Dafür sind Freunde da

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~*~

Wenn du nicht mehr weiter weißt,
Weil Dein Herz schon fast zerreißt.
Sage, was dich quält,
Dafür sind Freunde da!
Aufeinander zähl'n
Und was immer kommt
Durch dick und dünn
Zusammen gehen
Und niemals fragen, nützt es wem
Ich glaub' daran
Dafür sind Freunde da!

(Freunde - aus dem Tabaluga-Musical von Peter Maffay)

~*~


Mit müden Augen starrte ich hinab auf meinen Kaffeebecher, in dem ich schon seit gefühlten fünf Minuten die braune Flüssigkeit hin und her rührte. Ich saß in Yelenas neuer Wohnung am Küchentisch und hörte ihr dabei zu, wie sie mir von ihrer Rolle in dieser Fernsehserie erzählte. Zu ihrem Leidwesen war ich alles andere als aufmerksam.

„Keela, es ist ja ok, wenn du mit den Gedanken wo anders bist. Aber dann rede doch wenigstens mit mir darüber! Dann kann ich dir auch helfen!", sagte sie tief seufzend und trat mir unter dem Tisch leicht gegen mein Schienbein, dass ich endlich den Kopf hob und sie ansah.

Missmutig funkelte ich sie an, war mir aber bewusst, dass sie Recht hatte. Sie war meine beste Freundin und sie könnte mir helfen, die Grübeleien, die mich seit zwei Tagen quälten, zu beenden. Trotzdem hatte ich irgendwie Angst, mich ihr anzuvertrauen - schließlich war ich es gewohnt, dass nichts gutes daraus erwuchs. Aber Yelena war nicht Rachel ... sie hatte bisher bewiesen, dass sie mein Vertrauen verdient hatte.

„Es geht um Tom, stimmt's?", fragte sie mit sanfter Stimme, weil ich mein Schweigen noch immer nicht brach. Zögerlich nickte ich. Dass ich bei ihm gewesen war, wusste sie sowieso.
„Hat er dir ... weh getan?", bohrte sie vorsichtig nach. Es war offensichtlich, dass sie mehr wissen wollte, aber ich merkte auch, dass es nicht in ihrer Absicht lag, eine Grenze zu übertreten, die ich zwischen uns gezogen hatte.

Sie hatte eine richtige Antwort verdient ...

„Nein. Ganz im Gegenteil! Er ... er wollte mich nie verletzten, weil ... er hat gesagt, dass er sich in mich verliebt hat ...", murmelte ich leise. Es fiel mir schwer, diese Worte auszusprechen, weil es mir noch immer so irreal erschien. Genauso irreal wie damals, als meine Psychologin die Vermutung aufstellte, dass ich für Tom mehr als Freundschaft empfand. Wäre es nicht einfacher, wenn wir einfach Freunde bleiben könnten?

„Oh ... das ... hatte ich mir irgendwie gedacht", nuschelte Yelena, fügte beim Anblick meines entsetzten Gesichtsausdrucks schnell hinzu: „Ich wollte nichts sagen, weil du ... du wärst nicht bereit gewesen für mehr als Freundschaft. Und die wollte ich dir mit meiner Vermutung nicht kaputt machen. Außerdem war ich mir ja gar nicht sicher ..."

„Jetzt kannst du dir sicher sein ...", erwiderte ich, atmete tief durch und erzählte ihr dann Stück für Stück, was der Nachmittag mit Tom ergeben hatte.Noch immer schien sie wenig erstaunt darüber zu sein, was er für mich empfand.

„Um ehrlich zu sein, deswegen habe ich ihm auch deine Briefe geschickt. Sei nicht böse auf mich, aber ... Keela, weißt du noch, was du alles geschrieben hast? Vielleicht ist es an der Zeit, dass du dir eingestehst, dass sich nicht nur in Toms Gefühlen zu dir etwas geändert hat", sagte sie leise, aber mit einem so eindringlichen Blick, dass ich wusste, wie ernst sie ihre Worte meinte.

Weil ich ihr nicht lange stand halten konnte, senkte ich den Kopf, starrte erneut auf meine Tasse hinab, deren Inhalt mittlerweile kalt und damit für mich ungenießbar war. Natürlich wusste ich noch, was ich in meinen Briefen geschrieben hatte. Kurz vor Schulende, als ich sie eigentlich hatte vernichten wollen, hatte ich jeden einzelnen davon noch einmal gelesen. Worauf meine Freundin hinaus wollte, verstand ich dennoch nicht.

„Keela", sanft griff sie nach meiner Hand, blickte mir erneut in die Augen, ehe sie weitersprach, „Ich weiß, was du diesem Mann alles verdankst. Und wie unheimlich viel du deshalb für ihn empfindest. So viel, wie du in den letzten zwei Jahren über ihn gesprochen und an ihn gedacht hast ... Steh' dir und euch nicht im Weg, indem du leugnest, was du fühlst. Was du schon lange gefühlt hast"

Und mit einem Mal wusste ich, dass sie recht hat. Mein Herz begann zu rasen, als hätte ich einen Marathon-Lauf hinter mich gebracht - ebenso sehr schnappte ich nach Luft. Vollkommen perplex starrte ich Yelena an, die zufrieden lächelte, ein Ausdruck von 'Wusste ich es doch!' im Gesicht.

„Bloody Hell!", fluchte ich leise, versuchte das Wirrwarr in meinem Kopf zu ordnen. Plötzlich machte so vieles einen Sinn. So vieles, was ich zuvor nicht verstanden hatte ... nicht verstehen wollte! Einfach aus dem Grund, weil ich zu sehr mit meinen negativen Gedanken beschäftigt gewesen war, um andere Gefühle als Angst und Sorge wahrzunehmen.

„Und was mach ich jetzt?", hauchte ich atemlos, unfähig einen klaren, vernünftigen Gedanken zu fassen.

„Jetzt rufst du Tom an und sagst ihm, dass du dich mit ihm treffen möchtest", erwiderte Yelena, als wäre dies die einfachste Lösung, auf die ich auch hätte selbst kommen können. Hätte ich auch. Was auch lag näher, als mit dem Mann zu sprechen, der für all das Chaos in meinem Kopf und - wie ich ja nun bemerkt hatte - in meinem Herzen verantwortlich war.

Weil ich mich trotz allem nicht bewegte, griff Yelena seufzend nach meinem Handy, suchte Toms Nummer in meiner Kontaktliste und drückte auf den grünen Hörer. Als die Verbindung her gestellt war, drückte sie es mir in die Hand und da ich schon ein leises „Ja?" vernahm, war es eh schon zu spät, um aus Angst zu kneifen.

„Tom? Ich bin's, Keela ..."
Wie geistreich! Das hatte er bestimmt schon gemerkt, als er meine Nummer gesehen hatte. Also sprach ich hastig weiter.
„Ich ... würde dich gerne sehen. Heute noch ... wenn es möglich wäre?"
Ich hörte Tom am anderen Ende der Leitung tief durchatmen, ehe er sagte: „Natürlich. Kann ich dich heute Abend zum Essen einladen oder ... möchtest du lieber alleine mit mir sprechen?"
seine Stimme klang recht nüchtern, beherrscht - ich jedoch kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er in Wahrheit fürchterlich angespannt war, auch wenn er dies gut zu überspielen wusste.

Nach Hilfe suchend blickte ich Yelena an, die kurz darauf mein Handy schnappte und so schnell im angrenzenden Schlafzimmer verschwand, dass ich gar nicht wirklich reagieren konnte.
„Hey!", rief ich ihr entrüstet nach, hörte aber wie sie die Tür hinter sich abschloss. Danke auch! So blieb mir nichts weiter übrig, als die nächsten zwei, drei Minuten, die sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlten, zu warten und hoffen, dass sie keinen Mist baute.

„Er holt dich heute Abend um sieben ab. Bis dahin werde ich dich in die Badewanne verfrachten, dich schminken, deine Haare stylen und dir was hübsches zum anziehen geben. Und dann wirst du den tollsten Abend deines Lebens haben!", erklärte sie grinsend, kaum dass Yelena zurück zu mir in die Küche getreten war.

Lachend ging ich zu ihr, nahm sie fest in den Arm und sagte: „Du verrücktes Huhn! Was wäre ich nur ohne dich?"
„Dafür sind Freunde da", sagte sie schmunzelnd und erwiderte meine Umarmung ebenso herzlich, wie sie eben war.
„Danke, dass es dich gibt!", flüsterte ich leise, musste einen Moment mit den Tränen kämpfen. Endlich hatte ich begriffen, was für wundervolle Menschen ich an meiner Seite hatte.

Kurz darauf löste sie sich sanft von mir, sah mich kurz an, dann griff sie nach meiner Hand und führte mich ins Badezimmer, um mir das angedrohte Bad einzulassen.
„Ich habe übrigens beschlossen, dass du mit bei mir einziehst. Platz genug ist hier, es spart uns beiden Geld und wir können weiterhin viel Zeit miteinander verbringen!"

Lachend schüttelte ich den Kopf. „Wiedersprechen kann ich eh nicht, oder?"


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Remember When It Rained | Tom HiddlestonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt