Eins

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"Die nächste Starterin ist eine der besten Nachwuchsreitern im Springsport. Manche meinen sogar, sie sei die Beste! Aber das kann sie uns ja jetzt beweisen. Begrüßen Sie mit mir: Penelope Kron auf Golden Fall!"

Mit gespitzten Ohren steht sie in erwartungsvoller Haltung da. Die rotbraunen Flanken beben, die rabenschwarzen Beine zittern, der lange dunkle Schweif weht im Wind.
Sie will raus in den Pacours, in das Abenteuer, sie will der Welt zeigen, was für ein Spitzenpferd sie ist. Sie genießt die Aufmerksamkeit und liebt nichts so sehr, wie die Ehrfurcht und die Bewunderung der Millionen Menschen.

Ich muss zugeben, auch ich könnte mich daran gewöhnen. Diese Freude, die ich in mir spüre, wenn ich merke, dass ich kein Niemand mehr bin. Doch bevor wir den Ruhm genießen können, müssen wir zeigen, wie sehr wir ihn verdienen. Monatelanges Training, bei jedem Wetter, unter all möglichen Umständen und Hindernissen, die uns   auf unserem Weg zum Sieg Schwierigkeiten bereiten könnten.
Mein Trainer war hart, ausdauernd, zielstrebig und manchmal, ja, manchmal auch brutal. Er hat so einigen Reitern schon die Lust am Pferdesport verdorben durch seine Art, Pferd und Reiter zu drillen und zu quälen. Ich selbst begegne immer noch Leuten,  die mich ungläubig anstarren, wenn sie erfahren, dass ich bei Mr. Forley trainierte.
Vielleicht haben sie recht. Vielleicht ist er wirklich krankhaft davon besessen, aus irgendeinem Reiter und seinem Pferd das Siegerpaar zu erschaffen. Vielleicht ist er brutal, eiskalt und skrupellos. Aber ich bin mir sicher, ohne diesen Mann würde ich jetzt nicht hier auf Golden Fall sitzen und mit ihr das bedeutendste Springturnier der internationalen Nachwuchsreiter bestreiten.

Die Startklingel ertönt. Ich fasse die Zügel sehr kurz, da ich weiß, dass Golden Fall manchmal am Start schwer zu bändigen ist. Dann gebe ich eine feine Galopphilfe, auf die meine Stute sofort reagiert und eifrig losspringt.
Ich muss schnell sein, das weiß ich. Schnell im Denken und schnell im Reiten.
Das erste Hindernis, ein harmloser Steilsprung, ist überwunden. Jetzt kommt eine lange Rechtskurve, die zur ersten Kombination führt. Wir sind zu langsam. "Sporen ran! Wofür hast du welche?", höre ich innerlich meinen Trainer poltern. Augenblicklich ramme ich Golden Fall die Fersen in die Seite. Erschrocken quiekt diese auf und springt vorwärts.
Sprung Eins der Kombination ist geschafft, genau drei Galoppsprünge, dann folgt Sprung Zwei. Auch diesen überwinden wir fehlerfrei.

Nun habe ich kurz Zeit meine Stute auf das Tempo zu bringen , welches wir zum Überwinden des nächsten Hindernisses brauchen. Wir nähern uns dem Wassergraben, da merke ich, dass Golden Fall leicht bremst. Ohne zu Zögern setze ich wieder meine Sporen ein und gebe ihr vorsichtshalber noch einen Klaps nit der kurzen Springgerte. Daraufhin stößt sich die Stute gehetzt mit den kraftvollen Hinterbeinen ab. Beim Landen horche ich, ob ihre Hufe das Wasser berühren, doch kein Platschen war zu vernehmen.

Jetzt habe ich die Wahl. Entweder reite ich einen großen Bogen um den Oxer herum und habe dann viel Anlauf für den nächsten Sprung oder ich versuche, Golden Fall vor dem Oxer zu behalten und habe dann knappe zwei Galoppsprünge, um Schwung zu holen. Bei der zweiten Variante ist die Gefahr, dass Golden Fall das Hindernis reißt, erheblich höher. Doch ein schneller Blick auf unsere Zeit verrät mir, dass wir fünf Sekunden hinter dem derzeit führenden Reiter sind. Wenn ich diese  Zeit toppen will, muss ich abkürzen.
Kurzentschlossen reiße ich meine Stute links herum und fasse die Zügel kürzer. Nochmal eine halbe Parade, um gut um die Kurve zu kommen. Und dann eins - zwei -

Golden Fall springt. Und wir fliegen. Aber mehr weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur noch an den Moment,  als wir zu Boden stürzen. Ich weiß nicht, warum und wieso. Der Anlauf war kurz, ja. Aber Golden Fall ist ein Springpferd! Sie hätte es schaffen können, sie hätte es schaffen müssen! Wir hätten gewinnen müssen. Penelope Kron und die Holsteinerstute Golden Fall hätten siegen müssen. Was war nur passiert?

Ich liege, glaube ich, im Krankenhaus.   Ich weiß nicht, wie es Golden Fall geht oder was sonst geschehen ist. Ich bin abgeschieden von der Außenwelt, wie es in Krankenhäusern nunmal so ist. Aber so völlig im Dunkeln umherzutappen, das ist ein schreckliches Gefühl. Keine Ahnung, wie viele Tage vergangen sind, keine Ahnung, wer mich besucht hat und wer nicht. Wahrscheinlich ist es mir auch vollkommen egal. Auch das ist normal, wenn man im Krankenhaus liegt. Man ist abgeschieden und desinteressiert.

Ein leises Klicken durchbricht die einsame Stille in meinem Raum. Ich versuche meinen Kopf, der sich anfühlt, als wäre er aus Blei, zu drehen um zu schauen, woher das Geräusch kommt. Da tritt meine Mom an mein Bett. Es war also die Tür.

"Schatz, wie geht es dir?", fragt sie mich besorgt. Ich beantworte ihr Frage nicht sondern versuche sofort etwas über den Stand der Dinge herauszufinden.
"Nun ja", beginnt Mom, aber ich merke, wie schwer es ihr fällt. Was ist nur geschehen?
"Du...Ihr seid gestürzt. Und Golden Fall, sie ist auf dich hinaufgefallen. Du hast alles soweit gut überstanden..."

Und? Was war mit meiner Stute?

"Golden Fall allerdings, sie... sie hat dich einen Sehnenschaden zugezogen. Ich weiß nicht, ob du sie je wieder reiten kannst."

Bitte? Sehnenschaden? Wir hatten mal ein Pferd, ein Jagdpferd. Es hatte auch einen Sehnenschaden. Aus diesem Grund haben wir es auch eingeschläfert. Nun soll mit Golden Fall das Selbe passieren? Sie soll das gleiche Schicksal haben, wie das Jagdpferd?
Doch ich reiße mich zusammen. Ich bin nicht hysterisch und werde jetzt anfangen, das kleine Mädchen zu sein, das mit dem echten Leben nicht zu Rande kommt.

"Wie ist das passiert?", frage ich. Ohne Schluchzen oder Schniefen und ohne Tränen in den Augen.
Mom sieht mich mitleidig an.

"Wir haben es auf Video. Wenn du es sehen willst...", meint sie zögerlich.

Ich nicke und setze mich aufrechter hin, zumindest so weit es geht. Mom schiebt die CD in den Player und schaltet die Geräte an.

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So, das war das erste Kapitel. Ich hoffe sehr, dass es euch gefällt. Wenn ja lasst doch irgendwas da was mir das zeigt.
Die Länge kann je nach Kapitel variieren, ich bin nicht so gut im Festlegen und Einhalten...
Gut, das wars erstmal.

*schmatzi* Hab euch lieb!

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