Sonnenschein

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~*~

We're not friends.
We're not enemies.
We're strangers
with some memories.

~*~


Yelena grinste mich kurz an, dann nickte sie Tom und mir zu, ehe sie geschwind zu ihrer Familie eilte. Danke auch! Etwas Bestand von ihrer Seite aus hätte ich sehr gut brauchen können. Unsicher stand ich da, wusste nicht wohin ich schauen sollte, kämpfte aber gleichzeitig den Drang in mir nieder, Tom einfach zu umarmen.

„Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss!", durchbrach er mit leiser Stimme die Stille, die zwischen uns herrschte. Langsam hob ich den Kopf, blickte dabei direkt in Toms blaue Augen, die mich sanft ansahen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, während er einen Schritt näher an mich heran trat.

Kurz schaute ich mich um, doch niemand schenkte uns Beachtung. Viele von den Gästen der Abschlussfeier waren schon gegangen. Meine Familie entdeckte ich dort, wo ich sie zurück gelassen hatte - mittlerweile in ein Gespräch mit Yelena vertieft.

„Danke", murmelte ich, weil mein Hirn einfach nichts sinnvolleres von sich geben wollte. Zwei verdammt lange Jahre hatte ich ihn vermisst und mir genau diesen Moment herbei gesehnt. Jetzt stand er vor mir und ich war einfach nur unfähig, irgendetwas zu tun.

„Ethan ... also Mr. Stanton hat mir berichtet, dass heute dein letzter Tag war. Und um ehrlich zu sein, hat er mich regelmäßig auf den Laufenden gehalten, wie du dich hier machst ...", gab Tom beinahe verlegen zu. Erst jetzt wagte ich es, ihn richtig anzusehen. Er trug dunkle Jeans und ein einfaches, schwarzes Hemd, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen nach oben umgekrempelt waren - es war, als würde mir jetzt zum ersten Mal auffallen, wie attraktiv dieser Mann eigentlich war. Kein Wunder, dass er so viele weibliche Fans hatte ...

„Oh ..."
Langsam kam ich mir richtig dumm vor, so unfähig wie ich war, wenigstens einen vernünftigen Satz zu formulieren. Doch ehe ich mich für meine Einsilbigkeit entschuldigen konnte, spürte ich Toms Arme, die mich sanft an seine Brust zogen und mich dort in einer innigen Umarmung hielten.

Im ersten Moment versteifte ich mich vor Überraschung, aber Toms einst so vertrauter Nähe konnte ich nicht lange widerstehen, sodass ich seine Umarmung erwiderte, mich sogar ein wenig an ihn kuschelte. Mein Herz raste regelrecht, während ich mit den Tränen kämpfte. Wie sehr ich ihn doch vermisst hatte ...
„Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht so überrumpeln", sagte er leise, während noch immer ein Lächeln auf Toms Lippen lag. Offensichtlich meinte er nicht die Umarmung, sondern seine Anwesenheit hier in meiner - ehemaligen - Schule.

„Selbst wenn man mich vorgewarnt hätte, dass du kommst, hätte ich nicht gewusst, wie ich auf dich reagieren soll ...", meinte ich mit einem leisen Lachen. Ich wusste wirklich noch immer nicht, wie ich mit seiner Anwesenheit umgehen sollte.
Waren wir noch Freunde?
Oder nur zwei Fremde, die Erinnerungen miteinander teilten?
Alleine konnte ich diese Fragen nicht beantworten.

Tom schenkte mir ein sanftes Lächeln, ehe er seinen Blick kurz umher schweifen ließ. Als er an meiner Familie hängen blieb, die offensichtlich auf mich wartete, meinte er leise: „Ich will dich nicht aufhalten. Ihr habt schließlich etwas zu feiern"

Ich zögerte lange, schaute zwischen Tom und meiner Familie hin und her, ehe ich nuschelnd vorschlug: „Wir wollen alle zusammen Essen gehen ... komm doch mit!"
Was hätte ich sonst sagen sollen?
Viel zu lange hatten wir uns nicht mehr gesehen, viel zu viel Zeit war verstrichen ... ich konnte doch nicht zulassen, dass wir uns jetzt schon wieder trennen mussten!

Deutlich unsicher runzelte Tom die Stirn, schien nun ebenfalls zu überlegen, ehe er sachte den Kopf schüttelte. „Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist. Ihr seid wieder eine Familie, da sollte ich nicht stören. Außerdem würde ich es verstehen, wenn deine Schwester mich nicht unbedingt sehen will ..."

Ein Schmunzeln huschte über meine Lippen. Das war so typisch Tom. Immer höflich, immer zuvorkommend und darauf bedacht, niemanden wissentlich Unrecht oder Unbehagen zu bereiten. Selbst dann nicht, wenn es berechtigt war.

Das war nur einer seiner Charakterzüge, die ich so sehr zu schätzen gelernt hatte - und nur eine der zahlreichen Gründe, warum mir dieser Mann all die Wochen und Monate nicht aus dem Kopf gegangen war. Yelena hatte anfangs steif und fest behauptet, dass ich mich in Tom verliebt hatte, doch das, was ich für ihn empfand, was etwas anderes. Tiefe, ehrliche Dankbarkeit und noch immer grenzenlose Freundschaft. Ich verdankte ihm so unheimlich viel ... mehr, als er wusste und mehr, als ich mir je hätte vorstellen können ...

„Ach quatsch, heute ist mein Tag und deswegen entscheide auch ich, wen ich um mich haben möchte!", erwiderte ich lachend und mit für Tom wahrscheinlich ungewohntem Selbstbewusstsein. Einiges hatte sich seit unserer letzten Begegnung geändert ...

Als ich jedoch ansetzte, nach seiner Hand zu greifen, um ihn einfach mit mir zu ziehen, zögerte ich. Vermutlich wäre das unangebracht gewesen, wusste ich schließlich nicht, ob ihm die früher so vertrauten Berührungen nicht mittlerweile unangenehm waren. Gab es nicht sogar ernst zu nehmende Gerüchte, dass er eine Freundin hatte?

Also beließ ich es bei einem „Komm mit!" und einem aufmunternden Lächeln, um ihn doch noch von meiner Idee zu überzeugen.
„Auf deine Verantwortung!", erwiderte er schließlich lachend und folgte mir zu meiner wartenden Familie. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich, dass Tom mich dabei immer wieder anblickte. Und zum ersten Mal genoss ich es wirklich, im Fokus seiner Aufmerksamkeit zu stehen.

Ein seltsames Gefühl von Zufriedenheit und Glück machte sich in mir breit. Täuschte ich mich oder war mein Leben endlich und wahrhaftig auf den Weg, perfekt zu werden?

~*~

Remember When It Rained | Tom HiddlestonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt