Kapitel 2

67 7 0
                                    

Mit wenig Begeisterung beobachte ich von meinem Sitzplatz im Bus aus, wie der Regen in Form von leichten Tropfen auf die Erde fällt. Im Hintergrund läuft Madness von Muse durch meine weißen, abgenutzten In-Ear Kopfhörer. Die Band ist echt toll, wenn ihr mich fragt. Leider stoppt die Musik immer wieder weil mein altes Samsung Smartphone nicht mehr mit kommt. Ich kann mir kein besseres Handy leisten, weil ich schon seit Monaten auf die USA Reise spare. Um Drei Wochen am Stück die Sonne auf der Haut spüren zu können, würde ich alles tun. Hier in Nordirland braucht man schon viel Glück, um zwei ganze Tage ohne Regen zu erleben. Ich neige dazu, es Katalogwetter zu nennen, denn nur bei diesem Wetter kommen viele Fotografen und sorgen dafür, dass die Bilder in diesen Hochglanzmagazinen für Touristen gut herauskommen. Ich habe viele Nebenjobs, dazu gehört auch, jüngeren Schülern Nachhilfe in Englisch zu geben.

Nach viel zu schneller Zeit lenkt der Busfahrer das große Gefährt in die Schule ein. Mason hat gesagt, er wisse noch etwas anderes um mich zu überreden, dass ich mit ihm StarWars ansehe. Na dann bin ich mal gespannt. Schnell schalte ich mein Handy aus und stopfe es mitsamt den Kopfhörern in meinen Ruck und mache mich auf den Weg zu meinem Spind. Leider hat es ein wenig gedauert, bis ich endlich in das Lehrgebäude kam und zu meinem Pech hat mich der Regen auch nicht verschont. Mit nassem Rock und tropfnassen Haaren schließe ich den Spind und mache mich auf den Weg zur Mädchentoilette. Normalerweise gehe ich mit meinen neuen Nachbarn zur Schule, allerdings regnet es heute Morgen und er hat sich auch nicht blicken lassen. Als ich in mein Spiegelbild sehe, fällt mir etwas sonderbares auf. Ich habe tatsächlich abgenommen. Denkt jetzt nicht ich bin eines dieser Mädchen, die wegen einem Pfund zu viel jammern. Nein, ich bin schon immer mollig gewesen, doch das hatte sich innerhalb der letzten Jahre ziemlich verstärkt. Meine blauen Augen sehen mir verwundert entgegen. Das übliche Wangenfett war nicht mehr so stark vertreten, wie es einmal war und das gefiel mir. Wie gewohnt zog ich meine Schuluniform zurecht, die aus einem Rock, der keine Form hat, einer weißen Bluse mit einer waldgrünen Krawatte und Strumpfhose besteht. Darüber trage ich meinen ebenfalls grünen Blazer mit unserem Schulwappen. Die Jungs sahen mit der Uniform dermaßen gut aus im Vergleich zu uns.

In der ersten Stunde habe ich Englisch, also lief ich zum Fachraum und saß mich auf meinen vorgeschriebenen Platz hin. Bereits wenige Sekunden später spürte ich einen kleinen Luftzug und als käme er vom Nichts war Mason auch schon da. Fast sofort sah er zu mir herüber.

„Hi Irina. Hat es Spaß gemacht, alleine mit dem Bus zu fahren?"

Ist das sein Ernst? Abgesehen vom Regen war es ja echt okay. Was hat er vor?

„Ganz normal, schätze ich. Wie bist du eigentlich zur Schule gekommen?", antworte ich nach kurzer Zeit. Mir ist nichts besseres eingefallen. Er lächelt geheimnisvoll.

„Tja das wüsstest du gerne oder? Mein Bruder hat mich gefahren.", gibt er gekonnt von sich. Was? Er hat einen Bruder? Seit wann denn das? Anscheinend habe ich ausversehen meine Gedanken laut ausgesprochen.

„Ja, Louis. Er studiert Irisch und Geschichte in Belfast. Er hat uns dieses Wochenende besucht. Normalerweise wohnt er auch dort." Wieder lächelt er. Habe ich etwas verpasst? Seit wann ist Mason denn so gesprächsmitteilig? Eigentlich braucht es mich ja nicht zu kümmern, oder?

„Interessant, hast du..." Mrs O'Richardson, meine und seine Englischlehrerin unterbricht mich.

„Guten Morgen , Schüler. Legt bitte alle Sachen weg, sodass nur noch eure Stifte auf den Tischen liegen. Wir schreiben jetzt einen kleinen Test. Es geht um..." , war ihre Ansage.

Diese bringt mich dazu, mich über meinen Tisch zu Mason herüber zu lehnen um folgendes in sein Ohr zu flüstern.

„Siehst du? Ich wusste doch, dass wir heute etwas schreiben. Ich habe es dir doch gesagt. Man bin ich gut." Ich spiele auf arrogant und tätschele meine Schulter. Das bringt ihn zum Schmunzeln.

„Wenn du nicht bald deine Klappe hälst, kann ich mich nicht auf den Test konzentrieren. Ich brauche diese gute Note.", warnt er mich. Das lässt mich nicht zurückhalten.

„Als ob, ich habe gesehen was du in der letzten Arbeit hattest. Du willst mich doch nur verarschen.", schnappe ich beleidigt.Er scheint es bemerkt zu haben, denn er legt seine Hand auf meine und sieht mir in die Augen. Grau trifft auf Blau.

„So habe ich es nicht gemeint. Es ist nur, meine Eltern erwarten Höchstleistungen von mir und denen muss ich auch gerecht werden. Viel Glück im Test.", sind seine letzten Worte bevor wir beide den Bogen bekommen und Mrs O'Richardson mich streng und mahnend ansieht. Ich flüstere ein kleines „Dir auch!" bevor ich nach vorne blicke und auf unser Startzeichen warte.

„Ihr könnt jetzt anfangen. In 25 Minuten, also kurz vor halb neun ist dann Abgabe. Gibt es irgendwelche Fragen?"

Keiner meldet sich. Einer letzter Blick zu Mason zeigt mir sein kurzes Nicken. Ich nicke zurück und mache mich an die Arbeit.

So schwer war das jetzt auch nicht. Es hat geklingelt und die Tests sind eingesammelt. Sie entlässt uns und wünscht uns ein schönes Wochenende. Ein paar Schüler grummeln auf ihrem Weg nach draußen ein „ebenfalls" doch sie sind eindeutig in der Minderheit. Ich stehe auf und setzte mich in Bewegung, als auch schon mein supernetter Nachbar neben mir auftaucht.

„Und wie ging es dir?", fragt er aufrichtig. Das ist so süß. Es gibt echt nicht viele Jungs, die sich wirklich für das Wohlergehen ander interessieren. Ich muss fast automatisch lächeln.

„Ganz gut. Dir?", gebe ich zurück. Er zeigt ein Taucher Okay-Zeichen.

„Okay. Schönes Wochenende.", wünschte ich ihm jetzt, da wir heute kein Fach mehr zusammen hatten. Also ich muss schon sagen, ein wenig verwundert bin ich schon gewesen, als er heute nichts mit einem neuen Deal erzählt hat. Er winkt mir fröhlich zu und – verschwindet wie immer hinter einer mir noch nicht bekannten Wand.

„Was hat er alles gesagt?", quetscht mich meine beste Freundin Alice, die gestern krank war zwei Stunden später aus. Sie hat kein Erbarmen. Ich erzähle ihr von heute in der ersten Schulstunde. Sie stöhnt laut auf.

„Wieso kannst du Englisch mit voll heißen Typen haben, während ich mich in Chemie mit Strebern zufrieden geben muss. Verstehe mich nicht falsch, Streber sind schon heiß aber moment. Ist Mason eigentlich heiß? Wie sieht er aus? Darüber hast du mir noch gar nichts erzählt. Jetzt bin ich diejenige, die stöhnen muss. Laut.

„Ich weis es nicht und selbst wenn würde es mich nicht interessieren. Er ist ein Freak! Sein ganzes Zimmer ist vollgeklebt mit StarWars Postern. Bleibe bei deinen Strebern Alice, da verpasst du absolut gar nichts. Das kann garantiere ich dir." Sie sieht mich wenig überzeugt an.

Die nächsten gefühlten Stunden diskutieren wir im Unterricht, welche der Jungs in unserer Schule das Potenzial haben könnten, heiß zu sein oder es schon bereits lange sind. Wir sind uns überall einig außer einzig und allein bei Mason trennen sich unsere Meinungen wie die zwei gegen überliegenden Seiten einer Schlucht.





Honest HumansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt