Theatre was created
to tell the truth about life.~*~
Langsam lief er durch die Gassen des abendlichen Dublins. Pubs und Restaurants waren hell erleuchtet und baten ihn darum, einzutreten. Warben durch den Duft von köstlichem Essen, fröhlichem Lachen und alkoholschwangerem Gesang.
Doch er ging weiter, ohne ein Ziel zu verfolgen. Es genügte, dass er in seinem Job stets fokussiert sein musste. Dass er seinen Tagesrhythmus einem Terminkalender unterwarf und nur wenig dem Zufall überlassen konnte. Jetzt – jetzt hatte er sich endlich wieder einmal Urlaub gegönnt. Zwar nur wenige Tage, aber diese waren frei von Termindruck, Stress und Hektik.
Ein Schmunzeln stahl sich auf seine schmalen Lippen. Warum er sich ausgerechnet Dublin ausgesucht hatte?
Zufall.
Eine kleine Rebellion gegen sein übliches Leben, in dem er so wenig dem Zufall überließ.Er war Schauspieler und seit einigen Jahren bekannter, als es ihm selbst manchmal lieb war. Und Schauspieler hatten nun einmal Termine – für Dreharbeiten, Interviews oder all den anderen Dingen, die ein Leben als Mann der Öffentlichkeit mit sich brachte.
Ruckartig blieb er stehen. So in Gedanken versunken hätte er das Schild fast übersehen. Eine einfache schwarze Schiefertafel, die in einem hell erleuchteten Fenster hing. Nicht die Tafel selbst oder das aus dunkelbraunem Sandstein erbaute, schmucklose Haus hatte seine Aufmerksamkeit erweckt, sondern vielmehr das, was dort mit weißer Kreide geschrieben stand:
„Romeo und Julia – Irish Version
Heute Premiere"
Er konnte wohl definitiv nicht abstreiten, wie groß seine Begeisterung für Shakespeare war, reichte dieses kleine Schild doch aus, dass er auf dem Absatz kehrt machte und das Gebäude, das sich als kleines Theater entpuppt hatte, schnellen Schrittes betrat. Wenn er Glück hatte, würde er noch rechtzeitig einen Platz bekommen, ehe die Vorstellung begann.
~*~
„Keela, schnell! Du musst gleich raus und dein Kostüm sitzt noch nicht richtig!", rief mir Rachel fast panisch zu, während ich in meine mit einem mörderisch hohen Absatz ausgestatteten High Heels schlüpfte und noch einmal meine zu einem Kunstwerk auftoupierten Haare im Spiegel vor mir überprüfte. Eine meiner fuchsroten Strähnen hatte sich gelöst, sodass ich sie hastig zurück in eine der Klammern schob, die meine restliche Haarpracht bändigten.„Ja, ich bin ja schon soweit! Cara hat mit dem Makeup länger gebraucht als geplant", erklärte ich Rachel, die sich sogleich daran machte, an meinem Kostüm zu zupfen und zu zerren, bis es endlich so saß, wie es sollte. Es war ein knielanges, aber bis zum Hals geschlossenes taubenblaues Kleid, bedeckt von goldenen Sprenkeln. Rachel hatte es geschneidert, wie sie all unsere Kostüme geschneidert hatte. Mit einer solch talentierten Kostümbildnerin hatte ich bisher selten zusammen gearbeitet.Nicht unbedingt das, was Shakespeare sich als Kleidung für seine Julia vorgestellt hatte, schoss es mir durch den Kopf, wobei sich meine kirschrot geschminkten Lippen zu einem Lächeln verzogen.Wahrscheinlich war kaum etwas mehr so, wie der britische Autor es sich vorgestellt hatte, als er eines seiner bekanntesten Stücke schrieb. Doch genau das war so vorgesehen. Sam – der Regisseur und Chef unserer kleinen Theatergruppe – wollte etwas neues schaffen. Ein altes Stück in neuem Gewand. Also hatte er die Handlung von „Romeo und Julia" hierher nach Irland versetzt und die Fehde zwischen den Montagues und den Capulets auf den Kampf zwischen den Protestanten von Nordirland und den Katholiken der Republik Irland übertragen.„So, fertig!", begeistert klatschte Rachel in die Hände, nachdem sie mich noch einmal ausgiebig gemustert hatte. „Jetzt raus mit dir, erobere deinen Romeo!", fügte sie lachend hinzu und schob mich vorwärts, bis ich beim Zugang zur Bühne stand. Für einen Moment schloss ich meine Augen und ließ mit einem tiefen Atemzug neue Luft in meine Lungen strömen. Auch wenn das Theater recht klein war und nur etwa zweihundert Gästen Platz bot, nistete sich Übelkeit in meinem Bauch ein. Um das aufkommende Lampenfieber nieder zu kämpfen, biss ich mir fest auf die Lippen. Ich hasste es, im Mittelpunkt zu stehen - auch wenn das in keinster Weise zu meiner Liebe zur Schauspielerei passte. Doch die Schauspielerei war meine Leidenschaft, mein Lebensinhalt. Also missachtete ich die Aufregung und strich noch einmal mein Kleid glatt. Dann hörte ich meinen Einsatz und ich trat hinaus auf die Bühne – auf die Bretter, die die Welt bedeuteten.
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Remember When It Rained | Tom Hiddleston
FanfictionYou may not always end up where you thought you were going, but you will always end up where you meant to be. Sie bot allem ein Schauspiel - ihrem Publikum, ihrer Familie, ihren Freunden. Als wüsste sie selbst nicht mehr, wer sie war und was die Ro...