N I N E

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"Laliah, was hast du mitgebracht? Das riecht köstlich", sagt Paul.
"Tja, Luce und ich haben eben extra einen Kuchen gebacken um Emily von euch zu entlasten. Ihr fresst einem ja die Haare vom Kopf", sage ich.
"Das stimmt doch gar nicht", empört sich Paul.
Ich bedenke ihn nur mit einen Blick und hochgezogenen Augenbrauen. Mit dem Kuchen in der Hand gehe ich in die Küche.
„Was machen wir heute?", ruf ich durch das die Tür während ich den Kuchen anschneide.
„Wir haben eigentlich vor einen Horrorfilm anzuschauen und danach draußen zu grillen", antwortet Jared.
Ich gehe wieder ins Wohnzimmer um nachzufragen ob ich das gerade richtig verstanden habe da redet Luce schon dazwischen.
„Ihr wollt draußen grillen? Habt ihr mal nach draußen gesehen? Es schneit.", wendet Luce ein.
„Ja natürlich wissen wir das, aber nicht überall liegt Schnee.", sagt Seth mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
„Spinner", murmel ich leise mit einem verschmitzen Grinsen.
„Das stimmt doch gar nicht", sagen fast alle im Chor.
Sam steht auf und legt die DVD ein. Ich hasse Horrorfilme, ich bin ziemlich schreckhaft und immer wenn jemand unerwartet auf dem Bildschirm auftaucht, zucke ich zusammen. Meine Freunde finden das immer wieder amüsant, aber für mich ist es die Hölle. Warum können wir keine Komödie oder einen Actionfilm gucken? Aber gut, ich will ja nicht so sein. Ich schweige wie ein Grab und leide im Stillen. Nach einer ordentlichen Portion schreien, gruseln und kichern hat sich Sam an sein Element gewagt. Dem Grill. In nichts weiter als nur einer verdammten Jogginghose!!
„Das Essen ist fertig", ruft Sam von draußen.
Er kommt mit einem riesigen Teller voller Würstchen und Steaks in die Küche. Diese ist so voll, das man fast Platzangst bekommen könnte. Luce, die neben mir sitzt, bekommt bei dem vielen Essen ganz große Augen. „Wer soll denn das alles essen?", stammelt sie.
„Die Jungs essen immer so viel. Aber hüte dich vor Jake und Paul, die Beiden sind sogar noch schlimmer als die anderen", erzählt Emily ihr.
Nach dem Essen wird der Schmandkuchen verteilt und ehe ich mir ein Stück ergattern kann, sind schon alle weg. Schmollend schaue ich in die Runde. Jeder hat ein Stück, nur ich nicht - von meinem Lieblingskuchen.
Jacob, dem mein Blick nicht verborgen bleibt, bittet mir sein Stück an. Die anderen Jungs schauen Jake an, als ob er ein Alien wäre.
„Nein, das Stück gehört dir. Guten Appetit", sage ich und schiebe den Kuchen wieder zu Jake. Aus irgendeinen mir unbekannten Grund fangen die anderen alle an zu lachen. Ich ignoriere sie gekonnt und warte bis alle mit essen fertig sind. Danach helfen Luce und ich Emily die Küche wieder auf Vordermann zu bekommen.

Die Jungs sind alle gegangen.
Sie haben aber nicht gesagt, was sie noch so wichtiges erledigen müssen.
Ich gehe ins Wohnzimmer um mir meinen Schal zu holen - ich habe ich dort liegen lassen. Ich hebe ihn auf und will gerade wieder den Raum verlassen, da fällt mein Blick auf das Bücherregal.
Ich glaube, die Bücher sind alle von Emily. Es sind alles Liebesschnulzen - wem gefällts.
Mein Blick bleibt auf einem großen, schmalen Buch hänge. Ich ziehe es aus dem Regal. Der Titel des Buches lautet „Die Legenden der Quileute". Gedankenverloren blättere ich in dem Buch herum und schaue mir die Bilder darin an.
„Interessiert dich so etwas? Wenn du willst leihe ich es dir aus."
Emily ist wie aus dem Nichts aufgetaucht. „Gerne". Ich nehme das Angebot natürlich gerne an.

Luce und ich verabschieden uns von den noch Verbliebenen und gehen nach Hause. In der einen Hand halte ich die leere Kuchenplatte - auf der noch vor wenigen Stunden mein Kuchen war- und in der anderen Hand habe ich das Buch von Emily.

„Was hälst du davon, wenn wir übermorgen Eislaufen gehen?", frage ich Luce.
„Gerne, das haben wir schon so lange nicht mehr gemacht".
„Sollen wir dann Aliena mitnehmen? Dann lernst du sie auch einmal kennen."
„Können wir machen."

Der Weg nach Hause verläuft still. Bis uns auf einmal ein lautes Krähen aus unseren Gedanken reißt. Suchend schaue ich mich um, aber ich kann nirgends einen Vogel sehen - und das obwohl alles weiß ist.
„Da",stottert Luce und zeigt auf einen schwarzen Fleck der auf dem Baum hockt. Ich schaue ihn mir genauer an. Es ist ein ziemlich großer Vogel. Ich habe zwar nicht viel Ahnung von Vögeln, aber ich würde sagen, dass es ein Rabe ist.
Neugierig gehe ich einen Schritt auf den Raben zu. In dem Moment sieht der Vogel auf und mir begegnen kluge, rote Augen.
Total erschrocken weiche ich einen Schritt nach hinten.
Der Vogel spannt seine Flügel und fliegt über meinen Kopf hinweg.
Sein gekrähe lässt mich eine Gänsehaut bekommen.
Ich laufe schnell zu Luce, packe ihren Arm und und gehe in einem schnellen Schritttempo mit ihr zu mir nach Hause.
Kaum sind wir zu Hause angekommen fragt Luce mich auch schon was da für eine Kreatur war. „Ein Vogel", sage ich ausweichend.
Gleich morgen werde ich nachsehen, was es mit diesem Vogel auf sich hat. Vielleicht war das auch nur eine seltene Art.
Ich lenke Luce von dem Tier ab, indem ich sie den morgigen Tag planen lasse.
Das Telefon klingelt und der Stille hinein, ist es merkwürdig laut und erschreckend.
„Hallo?", frage ich in den Hörer hinein.
„Hallo Schatz. Ich bins"
Ich hasse diesem Satz, mit 'Ich bins' kann jeder gemeint sein.
„Wer ist da?"
„Wer wohl. Deine Mutter"
„oh. Hi Mum. Wieso rufst du an?"
„Kann eine Mutter nicht einmal mit ihrer Tochter reden? Erst recht dann, wenn Weihnachten ist?" Sie klingt nicht sonderlich gut gelaunt.
„Doch natürlich. Wie geht es dir?", lenke ich vom Thema ab.
„Ganz gut und dir? Kannst du dich noch an den netten Arzt erinnern, der dich wieder zusammen geflickt hat, als ich dich im Wald gefunden habe?
„Ja", sage ich. Wie kann man so eine Person auch vergessen. „Was ist mit ihm?"
„Er hat mich letzte Woche angerufen und hat mich nach deinem Wohlbefinden gefragt."
Eine Panikwelle überflutet mich. Was will dieser Arzt noch von mir.
„Was hast du zu ihm gesagt?", hake ich vorsichtig nach.
„Nur das es dir gut geht und das du jetzt bei deinem Vater in La Push wohnst."
Genau das, was sie auf gar keinen Fall sagen sollte.
„Aha". Mir fehlen die Worte. „Ich muss jetzt Schluss machen. Ich hab noch viel zu tun. Bis denne".
„Du willst schon wieder weg? Okay. Bis dann."
Schon habe ich aufgelegt.
Meine Mutter weiß zwar nicht, was sie mir angetan hat, aber trotzdem. Wie komme ich bloß wieder aus diesem ganzen Mist heraus?

Frustriert gehe ich zu Luce in meinem Zimmer. Sie sitzt da mit einem Block auf dem Schoß und kaut gedankenverloren auf einem Bleistift herum.
„Ich glaube ich habe soweit alles bedacht. Ich habe sogar schon Aliena gefragt. Sie hat morgen Zeit. Ist das nicht toll?", klärt sie mich über alles auf.
„Ja, das ist gut.", stimme ich zu.
Ich nehme mir das Buch, das Emily mir ausgeliehen hat und fange an darin zu lesen. Ein Kapitel stimmt mich besonders nachdenkelich:

Die Quileute waren schon immer von einer gewissen Magie umgeben. Diese machte sich der Geisterkrieger Kaheleha zunutze, als andere Stämme es auf das Land der Quileute abgesehen hatten und sie fliehen mussten. Sie wollten die Bucht, in der sie gelebt, gefischt und gejagt hatten, als Geister zurückerobern. Dazu verließen sie ihre Körper und kehrten in die Bucht zurück. Sie hatten die Macht, sich den Wind zunutze zu machen, und die Tiere sahen sie und hörten auf sie. Mit ihrer Hilfe trieben sie die Eindringlinge in die Flucht, die benachbarten Hoh und Makah schlossen Frieden mit ihnen, sie fürchteten sich vor der Magie der Quileute. Lange Zeit später regierte der letzte große, friedliebende Geisterhäuptling Taha Aki. Alle Quileute waren mit ihm zufrieden, nur Utlapa nicht. Er war ein mächtiger aber gieriger Krieger, er wollte mehr als nur in Frieden leben, wollte mehr Land erobern, und das mit der Macht als Geisterkrieger. Da die Geisterkrieger die Gedanken der anderen lesen konnten wenn sie ihren Körper verließen wurde Utlapa bald von Taha Aki aufgedeckt und verstoßen. Doch er sann auf Rache. Oft ging Taha Aki in die Wälder, verließ seinen Körper und streifte als Geist umher um nach Gefahren Ausschau zu halten. Eines Tages folgte ihm Utlapa, raubte seinen Körper und kehrte als Taha Aki in das Dorf zurück. Er führte einige Neuerungen ein und es durfte sich nun niemand mehr in einen Geisterkrieger verwandeln, damit sie nicht von Taha Akis Geist die Wahrheit erfuhren. Dieser kehrte zum Reservat zurück. Mit Hilfe eines Wolfes wollte er seinen Körper vernichten, es wurde aber ein anderer Krieger an seiner Stelle getötet. Der Wolf hatte Mitleid mit Taha Aki, für den das lange Wandeln ohne Körper schon zur Qual geworden war und so durfte dieser in seinen Körper schlüpfen. Als Wolf versuchte er die Krieger auf seinen Geist aufmerksam zu machen, und sie begriffen. Als Utlapa noch einen Krieger tötete, der die anderen warnen wollte, verwandelte sich Taha Aki vor den anderen in einen Menschen, da Taha Akis Liebe und Hass zu gewaltig für den Wolf waren. Mit der Kraft des Wolfes konnte er den falschen Häuptling besiegen. Von nun an konnten sie Taha Aki und auch seine Söhne bei Gefahr in Wölfe verwandeln.
Eines Tages stießen sie auf die Spur von etwas Unbekanntem, das sie später als Kaltes Wesen bezeichneten. Sie zerstörten es, doch seine kalte Frau kam zurück und nahm Rache. Nur noch ein weiterer Mann war zu diesem Zeitpunkt noch in der Lage, sich in einen Wolf zu verwandeln, Taha Akis Sohn. Er verlor den Kampf mit der kalten Frau. Sein Vater nahm als alter Wolf den Kampf auf und wurde beinahe besiegt. Taha Akis dritte Frau opferte ihr Leben, um das ihres Mannes zu retten. Als zwei ihrer jungen Söhne ihre Mutter sterben sahen, brach der Wolf aus ihnen heraus, und gemeinsam mit Taha Aki wurde die kalte Frau überwältigt. Taha Aki kehrte nie mehr zu seinem Stamm zurück. Seither können sich die Nachfahren von Taha Aki bei Gefahr in Wölfe verwandeln. Lange Zeit gab es nie mehr als drei Wölfe im Stamm, mehr war nicht notwendig, um ihn zu beschützen.
Erst unter Ephraim Black kam ein größerer Zirkel in ihr Gebiet, diese waren allerdings anders als die anderen kalten Wesen. Sie töteten keine Menschen, um Blut zu trinken und waren friedliebend. Es wurde ein Vertrag ausgehandelt, der die Grenzen festlegte. Sollten die kalten Wesen diese übertreten, dürften die Wölfe angreifen, und auch umgekehrt. Und sollte ein Mensch gebissen werden wäre der Vertrag auch ungültig. Nur war die Anzahl der Wölfe durch die vielen kalten Wesen nun sehr viel größer geworden.

Diese Legend wurde bestimmt vor langer Zeit geschrieben. Früher war die Weltansicht noch anders. Trotzdem hat die Legende irgendetwas Magisches an sich. Wenn sie sich jemals als wahr behaupten würde, wäre ich nicht das einzige unnormale Wesen.
Zu schön um wahr zu sein.
Und was ist mit Kalten Wesen gemeint. Doch nicht etwa Vampire oder? Das klingt total lächerlich. Andererseits bin ich das lebende Beispiel das es auch anders geht.
Lautes Gelächter reißt mich aus meinen Gedanken.
Luce die über dem Buch gebeugt da sitzt, kann sich kaum noch vor lauter Lachen zurückhalten.
„Ähm Luce? Geht es dir gut", frage ich zögerlich.
Sie nickt mit dem Kopf beruhigt sich aber keineswegs.
Ich packe sie und rüttel an ihren Schultern.
„Wieso lachst du?"
„weil die Legende einfach zum Schießen ist. Wer kommt denn bitte auf solche absurden Ideen?"
Sie fängt von neuen an zu lachen und ich verzweifel.
Sie hat kein Respekt vor den alten Legende, vor den weisen Menschen die vor uns gelebt haben.

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt