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Die Wahrheit hat oft einen bitteren Geschmack.
Aber eine süße Lüge vergiftet.~*~
6. Februar 2013
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„Jetzt hol' erst einmal tief Luft und dann erklärst du mir langsam, was passiert ist!", versuchte ich mit möglichst ruhiger Stimme zu sagen. Es war Mittwoch Nachmittag, ich saß in eine Wolldecke gekuschelt auf meinem Bett und brütete über dem Text einer Szene, die ich bis Freitag beherrschen musste. Yelena war seit ein paar Minuten weg, da sie eine Einzelstunde Gesang hatte. Und ausgerechnet jetzt musste Fiona anrufen! Ihr „Keela, du musst heim!" war kaum verständlich gewesen, so sehr hatte sie geweint. Nun hörte ich ein Schnäuzen, einen tiefen Atemzug und dann endlich sprach sie verständlich.
„Cillian ist im Krankenhaus. Sie operieren gerade. Er ... er hatte seit gestern Abend Bauchweh, aber ich ... ich dachte, er hat nur zu viel Schokolade gegessen. Aber heute morgen hatte er Fieber und dann hat er noch gekotzt und ... naja, dann bin ich mit ihm ins Krankenhaus und der Arzt meine, es könnte eine Blinddarmentzündung sein. Sie haben ihm was gegeben und dann wurde es besser. Aber dann wieder schlimmer und dann haben sie Cillian ganz schnell in den OP gebracht und da ist er nun", ratterte sie atemlos herunter, sodass ich nur mit höchster Konzentration ihren Ausführungen folgen konnte. Aber ich verstand. Cillian war im Krankenhaus und wurde operiert, vermutlich wegen Blinddarmdurchbruchs. Nun war es an mir, tief durchzuatmen.
„Okay. Fiona, beruhig' dich! Cillian ist in guten Händen, er wird das überstehen! Ein Blinddarmdurchbruch ist nicht so schlimm, wie es klingt. Deine Freundin Anne hatte das doch auch vor drei Jahren. Das war eine kleine OP und ein paar Tage danach war sie schon wieder daheim und topfit!", redete ich sanft auf meine kleine Schwester ein.
Ein paar Sekunden lang hörte ich nur leises Schniefen, dann endlich sagte sie wieder etwas. „Kommst du her? Ich glaube, ich schaff' das nicht allein ..." Ihre Stimme klang leise, verzweifelt ...Ein leises Seufzen entwich mir und ich ballte meine freie Hand so sehr zusammen, dass mir meine Fingernägel in die Handfläche schnitten.
„Fiona, Maus ... ich kann hier nicht einfach weg. Ich hab' Schule und du weißt doch auch, was die Flüge kosten. So gerne wie ich jetzt bei dir wäre und dir beistehen würde ... ich kann nicht ...", flüsterte ich fast, während ich unter meinen eigenen Worten litt. Es tat mir so fürchterlich leid, dass ich nicht sofort zu ihr konnte.
„Nie bist du da, wenn man dich braucht! Immer ist deine dumme Schauspielerei wichtiger als ich und Cillian! Du bist so verdammt egoistisch! Bleib' doch in deiner tollen Schule und am besten kommst du gar nicht mehr heim!", fauchte Fiona sofort. Ihre Worte schmerzten mehr als jeder Schlag oder Tritt, den sie mir verpassen hätte können.
„Maus, bitte ...", setzte ich noch an, doch da hörte ich schon den leisen Ton, der andeutete, dass das Gespräch beendet worden war. Mit einem leisen, frustrierten Schrei warf ich mein Handy mit solcher Kraft aufs Bett, dass es von der Matratze abprallte und nach unten auf den Boden hüpfte. Glücklicherweise blieb es ganz.
Sie hatte ja Recht. Sie hatte verdammt nochmal Recht! Was für eine miese Schwester war ich denn? Warum ließ ich nicht alles liegen und stehen und machte mich sofort auf den Weg zu ihr und Cillian? Warum war mir meine Schule wichtiger als sie und ihr Wohlbefinden? Nur, weil ich am Freitag eine wichtige Prüfung hatte, ließ ich meinen kleinen Neffen im Stich? Wie egoistisch ...
Dann aber kamen mir Toms Worte von vor ein paar Wochen wieder in den Sinn.
„Aber du darfst dich dabei nicht selbst hinten anstellen. Du solltest dich nicht für jemand anderen aufopfern und dabei dein eigenes Leben vergessen!"
So sehr ich für Fiona da sein wollte ... ich konnte es nicht, ohne dass es negative Auswirkungen auf meinen schulischen Werdegang und damit auf mein Leben hatte. Und es war doch wirklich so, dass Cillian mit großer Sicherheit bald wieder gesund war.
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Remember When It Rained | Tom Hiddleston
FanfictionYou may not always end up where you thought you were going, but you will always end up where you meant to be. Sie bot allem ein Schauspiel - ihrem Publikum, ihrer Familie, ihren Freunden. Als wüsste sie selbst nicht mehr, wer sie war und was die Ro...