Kapitel 1.2

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Je näher sie der Küche kamen, desto intensiver wurde der Geruch nach Tomatensoße. Stühle wurden über den Boden geschoben und vorfreudiges Geplapper sowie das Geklapper von Tellern und Besteck drang bis auf den Flur hinaus.

Als die beiden die Küche betraten, war Mrs. Carol gerade zusammen mit ein paar älteren Mädchen und Jungen dabei die ersten Teller mit Nudeln zu beladen. Die Küche war einer der schönsten Orte im Haus. Der Boden war abwechselnd mit schwarzen und weißen Fliesen belegt, so dass es aussah wie ein Schachbrett. Der alte Herd und die Einbauküche sahen zwar aus, als entstammten sie einem anderen Jahrhundert, doch sie strahlten gleichzeitig etwas sehr wohliges aus. Einzig beim Kühlschrank handelte es sich um ein aktuelles Modell, weil der Alte vor einer Weile kaputt gegangen war. Mit seiner silbern glänzenden Oberfläche wirkte er ein wenig deplatziert. Um den riesigen alten Holztisch drängten sich gut 30 Kinder. Sie streckten sich nach den Nudel- und Soßenschüsseln, die auf dem Tisch verteilt standen und veranstalteten dabei so manche Kleckerei.

"Lucy, warte bitte, bis ich dir die Soße drauf mache", schalt Mrs. Carol ein Mädchen, das gerade versuchte eine Kelle voll Tomatensoße über den Tisch zu ihrem Teller zu balancieren und dabei kontinuierlich etwas danebentropfen ließ.

"Eric, nimm bitte einen Löffel!", bat sie einen Jungen ihr gegenüber.

Der Junge sog seine Spaghetti geräuschvoll ein, griff dann aber doch zum Besteck. Alice musste lächeln. So lief es immer ab, wenn die ganze Meute zum Essen zusammenkam. Dann entstand jedes Mal ein kunterbuntes Durcheinander, bis sich alle die Bäuche so vollgeschlagen hatten, dass sie langsam müde wurden. Als Mrs. Carol Alice sah, lächelte sie freundlich.

"Macht mal ein bisschen Platz für Alice und Benni", sagte sie und klatschte auffordernd in die Hände. Sofort rückten die Kinder ein wenig auseinander. Alice hob Benni hoch und setzte ihn auf einen freien Platz.

"Du auch Alice", sagte ein kleines rothaariges Mädchen und klopfte auf den Platz neben sich. Alice setzte sich zu ihr.

"Du musst uns gleich sagen, wie es schmeckt", forderte ein anderes Mädchen, das ihr gegenüber am Tisch saß. "Wir haben nämlich beim Kochen geholfen. Ich hab die Tomaten gequetscht. Und Hannah hat die Töpfe gerührt", sagte sie und deutete auf das Mädchen neben ihr, das sich gerade einen großen Löffel Nudeln mit Soße in den Mund geschoben hatte. Da sie mit vollem Mund nicht sprechen konnte, nickte sie eifrig.

"Na dann", sagte Alice und probierte gehorsam. Die Mädchen beobachteten sie gespannt.

"Schmeckt spitze", sagte sie kauend und reckte den Daumen nach oben. Die beiden Mädchen grinsten breit und widmeten sich dann wieder ihren eigenen Tellern.

"Ich finde es so schade, dass du ab morgen nicht mehr da bist", sagte der Junge mit der Brille.

"Ich auch!", stimmten die Kinder nach und nach mit ein. Plötzlich herrschte eine leicht gedrückte Stimmung.

"Na, na, na", erhob Mrs. Carol die Stimme. "Wir wollen Alice den Abschied doch nicht schwerer machen. Außerdem bin ich mir sicher, dass es Alice dort gefallen wird, wo sie morgen hinfährt. Die Familie für die sie arbeiten wird, hat einen wirklich hübschen alten Landsitz."

"Da spukt es bestimmt", scherzte einer der Jungs.

"Wenn du einen Geist siehst, musst du ihn so doll erschrecken, dass er sich vor dir fürchtet", sagte der Junge mit der Brille.

"Ja, dann kann er nicht mehr rumspuken", pflichtete Benni ihm bei.

"Ich merk es mir", entgegnete Alice. Der Junge mit der Brille machte ein zufriedenes Gesicht.

"So und jetzt lasst Alice mal in Ruhe essen, sonst wird alles kalt", mahnte Mrs. Carol und zwinkerte Alice zu.

Die Kinder taten wie geheißen und konzentrierten sich wieder auf die Nudelberge vor ihnen. Es dauerte nicht lange, bis die Schüsseln leer und alle satt und zufrieden waren. Einige rutschten bereits unruhig auf ihren Stühlen herum.

The Story of AliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt