Kapitel 7.2

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"Was für ein Glück, dass der Salon so gut wie nie genutzt wird", sagte Kate. "Da haben wir nicht so viel aufzuräumen. Wir müssen nur ein bisschen Staub wischen." Kate schien in Eile zu sein. Man sah ihr an, dass sie angespannt war. Alice konnte jedoch nicht genau sagen, woher diese Anspannung kam.
"Ist alles ok?", fragte Alice. "Du wirkst ein bisschen nervös. Ist irgendwas?"

"Was, ähm, nein, alles ok. Ich, also wir, müssen nur gleich in ein anderes Zimmer und ich weiß nicht, ob da noch jemand ist.

"Meinst du mit jemand Alexander?", fragte Alice, die sich ziemlich sicher war, den Grund für Kates Nervosität gefunden zu haben.
"Ja", gab sie verlegen zu.
"Wenn du willst, kann ich ja klopfen und nachsehen, ob er da ist", bot Alice an. "Und wenn die Luft rein ist, hole ich dich." Alice zwinkerte und Kate lächelte ein wenig.
"Das ist lieb gemeint, aber ich denke, ich muss das selbst machen", sagte Kate. "Sonst hält er mich noch für feige."
"Meinst du?", fragte Alice. "Ich glaube ja eher, er bewundert dich."
"Mich? Wofür sollte er mich denn bewundern?"
"Für dein Pflichtbewusstsein zum Beispiel", antwortete Alice.
"Ich werde dafür bezahlt, dass ich meine Arbeit ordentlich mache. Das ist keine besonders herausragende Eigenschaft von mir."

"Du schätzt dich viel zu gering ein. Du kannst ruhig ein bisschen stolz auf dich und deine Arbeit sein. Außerdem glaube ich, dass du ihm schon ein bisschen gefällst, aber das habe ich dir ja schon mal gesagt."

"Ich weiß, aber es fällt mir trotzdem schwer, es zu glauben", seufzte sie.
"Alexander scheint mir ein netter Kerl zu sein. Das Problem liegt eher bei seiner Mutter, denke ich", sagte Alice.
Alice sah, wie sich Kate auf die Unterlippe biss. Wahrscheinlich verkniff sie sich gerade eine ungebührliche Bemerkung über Mrs. Red.

Als nächstes widmeten sie sich den beiden Bädern und dem Schlafgemach von Mr. und Mrs. Red. Besonders gestaunt hatte Alice über den riesigen begehbaren Kleiderschrank der Eheleute. Noch nie hatte sie dermaßen viele Kleider, Anzüge, Schuhe, Handtaschen und Accessoires auf einem Haufen gesehen. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, welchen Wert all diese Sachen hatten. Kate schien davon weniger beeindruckt zu sein. Wahrscheinlich, weil sie die Sachen schon kannte.
Auch die Möbel, mit denen das Schlafzimmer der Reds eingerichtet war, waren aus feinstem Mahagoni-Holz. Kate hatte Alice vorsichtshalber ein paar weiße Handschuhe mitgebracht, die sie sich überzog, um keine Abdrücke auf der Oberfläche zu hinterlassen. In einer Ecke des Raums stand ein großer Spiegel, der mit einem Tuch abgehangen worden war.

Alles in allem war es sehr luxuriös, aber nicht aufdringlich. So hatte Alice Mrs. Red gar nicht eingeschätzt. Ihr hatte sie eher goldverzierte Bilderrahme oder diamantbesetzte Schminkschatullen zugetraut.

Danach blieben nur noch die Zimmer der beiden Söhne übrig. Bei Theodor hatten sie Glück. Er war gerade nicht da. Kate hatte darauf bestanden zuerst sein Zimmer aufzuräumen. Alice war klar warum. Kate wollte so viel Zeit schinden wie möglich, in der Hoffnung, dass Alexander sein Zimmer irgendwann verlassen würde. Immer wieder lauschte Alice angespannt in die Stille, doch von gegenüber war nichts zu vernehmen. Vielleicht war er ja tatsächlich nicht da. Schließlich konnte sich Kate nicht mehr davor drücken. Etwas unentschlossen stand sie vor der Tür zu Alexanders Zimmer und starrte die Klinke an.

Schließlich fasste sich Alice ein Herz und klopfte für sie. Zunächst rührte sich nichts. Doch als Alice nach der Klinke fassen wollte, öffnete sich die Tür plötzlich und ein reichlich verschlafener Alexander blinzelte ihnen entgegen. Er trug noch seinen dunkelgrauen Pyjama und wuschelte sich noch ein wenig müde durchs Haar.
"E... Entschuldigung", sagte Kate panisch. "Wir..., wir wollten dich, ich meine Sie, nicht wecken. Es... es tut mir furchtbar leid."
Alexander begann zu lachen. "Das macht doch nichts", sagte er. "ich wollte sowieso gerade aufstehen." Er schenkte der völlig perplexen Kate ein Lächeln.
"Ihr müsst hier sauber machen oder?", fragte er.
"Nein..., also ja..., also es muss nicht unbedingt jetzt sofort sein", sagte Kate und versuchte ihn dabei nicht anzustarren.

The Story of AliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt