Kapitel 23

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Ich drehe mich um und kann mich in den ersten Sekunden nicht mehr bewegen. Mir scheint als wäre ich paralysiert. So oft habe ich Menschen direkt vor meinen Augen sterben sein, aber das kann doch für diese Person jetzt nicht das Ende sein oder?
Sie geht zu Boden, die Augen weit aufgerissen und hustet Blut. Um dieser Person herum der Rest unserer Gruppe. Ratlos sehen sie sich an und versuchen eine Lösung zu finden, um sie nicht zu verlieren. Doch ich sehe es schon vor mir. Die Bisswunde ist am Bauch, was bedeutet, dass es ein Todesurteil ist.

Ich gehe auf sie zu und sehe zu Rick. "Wir können ihm nicht helfen, er wurde gebissen, und zwar am Bauch. Es geht nicht, wir können nichts tun.", sage ich monoton und bemerke selbst, dass ich in diesem Moment noch blasser bin wie sonst.
"Sie hat Recht." Der zu Boden gegangene sieht zu mir hoch, gestützt von den Anderen. "Ich habe nicht mehr lange. Schnell, bringt es hinter euch."
Dale sieht mich mit aller letzter Kraft an. Wieso gerade ihn? Ihn, der uns erst hier her gebracht hat. Und dann beißt ihn ein kleinwüchsiger Untoter und das war es? Ich kann es nicht fassen. Ich bin fassungslos.

Alle andere um mich herum wissen auch nicht weiter. "Bringen wir ihn nach unten, lassen wir ihn in Ruhe sterben.", beschließt Rick schlussendlich und wir tuen was er uns sagt. Allerdings fällt mir dann auch wieder ein, was ich ihm sagen wollte.

"Rick, warte einen Moment, ich muss dir etwas zeigen.", sage ich wieder leise und monoton. Dieser dreht sich um und sieht sich um. Ich bringe nichts mehr heraus, sondern zeige auf das Fenster, neben dem ich noch vor wenigen Minuten stand und fassungslos war.
Er tritt näher. An seinem Gesichtsausdruck kann ich sehen, dass er nun genauso denkt wie ich. "Danke. Ich werde es der Gruppe sagen. Wer so etwas tut, muss ein schlechter Mensch sein. Oder mindestens gewesen."
Auch wir folgen nun den Anderen nach unten, um nach Dale zu sehen, solange er noch ansprechbar ist. Er liegt auf der Ladefläche des Trucks, umringt von all den Anderen, die sich von ihm verabschieden. Nur Daryl steht etwas weiter abseits. Ich kann ihm schon ansehen, dass ihm das zu viel Stress ist. Ich werde genauso wie er darauf warten, bis sich alle wieder verteilt haben, und genauso wie er in Stille von einem unserer Freunde abschied nehmen.

Ich stelle mich also neben ihn. "Was war da oben?", fragt er mich nun leise, sodass sich niemand gestört fühlt.
"Der Grund warum kaum Beißer innerhalb des Gebäudes waren ist, weil sie außerhalb sind. Irgend ein verrückter hat sie hinterm Haus am Zaun entlang, verstümmelt und entstellt, aber so dass sie noch...naja leben. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das schon vor der Verwandlung war. Das Blut unter ihnen schien mir ziemlich normal zu sein, was bei Walkern ja nicht der Fall ist. Vielleicht wurden sie am Anfang der Apokalypse von ihrer Aufsichtsperson als Testpersonen benutzt oder so, ich weiß auch nicht." Völlig fertig starre ich auf den Boden und unterdrücke das Gefühl einfach aufzugeben. Dann stehe ich auf.

"Ich werde jetzt Abschied nehmen.", sage ich und trete näher zu Dale, um den sich nun die Lage etwas beruhigt hat. Mir scheint als würden sich nun alle langsam aber sicher damit abfinden, dass wir nun jemanden verlieren.
Ich sehe ihn an und versuche mindestens ein bisschen zu lächeln, was mir aber nicht wirklich gelingt.
"Es tut mir so leid, wir hätten alle besser aufpassen sollen. Niemand hat es verdient so zu sterben.", sage ich leise und unbeholfen. Seine schwache Hand greift meine und sein Gesicht verzieht sich noch einmal zu einem lächeln. "Das brauch es dir nicht. Wir leben in einer gefährlichen Welt, pass auf dich auf und versuch nach vorne zu sehen. Es ist gut so wie es ist."
Ich nicke und drücke noch einmal seine Hand, bevor ich weggehe und mich ins Gras setze.

Natürlich ist es nicht gut, so wie es ist. Es ist nie gut ein Gruppenmitglied zu verlieren. Die Gruppe wird dadurch schwächer und angreifbarer. Wir brauchen jeden, den wir nur finden können, zudem war Dale immer freundlich und man konnte mit ihm reden. Nicht jeder Mensch ist so, und das muss ich am besten wissen. Ich habe schon genug Erfahrungen machen müssen.

Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Daryl setzt sich neben mich ins Gras. Seine Hand gleitet zu meiner und ich halte sie fest. Ich schaue zu ihm und verziehe einen Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln. "Ich hab das schon so oft erlebt, jedes Mal aufs neue. Und das schlimmste ist, ich gewöhne mich langsam daran, ich gewöhne mich daran, dass Menschen um mich herum sterben."
"Ich weiß, so geht es aber jedem hier, glaub mir."
Ich lehne mich gegen seine Schulter und spüre, wie er plötzlich einen Arm um mich legt. Sofort lege ich meine Arme um ihn und schließe meine Augen. "Wenigstens haben wir jetzt wieder eine Aussicht auf einen Neuanfang."
Ein zustimmendes brummen von Daryl macht mir klar, dass er der selben Meinung ist.
"Wir schaffen das schon.", meint er dann nach kurzem schweigen.
Ich hebe meinen Kopf von seiner Brust und sehe ihn an. Seine Haare hängen ihm wild ins Gesicht, was aber nicht sein leichtes grinsen verdeckt.
Ich setze mich also auf und sehe ihn an. "Also, kommst du mit nachsehen was es mit den Walkern auf sich hat? Ich werde von Toden immer so melancholisch."

Daryl nickt mir zu und zusammen, bewaffnet mit Pfeil, Bogen und Armbrust gehen wir auf die Hinterseite des Hauses zu.

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