Vier Tage liege ich nun schon im Krankenhaus und brüte vor mich hin. Ich weiß nun, dass ich es wirklich hätte ändern können und dadurch auch dem Sturz verhindern können, aber ich weiß auch, dass es jetzt zu spät ist.
Ab und zu bekomme ich Besuch von irgendwelchen Menschen, die mir ihr Beileid aussprechen und mir gute Besserung wünschen. Es interessiert mich aber nicht und hilft mir auch kein bisschen. Der einzige Grund, warum sie das tun, mich besuchen, ist der, dass sie dann kein schlechtes Gewissen haben. Mehr nicht.
Ich frage mich, wie lange ich hier wohl noch liegen muss, den eigentlich fühle ich mich gesund, zumindest körperlich. In meinem Kopf spielt allerdings alles verrückt. Da ist die Angst, dass jemand versteht, dass der Sturz meine Schuld ist, dann das schlechte Gewissen gegenüber Golden Fall und zum Schluss die Furcht vor der Zukunft. Was werde ich tun? Wie wird es nun für mich weitergehen?
Vor zwei Tagen erreichte mich die Meldung, dass Golden Fall auf dem Weg der Genesung ist und dass man ihr Bein versorgt, so gut es eben geht. Nur, was soll das heißen "So gut es eben geht" ? Haben die Ärzte keine Hoffnung mehr? Ist sie so sehr verletzt, dass man sie einschläfern muss? Diese Unwissenheit macht mich krank, kränker, als ich sowieso schon bin.
Zugegeben, ich bin ein Mensch, der überhaupt nicht gern im Dunkeln umhertappt. Ich hasse jegliche Art von Überraschungen, schon seit meiner Kindheit. Mom hatte mir mal erzählt, dass sie und Dad eine Überraschungsparty veranstaltet hatten, für meinen fünften Geburtstag. Ich fand es aber so schrecklich, nicht zu wissen, was da vor sich ging, sodass ich den halben Tag damit verbracht hatte, rumzuheulen und zu brüllen. (Den Rest des Tages aß ich Kuchen.)
Von diesem Tag an wird keine Überraschungsparty oder Ähnliches mehr für mich geplant.Plötzlich spüre ich ein nagendes Gefühl in meinem Bauch. Hunger. Frühstück gab es heute schon, Brötchen mit Marmelade wurde nir gegeben. Es war zwar nicht wirklich genießbar, aber ich wusste, dass ich etwas essen musste.
Jetzt schaue ich auf eine Uhr, die schräg gegenüber von mir an der kalten, weißen Wand hängt. 11:41. Ein wenig Zeit bis zum Mittagessen wird wohl noch vergehen, also werde ich mich noch gedulden müssen.In diesem Moment öffnet sich knarrend meine Zimmertür. Ich rühre mich nicht, wahrscheinlich ist es sowieso nur eine der Schwestern, die mich stündlich besuchen. Doch mein Unterbewusst zwingt mich dazu, mich ein wenig aufzurichten und um die Ecke zu lugen.
Dann erkenne ich die Person, die sich gerade an mein Bett bewegt. Es ist eine Person, von der ich gedacht habe, dass sie schon viel früher zu mir kommt, mir alles erklärt und mir hilft.
Mein Trainer setzt sich langsam und bedächtig auf einen Plastikstuhl neben mein Bett. Ich sehe ihn erwartungsvoll an."Penelope Kron, wir wissen beide, wer die Schuld an diesem vermeintlichen Unfall hat."
Ja, dass wissen wir. Nun hat es keinen Zweck mehr zu leugnen. Vielleicht ist es ja dann einfacher für mich, darüber zu sprechen, wenn ich nicht leugen muss."Ich dachte, sie schafft das.", sage ich vorsichtig und schaue auf meine Bettdecke. Wenn er doch nur sagen würde, wie es um Golden Fall steht.
"Das hat sie aber nicht. Und du weißt, dass das nicht an ihr lag! Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, so knapp zu reiten? Ihr lagt doch gut in der Zeit! Du hättest locker außen rum reiten können, dann wäre dieser Sturz nicht passiert und Golden Fall könnte noch weiter Turniere gehen!", schimpft Mr. Forley und sieht mich strafend an. Er hat ja recht, ich hätte nicht so eng reiten dürfen, verdammt! Und es tut mir auch unendlich leid!
Doch die Nachricht, die mich schockt, ich hoffe, dass ich mich verhört habe, weshalb ich nochmal nachfrage:"Golden Fall kann nicht mehr auf Turniere gehen?"
"Nein! Man darf sie nicht mehr reiten! Der Sehnenschaden ist zu groß, als dass man ihn heilen könnte. Das war's mit ihrer Karriere!", schreit er nun schon fast.
Oh Gott, was habe ich nur getan... Golden Fall ist kaputt, wenn man das so sagen kann. All die Tourneen, die wir vorhaben, weg. Das war's. Aus und vorbei.
Mr. Forley erhebt sich schleppend aus dem Stuhl und läuft aufgebracht mit kurzen schnellen Schritten durch den Raum. Mir wäre es lieber, wenn er still irgendwo sitzen würde, denn es braucht volle Konzentration von nir, ihm zu folgen, wenn er so unruhig ist.
"Ich kann es immer noch nicht fassen. Du hast sie zerstört! Du hast ihr Leben zerstört! Du hast alles zerstört!", zischt mein Trainer fuchsteufelswild. Eigentlich wäre ich ihm jetzt böse, weil er mich so behandelt, aber in dieser Situation kann ich das einfach nicht. Er hat ja recht! Ich habe wirklich alles kaputt gemacht, sozusagen Golden Falls Leben zerstört und bin selber, unfaierer Weise, verflucht gut weggekommen, während meine Stute leiden muss. Mr. Forley hat es geschafft. Er hat es geschafft, dsss ich mich selbst hasse, für das, was ich getan habe und was ich gerade tue. Nämlich nichts.
Mein Trainer scheint zu warten, ob von mir nochetwas kommt, aber ich presse fest die Lippen aufeinander, zum Einen, um nicht zu weinen, zum Anderen, um ihm zu zeigen, dass ich mich dazu nicht äußern will. Wieder hasse ich mich für mein Verhalten, aber ich bin einfach zu feige, um jetzt etwad zu sagen.
Nach ein paar ewig erscheinenden Sekunden der unangenehmen Stille stapft er dann aus dem Zimmer, nicht ohne mich nochmal enttäuscht und wütend anzusehen. Und diesen Blick verstehe ich mehr, als all seine Worte zuvor. Es grenzt schon an grausam, wie ich empfinde. Aber ich habe es verdient. Ich habe nämlich ein unschuldiges Leben von Grund auf zerstört.
Scham steigt in mir auf, ein unangenehmes Gefühl, aber zu ertragen. Ich weiß nach diesem Gespräch zwar, wie es um Golden Fall steht, aber wie es weitergehen soll, wenn ich ersteinmal hier raus bin, keine Ahnung. Vielleicht sollte ich mich überraschen lassen, entgegen meiner Natur. Aber das ich Leben kaputt mache, das ist ja eigentlich auch entgegen meiner Natur.
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In your head
RandomNach einem unerwarteten Ende der Springkarriere als Nachwuchsreiterin findet Penelope Kron sich plötzlich wieder ganz unten. Ihr ehemaliges Pferd ist verstorben, ihr Vertrauen zu den Vierbeinern hat sie verloren, ihr Trainer will ihr nicht helfen, s...