"Danke Thomas, würdest du uns bitte einen Tee bringen?", fragte sie mit einem honigsüßen Lächeln.
"Sehr wohl", antwortete er und nickte knapp. Dann verschwand er und ließ Alice mit ihr alleine.
"Du bist also das Mädchen, das mir Mrs. Carol empfohlen hat", sagte sie. "Wie heißt du?"
"Mein Name ist Alice", antwortet Alice.
"Ein hübscher Name", sagte sie und lächelte. "Bitte setzt dich doch", fügte sie hinzu und deutete auf einen der Sessel. Unsicher ging Alice an ihr vorbei und setzte sich. Mrs. Red beobachtete sie dabei und nahm schließlich in dem Sessel ihr gegenüber Platz.
"Hat man dir schon alles gezeigt und dich mit den anderen bekannt gemacht?", fragte sie.
"Ja, Madame", antwortete Alice.
"Und gefällt es dir bisher bei uns?", forschte sie weiter.
"Ja, sehr gut", entgegnete Alice. Mrs. Red schien mit dem Fortgang der Konversation jedoch nicht sehr zufrieden zu sein.
In diesem Moment kam Thomas mit einem Tablett zurück, auf dem zwei Tassen und eine heiße Kanne Tee standen. Umsichtig stellte er es auf einem kleinen Beistelltischchen ab und goss den Tee in die kleinen Tassen.
"Danke Thomas", sagte Mrs. Red, als sie ihre Tasse entgegennahm.
"Danke", murmelte Alice ebenfalls, als er ihr die Tasse übereichte. Sein Blick, mit dem er sie dabei bedachte, wurde noch eine Spur finsterer als zuvor.
"Ich möchte dich ein wenig kennenlernen", sagte Mrs. Red und nippte an ihrem Tee. "Ich möchte gerne wissen, wen ich mir ins Haus geholt habe. Ich denke, das verstehst du", sagte sie. Da war er wieder, der Eisklumpen in ihrem Magen. Alice Hände begannen leicht zu zittern. Es war anders als bei Thomas. Thomas war einfach nur abweisend. Doch Mrs. Red umgab eine andere Aura. Fast wie die einer Königin. Dabei strahlte sie eine Autorität aus, die Alice auf ganz andere Art zu bedrohen schien. Alice war schnell klar, dass sie es sich mit ihr besser nicht verscherzen sollte.
"Magst du keinen Tee?", fragte Mrs. Red.
Alice vernahm, wie sich Thomas hinter ihr leise räusperte. Sie kam sich vor wie ein Kaninchen, das von zwei Löwen eingekreist wurde.
"Oh, doch, furchtbar gerne", entgegnete Alice und nippte vorsichtig an ihrer Tasse. Sie schmeckte Minze und einen Hauch Zitrone.
"Nun, Mrs. Carol sagte mir, dass du sehr zuverlässig bist. Ich gehe also davon aus, dass du deinen Pflichten ordnungsgemäß nachkommen wirst."
"Selbstverständlich, Madame", entgegnete Alice.
Auf Mrs. Reds Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus.
"Sehr schön! Dann hoffe ich, dass du uns lange erhalten bleiben wirst. Thomas wird dich in nächster Zeit ein wenig beobachten und mir Bericht über deine Arbeit erstatten."
Alice spürte, wie sich seine Hand auf die Rückenlehne ihres Sessels legte und sich beinahe sofort eine Gänsehaut auf ihren Armen ausbreitete.
"Wenn du deine Arbeit zufriedenstellend erledigst, werde ich Mrs. Carol gerne davon berichten."
Offenbar sollte es ein Kompliment sein, doch es klang eher wie eine Drohung. Wenn sie sich einen Fehltritt leistete, würde sie das nicht nur ihr, sondern auch Mrs. Carol anlasten. Das konnte zu einem großen Problem für Mrs. Carol werden. Denn wenn ihre Namen in Verruf geriet, stand auch der Ruf des Waisenhauses auf dem Spiel und somit seine ganze Existenz. Alice spürte, wie sich diese Last schwer auf ihre Brust legte.
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The Story of Alice
FantasyVom Tag ihrer Ankunft auf dem Landsitz an, hatte sie das Gefühl, dass ihrer beider Schicksale miteinander verwoben waren. Doch sie hatte nicht geahnt, auf welche Weise. Sie musste sich eingestehen, dass sie sie unterschätzt hatte. Sie hatte Alice nu...