» 56. Kapitel

2K 237 40
                                    

Auf leisen Sohlen tapste ich kleine Schritte hinter Jin her, der für mich extra langsamer ging, damit ich so nahe hinter ihm laufen konnte wie möglich.

„Weißt du, ich hatte mich schon gefragt, wie und warum man rebelliert, so wie du und deine Freunde es machen", teilte Jin mir leise seine Gedanken mit, nachdem ich fertig war, ihm sowohl meine Situation als auch meinen Plan zu erzählen.
„Aber jetzt kann ich es nachvollziehen."

„Danke, schätze ich", antwortete ich. Mein rechter Handrücken strich beim Gehen die weiße Wand des Turms.
Ich war schonmal unerlaubt hier herum gelaufen und hatte Angst, erwischt zu werden, aus dem gleichen Grund wie nun, doch erst seit Neustem wusste ich, was wirkliche Angst war.
Und diese wirkliche Angst hatte das Adrenalin in meinem Körper wieder mal in Massen ausgeschüttet.

„Ich finde es lebensmüde", gab Jin ehrlicherweise zu.
„Aber mutig."

„Nochmal danke", ein Lächeln entfuhr mir.
Zum Glück war Jin, auch wenn er schon der festen Überzeugung war, FN-2187 zu heißen, noch nicht ganz unmenschlich.

„So, hier sind wir", Jin machte vor der Tür zur Trainingshalle von Level 70 Halt.
Hier sollten, sagte er zumindest, die Gäste von Außerhalb untergebracht worden sein.

„Danke", ich trat zur Tür und warf Jin noch ein Lächeln zu.

„Du bedankst dich häufig gerade", Jin erwiderte das Lächeln und lehnte sich gegen die Wand direkt neben der Tür an.
„Bedank dich, wenn ich dich wieder raus gebracht habe, ja?"

„Mach' ich", ich nickte.

„Pass auf dich da drinnen auf..."

„Und im Notfall hast du mir nicht geholfen, rein und raus aus dem Turm zu kommen und ich kenne dich gar nicht", ich drückte die Türklinke herunter.
Wie erwartet war es komplett düster, schließlich schliefen hier theoretisch alle Besucher.

Noch bevor ich die Tür schloss und Jin und den Flur hinter mir ließ, aktivierte ich mein Armbandlicht. Es erhellte zumindest ein wenig meine Umgebung, sodass ich nirgendwo ausversehen gegenstoßen würde, wenn ich nach ihm suchte.

Mein Herz schlug ein wenig höher, als mein Licht die erste Matratze erfasste.
Fehlschlag - das war er definitiv nicht.

Leise nahm ich meinen Weg weiter auf. Noch nie in meinem Leben hatte ich so leise sein wollen wie gerade.
Weitere Betten fielen in meinen Radius.
Viele schlafende Personen, sowohl als auch Jungs und Mädchen in verschiedenfarbigen Bettdecken schlummerten tief und fest. Wahrscheinlich hätte ich ganz normal mich umsehen können und es hätte niemanden gekümmert, doch Vorsicht war bekanntlich die Mutter der Porzellankiste.

„Wo bist du...", murmelte ich ungewollt aber zum Glück leise.

Plötzlich fiel eine Schlafstätte in meinen Augenschein mit roter Bettdecke.
Mein Puls schlug höher, als ich den schwarzen Haarschopf am anderen Ende, dem Kopfbereich des Bettes erfasste und beim Nähertreten sein Gesicht wiedererkannte.
Jungkook.

Level 100 «Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt