging, setzte Bill sich auf und schenkte seinem Manager das nötige Interesse. Wie schnell sich bei ihm die Laune zum Positiven ändern konnte, wunderte mich selbst. In den letzten paar Stunden, die an diesem Morgen schon vergangen waren, hatte ich das Gefühl, es mit einer schwangeren Frau zu tun zu haben. Stirnrunzelnd betrachtete ich ihn aufgrund dessen, aber auch David aufgrund seines musikalischen Anliegens.
»Ihr habt einen Auftritt bei John in der Bar. Alle drei. Wie ihr es aufteilt ist euch überlassen. Ihr könnt zu dritt spielen, oder die Zeit einteilen, sodass jeder eine Hälfte spielt.«, gab er bekannt und setzte das selbstsicherste Grinsen auf, welches er wohl besaß.
»Wenigstens eine gute Idee, die du mal überbringst.«, seufzte Bill und tat desinteressierter, als er eigentlich war. Von Sekunde zu Sekunde wurde mir sein Verhalten gegenüber David immer suspekter. Eigentlich hatten sie sich doch gut verstanden und nie so sehr aneinander geeckt wie heute. Vor allem Bill hatte nur Gutes über seinen Manager preisgegeben. Ich nahm mir vor, die Situation weiter zu beachten. Sollte Bill nach Davids Verabschiedung noch immer so mies gelaunt sein, lag es wohl einfach daran, dass er einen schlechten Tag hat, doch sollte sich seine Laune kurz darauf auf Dauer zum Positiven ändern, würde ich ihn ansprechen. Ich wollte wissen, mit was für einem Menschen ich mich mit David eingelassen hatte. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gefühl. Doch schlechte Gefühle zu verdrängen, konnte ich und tat es dieses Mal auch wieder.
»Vielleicht kommt sie ja auch von John.«, lachte Tom und hielt sich Sekunden später seine Hand vor seine zusammengepressten Lippen. »Tschuldigung, war nur ein Spaß.«, nuschelte er, woraufhin David nur kopfschüttelnd aufstand.
»Der Auftritt ist für Freitag angesetzt, ihr habt also noch ein paar Tage. Macht was Gutes draus, John meldet sich nämlich Samstag bei mir und berichtet, wie es gelaufen ist. Macht keinen Scheiß!«, kurz schlug er mit den Jungs ein, kam zu mir herum, um mir links und rechts einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu hauchen und verschwand Sekunden später schon wieder im Inneren des Hauses, um seinen Heimweg anzutreten.
»Macht er immer so schnell einen Abgang?«, flüsterte ich, aus Angst, dass David noch in der Nähe sein könnte, und sah die beiden Jungs fragend an. Irgendwie verwirrte mich die letzte halbe Stunde, in der womöglich mehr passiert war, als mir lieb war.
»Ja, öfter. Erst setzt er sich hin, labert einem eine Kante ans Bein und dann – von jetzt auf gleich – steht er auf und geht.«, schüttelte Bill seinen Kopf und zog seine Beine auf den Gartenstuhl.
»Komisch.« kurz stoppte ich, ehe ich mich an etwas herantraute zu fragen, was ich Sekunden vorher nicht auszusprechen gewagt hätte.
»Habt ihr kein gutes Verhältnis?«
»Doch, doch.«, wank Bill ab.
»Man hat nur ab und an seine Meinungsverschiedenheiten.«, zwinkerte Tom sofort. »Aber die Idee fand ich wirklich gut. Vielleicht können wir uns später, wenn es sich gegen Abend ein wenig abgekühlt hat, zusammensetzen und ein wenig quatschen, was den Auftritt angeht.«, schlug Tom vor und stand auf. Schon sein Vorschlag hörte sich so an, als hätte er in diesem Moment keine Zeit mehr für uns.
»Wo willst du hin?«, stocherte Bill auch sofort nach.
»Ich muss kurz was erledigen. Bin gegen Abend aber auf jeden Fall wieder da. Ich bring dann auch gleich was zum Essen mit.«, setzte er Nägel mit Köpfen und verschwand ebenso wie David im Inneren des Hauses.
»Du bleibst doch aber noch, oder nicht?«, fast schon bittend sah Bill mich an und legte seinen Kopf leicht schief. Sofort musste ich an den Moment denken, an dem er mit seinem Geständnis und voll eingenommen von der Schüchternheit gegenüber von mir stand und vor Scham rot auf den Wangen wurde.
»Ich wollte eigentlich zurück ins Motel. Die wundern sich mit Sicherheit schon, wo ich bleibe und fragen sich, ob ich noch lebe.«, entschuldigend und darauf hoffend, dass Bill verstand, was ich meinte und es akzeptierte, zuckte ich mit den Schultern.
»Dann begleite ich dich aber.«, setzte er einen Kompromiss, dem ich mich geschlagen geben musste.
»Okay.«, stimmte ich ein. »Aber wieso? Ich meine, ich kann auch schnell alleine mit dem Bus hinfahren und eben nach dem Rechten sehen.«
»Und wie willst du dann deine ganzen Klamotten hierher bekommen?«, grinste Bill und klatschte beim Aufstehen in seine Hände.
»Wie?«, sprachlos, mit einem Hintergedanken, der sich in den nächsten Sekunden bestätigen sollte, blickte ich meinem Gegenüber ins Gesicht.
»Du ziehst bei uns ein!«  

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