E I G H T

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„Laliah, jetzt nimm doch endlich mal die Kontaktlinsen heraus", meckert mich mein Vater an. „Ich will aber nicht." Ich klinge wie ein kleines trotziges Kind.
„Du hast sie jetzt aber schon seit drei Wochen an. Ich weiß schon gar nicht mehr, welche Augenfarbe du hast. Warum willst du sie denn nicht herausnehmen?" Mein Vater wirkt verzweifelt, er weiß nicht was er noch tun soll.
Doch ich bleibe hart. Ich nehme die Kontaktlinsen nachmittags raus, weil das sonst ja nicht gut für die Augen ist. Doch dan mein werter Vater um die Uhrzeit nie da ist, bemkerkt er natürlich nichts davon. Geschieht ihm Recht.

„Lass uns jetzt nicht über so eine Kleinigkeit streiten. Hast du dein Zimmer schon aufgeräumt? Du willst Luce doch nicht deinen Saustall aussetzen, oder?", nervt er mich.
Verdammt. Warum muss er gerade jetzt damit kommen wo ich den Gedanken gerade vergessen wollte. Ich will schon was sagen, aber da sehe ich den strengen Blick meines Vaters und so begebe ich mich in mein Zimmer und „räume" auf.
Ich schmeiße alle meine Klamotten in den Schrank und knalle die Tür zu, bevor der Schrank wieder seinen Inhalt in mein Zimmer verteilen kann. Ich hoffe nur, dass er irgendwann nicht explodieren wird.
Den ganzen Kleinkram der auf meinem Boden liegt, kehre ich unters Bett. Nachdem alles verstaut ist, wische ich einmal all meine Möbel ab und sauge durch mein Zimmer.
Ich höre leise Schritte, die immer lauter werden. Mein Vater kommt... Meine Zimmertür geht auf und mein Vater guckt neugierig herein.
„Wie hast du das in so kurzer Zeit geschafft?", fragt er mich ungläubig.
„Ich habe nun einmal Übung darin", sage ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
Mein Vater murmelt noch einige Worte vor sich hin, die selbst ich nicht verstehen kann, dann verschwindet er wieder.
Ich beziehe mein Bett nochmal neu, denn da ich jetzt so ein überdimensionales Himmelbett habe, können Luce und ich darin zusammen schlafen. So muss ich mir auch keine Gedanken machen, dass sie nachts unter mein Bett schaut. Diesen Schreck will ich ihr ersparen.
Ich gehe in die Küche und gebe Lola ihr Futter in ihren Napf. Mein Vater sitzt im Wohnzimmer und liest ein Buch. Wow, er liest also auch gerne.
„Ähm, das Hundefutter geht langsam leer. Kannst du demnächst wenn du einkaufen gehst neues mitbringen?"
Keine Reaktion. „Hallo?"
„Was? Ach du bist es, Laliah. Ja, kann ich machen." Redet er vor sich hin und wendet sich gedankenverloren wieder dem Buch zu. Ich wette er hat keine Ahunung zu was er gerade zugestimmt hat - das muss ich mir merken.

Morgen ist Heiligabend, da kann selbst er nicht so abwesend sein.
Gerade überlege ich nachzufragen was mit ihm los ist, da höre ich unsere Klingel. Stürmisch renne ich zu Tür und reiße sie auf.
Da steht sie: meine beste Freundin. Ich habe sie so vermisst.
„Endlich bist du da", quietsche ich und falle ihr um den Hals.
Zusammen springen wir hüpfend Auf und Ab.
„Was hast du mit deinen Augen gemacht?", fragt sie mich.
„Du weißt doch, dass ich schon immer graue Augen haben wollte und da habe ich mir einfach welche gekauft", erkläre ich.
„Kannst du sie bitte rausnehmen? Dein richtige Augenfarbe gefällt mir an dir viel besser." Für meine Freundin nehme ich dieses Opfer natürlich gerne in Kauf.

Nachdem ich ihr jede Kleinigkeit von unserem Haus gezeigt habe, und sie meinen geilen „Kleiderschrank" nicht gesehen hat, wo immer noch nicht so viel drin ist, machen wir es uns auf meinem Bett bequem.
„Deine Augen..." sagt sie in einem merkwürdig Ton
Luce geht vor Schock der Mund auf und ihre Augen werden groß. „Was hast du mit deinen Augen gemacht?", stammelt sie. „Die sind ja schon fast türkis!"
Seufzend gehe ich ins Bad, um selbst nach meinen Augen zu schauen.
Okay. Warum sind meine Augen Türkis. Ich habe doch sonst immer dunkelblaue Augen gehabt. Ich verstehe das nicht. Jetzt verstehe ich auch die Reaktion von Lucinda.
Ich gehe in mein Zimmer zurück und mache mich auf die Fragerunde bereit.
„Also was ist jetzt mit deinen Augen? Was hast du gemacht?", stürzt Lucinda auch schon auf mich ein.
„Tja, wenn ich das nur wüsste. Es kann passieren, dass sich in der Pubertät die Augenfarbe ändert, aber nicht so extrem.", versuche ich mich heraus zu reden.
„Bist du dir da ganz sicher?", hakt sie misstrauisch nach.
„Ja natürlich oder fällt dir sonst etwas derart passendes ein?" Ich versuche mich herauszureden, muss aber dann an Balto denken.
„Wer ist Balto? Gibt es da etwas was ich wissen sollte?", fragt sie mich mit einem siegessicheren Grinsen. Mist, habe ich etwa laut gedacht? Das darf mir nicht nocheinmal passieren.
Ich verneine und winke ab.
Luce gibt sich nicht geschlagen und will gerade wieder anfangen, da ruft mein Vater von unten: „Kommt bitte runter ihr Beiden. Ich hab uns Essen gemacht."
Ich bin noch nie so froh gewesen. Wieso muss ich mich auch verplappern.

Die Zeit vergeht schnell und ehe wir uns versehen, ist schon der erste Weihnachtstag - Tag der Bescherung.
Ich bin gerade wach geworden, Luce schläft noch. Sie liegt da eingemummelt wie ein Baby - nicht mehr lange. Ein fieses Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Ich schleiche ins Bad, weiche einen Waschlappen komplett in Wasser ein und werfe ihn dann in das Gesicht von Luce. Sie schreckt natürlich sofort auf. Sie schaut total verwirrt aus der Wäsche. Zum Totlachen dieser Ausdruck.
Sie braucht noch ein bisschen Zeit um zu realisieren, das ich der Übeltäter bin, denn sie schaut tatsächlich nach, ob das Fenster geschlossen ist. Aus, ist es mit meiner Beherschung. Ich fange an zu lachen. Ich kugel mich schon auf dem Boden vor lauter Lachen.
Mittlerweile steht Luce vor mir und schaut mich beleidigt an, sie hat die Arme vor der Brust verschränkt. „Das ist nicht lustig", sagt sie und tippt dabei mit ihrem linken Fuß Hin und Her.
„Doch, du hättest mal dein Gesicht sehen sollen", sage ich immernoch lachend.
Luce schaut mich eine Spur beleidigter an.
„Ist ja schon gut. Weißt du welcher Tag heute ist?", frage ich sie. Sie schüttelt den Kopf. Typisch Lucinda - vergisst immer die wichtigsten Tage. Dieses Jahr hat sie sogar meinen Geburtstag vergessen. „Geschenke", rufe ich laut aus.
Vor lauter Vorfreude hüpfe ich die Treppe herunter.

Im Wohnzimmer steht unser Weihnachtsbaum. Er ist nicht besonderes, aber ich habe darauf bestanden, keinen echten zu kaufen. Ich meine das ist doch totale Verschwendung. Extra einen armen Baum zu ermorden nur um ihn dann für zwei Wochen in der Wohnung stehen zu haben und zuzugucken wie er Nach und Nach abstirbt. Nein, das ist überhaupt nicht der Sinn von Weihnachten.

Unter dem Baum liegen mehrere Geschenke. Vor einer Woche habe ich ein Gespräch zwischen meinem Vater und der Mutter von Luce belauscht. Sie haben ausgemacht, dass die Geschenke von Luce zu uns geschickt werden, damit sie auch ihre Bescherung bekommt.
Als erstes packe ich das Geschenk meiner Mutter auf - woher ich das weiß, ganz einfach, es ist in rosanem Papier eingewickelt.
Ungläubig starre ich auf den Inhalt. Langsam nehme ich den weißen Stoff heraus. Mein Mutter hat mich doch allen Ernstens ein Kleid gekauft und nicht nur irgendeins - nein - ein Abendkleid.
Sie weiß doch, dass ich keine Kleider anziehe, oder insgesamt figurbetonte Kleidung. Als Luce mein Kleid sieht, ist sie völlig aus dem Häuschen, ist ja klar, sie ist ein richtiges Mädchen.
Von meinem Vater bekomme ich eine schwarze Kamera und von Luce einen neuen Anhänger für unsere Freundschaftskette.
Nachdem ich mich angemessen, bei allen bedankt habe, gehen Luce und ich in mein Zimmer und machen uns fertig. Heute wird Luce das erste Mal auf meine neuen Freunde treffen. Obwohl sie versucht es vor mir zu verheimlichen, merke ich doch wie nervös sie ist.
Ich habe mir überlegt zur Feier des Tages einen Kuchen zu machen und nicht irgendeinen sondern einen Schmandkuchen. Luce hilft mir dabei.
Beim Mehl verschütte ich ausversehen etwas und das ganze Pulver landet auf Luce. Die will mir das natürlich heimzahlen und greift nach dem nächstbesten und wirft das nach mir. Ihh, ich habe Butter in den Haaren. "Luce!", rufe ich empört aus.

Der Kuchen backt friedlich vor sich hin, während Luce und ich die Küche aufräumen müssen. Nach einer kleinen Seifenblasen-Schaumschlacht glänzt die Küche wieder wie neu.

Der Kuchen ist abgekühlt und gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu Emily und Sam. In den drei Wochen, die ich schon hier bin, habe ich mich mit Jake, Seth und Embry angefreundet. Die Drei haben mich dann irgendwann zu den Rest ihrer Clique mitgeschleppt. Ich verstehe mich ganz gut mit denen, trotzdem sind mir meine drei Freunde am liebsten.
Draußen angekommen, registriere ich voller kindlicher Freude dass es schneit. „Schnee", quietsche ich vergnügt und klatsche mir in die Hände. „Jedes Jahr dasselbe. Komm Laliah, sonst sind wir noch zu spät", sagt Luce und zieht mich hinter sich her. „Aber, was ist wenn er heute Abend wieder weg ist? Bitte nur zehn Minuten", quengel ich. Doch Lucinda bleibt hart.

Wir stehen vor der Tür und laute Stimmen dröhnen nach draußen. Ich klopfe an und spaziere einfach ins Haus.
Im Wohnzimmer ist fast die gesamte Clique versammelt, was den Raum ziemlich schrumpfen lässt. Paul und Embry lehnen gegen die Anrichte, Sam steht neben den etwas merkwürdig drein blickenden Jacob und Quil sitzt - mitsamt Claire auf den Schoß auf einen der Stühle. Jared und Kim sind nicht da.
"Hallo Leute", begrüße alle, sie sitzen im Wohnzimmer. "Darf ich vorstellen, das ist meine Freundin Lucinda." Luce läuft rot an und hebt schüchtern die Hand zum Gruß. So habe ich sie aber noch nie erlebt.

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt