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Ich nickte. Christian hatte seinen Blick weiterhin auf mich gerichtet und sah verwirrt aus.
"Das mit dem Unfall und deinem Auto... Tut mir Leid... Ich hab dich nicht richtig gesehen..." Der Junge an meinem Bett seufzte. "Betrunken und das Fahrtlicht nicht angestellt... Meine Freundin ist mir seit einem Jahr fremd gegangen und ich hab nichts bemerkt..."
Ich sah auf und seufzte. Er tat mir zwar leid, doch ich hatte jetzt ein anderes Problem. "Auch wenn's doof klingt... Was ist mit meinem Auto passiert?"
Erneut war ein Seufzer vom Stuhl neben meinem Bett zu vernehmen.
"Kaputt", nuschelte Christian.
"Kaputt? So richtig kaputt? So es-geht-gar-nicht-mehr-richtig-kaputt?" Geschockt sah ich neben mein Bett, wo der mir fremde Junge saß. Aus unerfindlichen Gründen schien er traurig.
Er nickte kaum wahrnehmbar. "Wenigstens ist dein Gepäck komplett unbeschädigt geblieben..."
Wenigstens etwas gutes. Aber wie kam ich jetzt weiter? Wahrscheinlich war der greifbar nahe Traum von Freiheit nun wieder nur ein entfernter Traum. ABER ICH WOLLTE NICHT WIEDER IN MEIN KAFF ZURÜCK! Ich wollte Polarlichter sehen! Und noch viel mehr, doch jetzt hatte ich kein Auto mehr und würde nicht mehr weiter kommen! Ausgeträumt!
Scheinbar hatte ich traurig ausgesehen, denn Christians Blick war besorgter geworden. "Was ist los?", fragte er scheinbar zögernd nach einigen Minuten der Stille.
Ich war mir nicht sicher, ob ich es ihm sagen konnte. Ich kannte ihn nicht! Nicht einmal annähernd! Ich wusste nur, wie er hieß und das wegen ihm -oder besser seiner Exfreundin- mein Auto und somit mein Traum hin war. Trotzdem hatte er etwas an sich, das in mir Sympathien für den Jungen erregte. Trotzdem war ich mir unsicher.
"Wenn du nicht reden willst, dann musst du nichts sagen...", murmelte er. Seine Stimme klang so ehrlich, wie die eines Kindes. Und so entschloss ich mich aus den Vorschlag, nichts zu sagen, dazu, etwas zu sagen. Ich setzte mich auf, um nicht so krank zu wirken, wie ich in dem kahlen Krankenbett wirken musste.
"Ich bin dabei abzuhauen. Von zu Hause, von meinen Erinnerungen, von meiner toten Freundin..." Ich wollte weiterreden, als ich jedoch Christians geschockten und gleichzeitig mitleidigen Blick realisierte. Dieser Blick hatte etwas so unglaublich warmes und liebes an sich, was ich, von da wo ich herkam, nicht kannte. Erneut wirkte Christians Auftreten so unglaublich ehrlich und hatte etwas von einem Teddybären, obwohl er vom Aussehen her nicht viel mit einem gemeinsam hatte.
Mit den dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren und den großen nahezu katzenähnlichen Augen hätte er wohl niemanden an einen Teddy erinnert. Er sah so zerbrechlich und vertrauenserweckend aus, wie er da nur rumsaß. Und dieser Blick... War das ein Trick von ihm, wie er mich eventuell am besten ausnutzen konnte oder war dieser Junge wirklich so ehrlich, wie seine Miene wirkte?
Ich wusste es nicht und würde es nie erfahren und daher fragte ich nicht lange.
"Das Auto war mein Ausweg aus diesem ständig gleichen Rhythmus dieser toten Stadt... Naja... Jetzt ist es hin und ich werd nie weiter kommen, als bis hier! Das mit den Polarlichtern wird auch nichts... Trotzdem danke für die Entschuldigung und das du hier warst... Ich glaub, ich geh jetzt, rauch eine und stürz' mich von 'ner Brücke... Dann bin ich..." Weiter kam ich nicht, denn der Teddybärenjunge unterbrach mich. "Das wirst du ganz sicher NICHT!", schrie er mich wütend an. In seinen Augen schienen sich Tränen zu sammeln. Wohl doch wirklich extrem ehrlich...
Ich stand auf und stellte mich hinter ihn. Dann legte ich ihm beruhigend eine Hand au die Schulter. "Du kennst mich kaum, Kleiner...", murmelte ich traurig.
Christian drehte sich zu mir. Seine Augen wirkten riesig und dennoch glasig. "Aber ich will dich kennen lernen", wisperte er. Seine Stimme war nicht lauter, als das Rascheln der Blätter in einer Sommerbrise und ebenso warm war sie auch.
Ich nickte ganz leicht, war aber wieder mal verunsichert. "Willst du das wirklich?"
Der Junge auf dem Stuhl nickte und lächelte ein winziges bisschen. Er wirkte zögerlich und ebenso verunsichert wie ich es war. "Du kannst für die Zeit mein Auto haben... Ich komm mit zu den Lichtern, wenn es okay für dich ist", er erklärte das so überzeugt, dass mir keine Widerrede blieb. Auch wenn er es anders gesagt hätte, ich hätte ihm zugestimmt.
Langsam nahm ich meine Hand von seiner Schulter. "Komm! Wir müssen raus hier! Ich hab Hunger und momentan sieht es aus, als wärst du der Grund, aus dem wir hier waren." Ich musste leicht lachen.
Verwirrt sah der Junge mit dem Teddycharakter zu mir hoch.
"Lass uns einfach gehn und Pizza essen!", schlug ich vor.
Christian nickte und stand auf. Dann verließen wir das Krankenzimmer.

The St.Jimmy Story (#Wattys2016)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt