Familie

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Manchmal glaube ich, wir sind keine Familie, sondern ein biologisches Experiment.
(Al Bundy)

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Kaum dass ich die Wohnungstür hinter mir geschlossen und meinen Koffer abgestellt hatte, stürmte Fiona auf mich zu, umarmte mich kurz, nur um sogleich die Tür wieder zu öffnen.
„Hey Keela, schön dass du da bist! Ich muss kurz nochmal weg. Cillian schläft gerade, falls er wach wird, gib' ihm bitte sein Gläschen. Danke!“, ratterte sie hastig herunter, dann war sie schon verschwunden. Vollkommen überrumpelt starrte ich ihr hinterher, um die Türe in zweites Mal zu schließen. Was war das denn?

Seufzend schüttelte ich den Kopf und bahnte mir meinen Weg durch Kinderspielzeug, Schuhen und was auch immer da noch am Boden herumflog. Als ich den Fernseher hörte, atmete ich einmal tief durch, ehe ich ins Wohnzimmer trat.

„Hallo Dad!“, begrüßte ich ihn und versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass er wie so oft auf unserem alten, abgewetzten Sofa lümmelte und irgendeine schwachsinnige Talkshow ansah. Eigentlich freute ich mich, ihn zu sehen – wenn ich nicht bemerkt hätte, dass er noch ausgemergelter und leider auch heruntergekommener aussah als vor meiner Abreise nach London. Würde er so weitermachen, könnte er als Erschrecker in einer Geisterbahn arbeiten – ohne Maske und Make-up!

Nur kurz lösten sich seine braunen Augen vom Fernseher und huschten über mein Gesicht. „Hallo Keela“, war die einzige Reaktion, die ich von ihm erhielt. Schlagartig stieg Wut in mir auf und ich öffnete schon den Mund, um etwas zusagen, wurde jedoch von Dad unterbrochen.
„Spar's dir! Es war deine egoistische Entscheidung zu gehen, erwarte als nun nicht, dass ich Freude über deine kurzfristige Rückkehr heuchle“, sagte er leise, doch seine Stimme war schneiden wie Glas – und genauso sehr verletzten sie mich.
Meine Fingernägel gruben sich schmerzhaft in meine Handflächen, so stark ballte ich meine Hände zu Fäusten. Schlagartig standen mir Tränen in den Augen und ich kämpfte krampfhaft dagegen an, zu weinen. Nicht hier, nicht vor ihm.

„Ich mach' wenigstens etwas aus meinem Leben und lass mich nicht so gehen wie du!“, knurrte ich leise, klang dabei gleichzeitig wütend und verletzt. Bevor ich die Chance hatte, den Raum zu verlassen, schlug Dad noch einmal zu.

„Bist du immer noch so töricht zu glauben, dass du mit deinem bisschen Schauspielerei wirklich Geld verdienen kannst? Keela, werde endlich erwachsen!“

Nun war ich sprachlos. Ich wusste schon immer, dass er meinen Traum von der Schauspielerei nicht sonderlich realistisch fand. Doch dass er so darüber dachte?
„Danke für deine ehrliche Meinung. Nur werde ich sie leider nicht in meine Entscheidungen mit einbeziehen. Schließlich ist es mein Leben“, erwiderte ich, während ich mich schon zum gehen wendete, wartete auf keine weitere Antwort, sondern schloss einfach die Tür hinter mir.

Mühsam kämpfte ich den Drang in mir nieder, einfach wieder zu gehen. Cillian konnte nichts dafür, dass seine Mutter ihre Verantwortung auf mich abgewältzt hatte. Und wohin sollte ich auch gehen? Weder David noch Rachel wollte ich belästigen. Es war Weihnachten! Ein Fest der Familie und der Fröhlichkeit – da würde ich nur stören.

Also widmete ich mich stattdessen dem Haushalt. Wäsche waschen, Geschirr spülen, putzen … ich wurde das Gefühl nicht los, dass in den vergangen drei Monaten, die ich in London verbracht hatte, kaum etwas davon erledigt worden war.

Weihnachten war dieses Jahr definitiv für mich gestorben!

~*~

Es war bereits später Abend, als Fiona zurückkam. Mit knappen Worten teilte ich ihr mit, dass Cillian zu Abend gegessen hatte und nun bereits wieder schlief. Dann wünschte ich ihr einen schönen Abend, ging schnurstracks in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir ab. Im dunklen tapste ich zu meinem Bett, ließ mich hineinfallen und schloss die Augen. Nein, ich würde nun nicht weinen!

Remember When It Rained | Tom HiddlestonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt