F I F T E E N

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Lautes Wolfsgeheul lässt uns beide, wie von der Tarantel gestochen, auseinander schrecken. So langsam funktioniert mein Gehirn wieder und erst jetzt registriere ich was gerade passiert ist. Das darf nicht wahr sein. Ich wollte nie wieder auf einen Typen reinfallen und was mache ich?! Nach einem halben Jahr werde ich schon wieder schwach. Lucinda hatte Recht, man kann nicht alleine sein, doch ich wollte es nicht wahr haben.Ich will nicht wieder reingelegt werden.
Verunsichert schaue ich zu Jake auf. Dieser schaut mich voller Liebe an und ich muss laut schlucken. Das kann nicht sein, er kann nicht in mich verliebt sein. Das würde alles verkomplizieren.
„Ich bringe dich schnell nach Hause. Irgendetwas Gefährliches ist im Wald." Er nimmt meine Hand und zusammen mit ihm, mache ich mich auf den Weg nach Hause. Er geht mit schnellen Schritten voran, aber er ist so schnell, das ich nicht mithalten kann. Ich stolpere über eine Baumwurzel und falle auf meinen Hintern. „Aua", entfährt es mir. Seufzend hilft Jacob mir auf indem er mir seine Hand entgegen streckt. Dankend nehme ich sie an.
Kaum stehen ich wieder zieht er mich sanft aber bestimmend mit sich. „Was ist überhaupt los?" Ich bin stehen geblieben und erwarte eine Antwort, vorher rühre ich mich nicht von der Stelle. „Komm wir müssen weiter, es ist zu gefährlich für dich." „Ich will aber eine Antwort!", zicke ich herum. Jacob dreht sich zu mir um und sein Gesicht nimmt wieder einen viel liebevolleren Ausdruck an. „Ich will wissen, das du in Sicherheit bist, ehe ich mich auf den Weg zu Sam mache." Ich bin sprachlos. Liegt ihm so viel an mir?
In diesem Moment heult wieder ein Wolf laut auf. „Wir müssen uns beeilen. Kommst du?" Ich nicke einfach nur und folge ihm wieder. Er wird schon wissen, wo er entlang zu gehen hat.
Vor uns lichten sich die Bäume und ich erkenne die schwach beleuchtete Straße. Erst jetzt bemerke ich wie sehr ich doch am zittern bin,und das meine Kleidung komplett durchnässt ist. „Du kannst jetzt den anderen helfen. Ich schaff den Rest auch schon alleine. Ich bin ein großes Mädchen." sage ich zu ihm und stelle mich ihm in den Weg. Nachdenklich sieht er mich an. „Aber...", fängt er an.
„Nein, kein aber. Deine Freunde brauchen dich." Er nickt, schaut dabei aber nicht sehr überzeugt aus. Er beugt sich zu mir herunter und haucht mir noch einmal einen Kuss auf die Lippen. „Pass auf dich auf". Dann wendet sich auch schon dem Wald zu und ist in wenigen Sekunden verschwunden.

Ich gehe die Straße entlang, nur noch einmal um die Ecke biegen und schon kann ich mein Haus könnte ich mein Haus sehen. Ein sanfter Windstoß weht mir durch meine Haare und erzeugt mir eine Gänsehaut.Auf der Straße ist weit und breit niemand zu sehen.
An der Ecke angekommen, flackert die Straßenlaterne und plötzlich bin ich in Dunkelheit gehüllt. Ein merkwürdiges Gefühl befällt mich. Ich fühle mich beobachtet. Mein Herz fängt an zu rasen und ich kann schon es schon förmlich schlagen hören. Ich höre leise Schritte auf mich zu kommen. Was soll ich machen? Soll ich stehen bleiben und darauf hoffen nicht bemerkt zu werden oder soll ich doch lieber wegrennen und hoffen das der Unbekannte mir nicht hinterher läuft? Ich entscheide mich für das zweite und ich gehe einfach weiter, als wenn nichts los sei.
Die Schritte kommen immer näher. Wie von selbst, beschleunige meine Schritte. Ich bekomme panische Angst. Ich will zu meinem Dad und zu Lola.
Eine kalte Hand legt sich auf meinen Mund. „Sei still, dann tue ich dir auch noch nichts." Ich mache was er mir befiehlt und erstarre zu einer Salzsäule. „So ist es gut. Jetzt wirst du mit mir gehen und keinen Laut von dir geben." Dabei sieht mir der Unbekannte tief in die Augen. Scharf ziehe ich die Luft ein und sehe in seine roten Augen. Ohne Vorwarnung nimmt der Unbekannte seine Hand weg und ich nutze diese Chance und renne weg. Doch da habe ich mich zu früh gefreut. Schnell hat er mich wieder eingefangen. Schon wieder hält er mich fest. Fluchend kramt er mit der einen Hand in seiner Hosentasche herum und zückt kurz darauf ein weißes Tuch heraus. Er drückt mir das Tuch ins Gesicht und ich bin gezwungen, das stinkende Zeug einzuatmen, das den Stoff benetzt. Das letzte was ich bemerke, ist das ich hochgehoben werde.

Lautes Gemurmel weckt mich, doch irgendetwas in mir drin sagt, das ich die Augen geschlossen halten soll. Ich beschließe wenigstens einmal in meinem Leben, meinem Instinkt zu folgen. Im nächsten Moment stellt sich dies auch schon als richtig heraus. An den Schritten kann ich hören, das zwei Menschen zu mir in den Raum gekommen sind. „Ich hab dir gebracht, was du wolltest. Du weißt was ich nun von dir will", sagt eine schneidend, kalte Stimme. „Das weiß ich in der Tat, aber erst einmal ist sie hier vorrangig. Danach werde ich mich deinen Problemen voll und ganz widmen."
„Lange wirst du nicht Zeit haben, sie steht unter dem Schutz der Gestaltwandler." warnt die kalte, aber doch melodiöse Stimme. „Was du nicht sagst", spottet die zweite Stimme.
Leise kommt jemand auf mich zu und hält zwei Finger an meine Halsschlagader. Was soll das? „Wenigstens lebt sie noch", murmelt die zweite Stimme. Wieso sollte ich tot sein?
Die Schritte entfernen sich wieder und ich bin allein im Zimmer. Vorsichtig wage ich es, meine Augen zu öffnen. Neugierig schaue ich mich um. Alles hier ist in weiß gehalten: Die Wände, der Boden und auch die Decke. Ist ja langweilig. Lediglich ein Schreibtisch und ein Bett auf dem ich liege, stehen im Zimmer. Was habe ich hier zu suchen? Was wissen sie von dem Rudel? Ich muss sie warnen.
Ich schlage die Decke zurück und will schnell aufstehen. Doch das macht mein Körper nicht mit. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er jeden Augenblick explodieren und meine Knie zittern. Stöhnend halte ich meinen Kopf in den Händen. Ich muss hier weg. Einen Schritt nach dem anderen gehe ich durch den großen Raum. Fast habe ich die Tür erreicht, da geht sie auch schon wieder auf. Nein, ich bin fast am Ziel. Ich springe in die nächstbeste Ecke. Ein großgewachsener, schlaksiger Mann betritt den Raum. Ich mustere ihn von oben bis unten. Das scheint er zu bemerken. „Es ist ganz normal das du von meinem Anblick sprachlos bist. Ich meine schau mich doch einmal an. Ich sehe wahnsinnig gut aus. Ich hab schon viel zu viele Verehrerinnen. Es ist ein Fluch", sagt der, mit der ersten Stimme. „Wieso sollte ich? Du siehst überhaupt nicht gut aus." entgegne ich spitz. Er hat rote Augen und rote Haare, außerdem hat er so weiße Haut, das sie das Deckenlicht reflektieren. „Du lügst. Ich sehe fabelhaft aus.", faucht er wütend. „Belüg dich ruhig selbst. Aber ich würde jetzt gerne nach Hause gehen." Woher ich den Mut habe, weiß ich auch nicht, doch so lange ich noch so bin, sollte ich das ausnutzen. Plötzlich steht der Typ genau vor mir. Nur wenige Zentimeter trennen uns voneinander. „Du willst doch keinen Vampir beleidigen, oder?" Er sieht mich dabei so an, als ob er damit rechne, das ich jeden Moment wegrennen würde.
„Die hab ich mir hübscher vorgestellt."
Mein Herz fängt an zu pochen und Angst steigt in mir auf. Der Vampir kommt näher zu mir und atmet meinen Duft ein. „Du riechst gut, wenn da nicht der bittere Geschmack von Angst wäre." Er hat ein siegessicheres Grinsen im Gesicht. Ich schüttle nur den Kopf. Bloß keine Angst zeigen, er wartet doch nur auf Anzeichen von Schwäche.
Die Tür wird wieder geöffnet und ein mir bekanntes Gesicht tritt ein. Genau im richtigen Moment. Der Vampir ist doch krank. Wenn alle Vampire so selbstverliebt sind, will ich nie wieder einen kennen lernen. „Du hast genug getan, Viktor. Es ist Zeit für dich das du gehst." Mit strenger Miene zeigt Dr. Vulpius auf die Tür. Ein Lufthauch verwandelt meine Haare in ein Krähennest.
Der hässliche Vampir ist verschwunden. „So meine Liebe, endlich bist du bei mir. Kannst du dir denken, warum du bei mir bist?" „Nein, ich verlange, das sie mich auf der Stelle gehen lassen." Ich stampfe wütend mit dem Fuß auf dem Boden. Dr. Vulpius ist nur ein Mensch, vor ihm muss ich nicht so viel Angst, wie bei dem Vampir haben. „Das werde ich ganz sicher nicht." Er geht zu dem Schreibtisch und zückt eine Spritze. Damit kommt er immer näher. Ich verabscheue Spritzen. Ich gehe immer weiter zurück, doch plötzlich stoße ich mit dem Rücken gegen die kalte Wand. Mist. So muss sich ein eingegrenztes Tier fühlen. Der liebe Herr Doktor haut mir die Spritze in den Arm. Sekunden später gleite ich in absolute Schwärze.

Als ich das nächste Mal erwache, schmerzt mein Kopf noch schlimmer. Vor lauter Schmerz stöhne ich auf. Ich versuche mich aufzusetzen, doch irgendetwas hält mich gefangen. Sofort schaue ich nach dem Grund. Meine Arme und Beine sind an einem Tisch festgebunden. Es gibt für mich kein Entkommen. Was hat der Verrückte nur mit mir vor?
Ich befinde mich in einem völlig anderen Raum. Es sieht hier aus wie in einem Operationssaal.Das komplette Zimmer ist mit Fliesen ausgelegt. Ich liege auf einem Operationstisch und über mir hängt so eine helle Lampe, die mich blendet. Vor mir hängen mehrere Bildschirme und ein Tisch steht direkt neben mir. Darauf liegen Spritzen, Messer, Skalpelle und andere Dinge die ich lieber nicht benennen möchte. Ich bekomme Panik. Vor lauter Verzweiflung kommen mir die Tränen. Es ist verboten an Menschen zu experimentieren. Ich bin noch zu jung um zu sterben. Ich weiß doch gar nicht was Leben überhaupt bedeutet. Hemmungslos fange ich an zu schluchzen. In meiner Verzweiflung fange ich an wie wild an den Gurten zu ziehen, doch das einzige was ich damit erreiche, ist das meine Handgelenke anfangen zu bluten.
Die Tür wird geöffnet und Dr. Vulpius kommt lässig hereinspaziert. Ich drücke noch heftiger gegen die Gurte. Der Arzt lächelt mich mitleidig an. „So meine Liebe, endlich ist es so weit. Endlich kann ich erforschen, warum du dich in einen Wolf verwandeln kannst. Wie konnte es passieren, das mein genmanipulierter Wolf, dich verwandeln konnte?" „Sie sind krank", meine Stimme bebt.
„Nein, das bin ich nicht. Ich werde der Welt einen Gefallen tun, mit dem Wissen, das ich mir angeeignet habe. Wen interessiert es dann, wie ich an meine Antworten gekommen bin. Es ist ja nicht so, als ob die Menschen keine schwarze Vergangenheit hätten. Wo wären wir wenn das damals nicht passiert wäre."
Der Mann vor mir ist psychisch gestört. „Wie können sie so etwas sagen. Es ging damals so wie auch jetzt um Menschenleben. Jeder hat das Recht zu leben. Niemand darf darüber richten, wer zu leben hat und wer nicht. Sie gehören eingewiesen."
„Fräulein, du gehst zu weit", sagt er mit einem gefährlichen Lächeln.
Er setzt mir eine Atemmaske auf und neigt meinen Kopf leicht nach hinten. Danach nimmt er eine der Spritzen und fügt den Inhalt in meinen Körper. Die Atemmaske spendet mir reinen Sauerstoff, während ich langsam in die schwarzen Strudel gerissen werde.
Das letzte das ich höre ist ein lauter Knall.

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt