Alice erschrak sich halb zu Tode, als sie spürte, wie sie jemand an der Schulter berührte. Als sie sich abrupt umdrehte und dabei einen Schritt nach hinten machte, wich auch das Mädchen zurück, das ihr nun gegenüber stand. Sie war ein bisschen kleiner als sie selbst und trug eine Dienstmädchenuniform. Ihr dunkles Haar hatte sie zu einem langen Zopf geflochten und ihre blauen Augen musterten Alice neugierig.
"Entschuldige", sagte sie. "Ich wollte nicht, dass du dich erschreckst." Ihre Stimme klang sanft und freundlich. Alice spürte, wie ihr Herz von dem Schrecken noch wie wild in ihrer Brust klopfte.
"Schon gut, ich war nur so vertieft in die Bücher." Das Mädchen lächelte breit, als sei das etwas, dass ihr bekannt vorkam.
"Ich bin Kate", sagte sie und streckte ihr die Hand entgegen.
"Ich bin Alice", antwortete Alice und drückte Kates Hand.
"Ähm, also... Thomas hat mich geschickt, damit ich dir alles zeige", sagte sie. "Aber wie ich sehe, hast du dich ja selbst schon ein bisschen umgesehen."
"Ja, ein wenig", entgegnete Alice und blickte unsicher umher.
"Hast du schon ausgepackt, oder soll ich dir dabei helfen?"
"Ich bin schon fertig, aber danke für das Angebot", erwiderte Alice.
"Und wie ist dein erster Eindruck so?", fragte Kate neugierig.
Alice fühlte sich ein wenig überrannt von dieser Frage und wusste nicht recht, was sie sagen sollte.
"Du fühlst dich bestimmt noch ein wenig unsicher, oder?"
Damit hatte Kate ihr unverhofft die Antwort abgenommen. Alice nickte.
"Das macht nichts. An meinem ersten Tag war ich auch noch ein bisschen nervös, aber das vergeht ganz schnell, wenn du dich erst mal eingelebt hast." Kate schenkte ihr ein weiteres breites Lächeln, das Alice schüchtern erwiderte. Insgeheim war sie beruhigt. Kate war ganz anders als Thomas, viel netter und offener und sie schien sie zu mögen.
"Hast du im Haus schon alles gesehen?", fragte Kate.
"Ja, bis auf die Zimmer im ersten Stock", antwortet Alice.
"Oben sind nur die Schlafräume und das Badezimmer für die Frauen. Hat Thomas dir das schon gezeigt?"
"Nein, aber er hat mir gesagt, wo es ist und ich war schon kurz drin."
"Alles klar,... also das Badezimmer teilen wir uns zu dritt und die beiden Jungs benutzen das Bad hier unten." Es gab also außer Thomas noch einen weiteren männlichen Bewohner und augenscheinlich noch eine Frau.
"Das hier ist übrigens unser Wohnbereich. Hier kommen wir meistens abends zusammen und sehen fern oder tratschen ein bisschen", plapperte Kate munter weiter. "Bei uns ist eigentlich alles für alle da. Außer im Kühlschrank. Da sind einige Sachen beschriftet. Die gehören dann irgendwem, aber das siehst du dann ja."
"Wie viele Leute arbeiten denn hier?", fragte Alice und unterbrach sie damit in ihrem Redefluss. Bisher hatte sie, sich selbst mit eingeschlossen, nur fünf gezählt, was ihr bei der immensen Größe des Haupthauses etwas wenig vorkam.
"Du meinst, weil wir hier nur zu fünft wohnen?" Sie lachte amüsiert. "Es gibt natürlich noch andere, die hier arbeiten, aber nicht auf dem Gelände wohnen. Die meisten kommen aus der näheren Umgebung. Aber für uns vier, bzw. fünf, wäre es jeweils zu weit weg gewesen. Deshalb hat uns die Familie Red erlaubt, hier im alten Personalhaus zu wohnen."
Damit wurde so einiges klarer.
"Thomas sagte, dass du als Zimmermädchen eingestellt wurdest", forschte Kate weiter.
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The Story of Alice
FantasyVom Tag ihrer Ankunft auf dem Landsitz an, hatte sie das Gefühl, dass ihrer beider Schicksale miteinander verwoben waren. Doch sie hatte nicht geahnt, auf welche Weise. Sie musste sich eingestehen, dass sie sie unterschätzt hatte. Sie hatte Alice nu...