Kapitel 10

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Ich sitze auf dem Rücksitz des Autos meines Bruder und starre aus dem Fenster ins nichts.
Meine Gefühle sind verschwunden und ich kann nicht einmal weinen.

Ich bemerke wie mich mein Bruder mit seinen braunen Augen durch seine längeren schwarzen Haare ansieht, doch ich reagiere nicht darauf.

"Dawn...hör zu, ich...ich war bevor ich dich traf, da war ich zuhause. Glaub mir, es ist besser so...dass du es nicht gesehen hast. Ich habe an die Tür geklopft und gewartet. Als niemand aufmachte wollte ich noch einmal stärker klopfen, doch dann ging die Türe von alleine auf. Es waren keine einbruchsspuren an der Tür zu sehen, also müsste jemand von Ihnen sie geöffnet haben. Ich glaube... Diese Dinger, was immer sie auch sind. Sie sind nicht gänzlich dumm. Sie scheinen nur so. Deshalb glaube ich auch, dass sie sie getötet haben. Dawn, ich bin rein gegangen und habe nach ihnen gerufen. Ich wollte Ihnen schon Vorwürfe darüber machen, dass sie sich nicht daran gehalten haben und ohne uns weg gefahren sind. Doch ich lag falsch. Als ich durch das Wohnzimmer ging sah ich Blut auf dem Boden. Viel Blut. Das hättest du nicht sehen sollen."
Er hält inne und schluchzt. Ich sehe zu ihm und erkenne dass er weint. Auch mir kommen die Tränen, ich kann es nicht zurück halten. "Sie lagen da, alle beide und neben ihnen das Monster dass sie getötet hat. Sie haben es erledigt, nur war es zu spät... Meine Schritte waren laut und du weißt ja selbst: Geräusche ziehen sie an. Unsere Eltern waren nicht tot. Sie wurden zu Untoten und sie standen aus ihrer Blutlache auf und kamen auf mich zu. Alle beide. Ich hab geweint, zum ersten Mal seit langem wieder aus ehrlichen Gründen. Ich hatte gehofft sie genauso tot aufzufinden wie den Beißer den sie töteten." Josh wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. "Ich bin zurückgewichen und hab mein Messer, das ich immer bei mir habe herausgeholt. Ich wollte es nicht tun aber ich musste. Ich könnte sie ja nicht einfach hier zurück lassen! Ich musste ihnen Gnade erweisen. Es würde das letzte Mal sein dass ich das tuen könnte... Also hab ich gewartet. Mum... Sie war schneller als Dad und ich hab sie...dann kam Dad. Ich habe beide in ihr Bett gelegt und plötzlich sah es fast schon wieder aus, als würden sie nur schlafen. Glaub mir, ich wollte nicht dass du das mit ansehen musst. Ich wollte es einfach nicht."

Josh sieht mich kurz über den Rückspiegel an.
Meine Augen sind von Tränen überflutet und ich schaue ihn finster an.

"Glaubst du nicht ich hätte das auch getan?! Ich hätte ihnen genauso die letzte Ehre erweisen können genauso wie du! Wieso hast du das getan! Ich wollte mich auch von Ihnen verabschieden! Ich stand da..." Nun werde ich wieder leise. "Ich habe auf euch gewartet in mitten der Menschenmengen und hab gewartet. Ziemlich lange weißt du? Und mir wurde schon mulmig zumute. Ich hatte keine Ahnung wieso, doch jetzt weiß ich es. Du hast mir etwas verwehrt, was uns beiden zugestanden wäre! Ich hätte mich auch von Ihnen verabschieden wollen! Auch wenn sie es nicht mehr verstanden hätten!" Ich rede mich wieder in Rage und beginne zu schreien. Mein Bruder wird blass. "Weißt du was ich zuletzt zu ihnen gesagt habe? Als wir im Streit auseinander gingen?! Ich hab sie beide angeschrien. Ich habe ihnen gesagt dass ich ohne sie besser dran gewesen wäre und ich irgendwo anders besser aufgehoben bin! Das habe ich gesagt Josh! Ich hätte es ihnen erklären können, auch wenn sie eine von denen geworden sind. Ich hätte...ich hätte..."

Mir fällt nichts mehr ein und ich sehe mich um. Ich schreie auf und schlage einmal fest hinter mich gegen den Sitz, sodass meine Faust danach rot wird. Dann werde ich still. Und mit diesem still sein fallen unscheinbare Tränen weiterhin auf den Ledersitz auf dem ich sitze. Ich hatte meine Eltern das letzte Mal als ich sie sah angeschrien und uns somit das grausamste Ende aller Zeiten bereitet. Ich hasse mich selbst dafür, obwohl ich kein kleines Kind mehr und eigenständig bin.

Ich nehme mein Handy und meine Kopfhörer und schalte die Musik ein und mache sie ganz laut. Ich möchte nichts mehr von meinem Bruder hören und erst recht nicht möchte ich noch einmal mit ihm darüber reden.

Vielleicht hätte ich ja selbst draufgehen sollen. Oder vielleicht hätte ich einfach zu meinen Eltern laufen sollen. Vielleicht wären sie dann jetzt hier in diesem Auto und würden zusammen mit mir und meinem Bruder in die Wälder fahren, um uns dort zusammen eine unserer Jagthütten zurecht machen können. Wir hätten sie alle zusammen Walker sicher machen können und unser eigenes System aufbauen, um Selbstversorger zu werden. Wir hätten es alle schaffen können, und würden nun zusammen hier sein.

Stattdessen muss ich mich jetzt mit meinem Bruder alleine darauf gefasst machen, die härtesten Jahre meines Lebens zu erleben.

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