Becca PoV
Am Flughafen - eigentlich eher ein Flugplatz, graue Landefläche und ein kleines Gebäude - war kaum eine Menschenseele zu sehen und außerdem war es kalt, ganz untypisch für die Gegend. Fröstelnd rieb ich mir die Arme und knöpfte mit klammen Fingern den schicken Mantel zu, den Ivy mir geliehen hatte, „für den Anlass". Toller Anlass, echt. Frierend und allein an einem Flughafen zu stehen, das war wirklich ein Grund um einen teuren Mantel zu tragen. Ich sah mich noch einmal um. Um die Ecke verschwand gerade ein gelbes Auto, um eine andere bog ein blaues, dahinter schlängelte sich eine krachende Reihe lauter Motorräder durch den Verkehr, wild hupend und riesige Wolken von Abgasen ausstoßend. Durch den ganzen aufgewirbelten Staub konnte man gar nichts sehen, nicht zuletzt weil alle Farben in meiner Umgebung scheinbar in einem unspektakulären Grauton verschwanden. Düster starrte ich geradeaus auf die niemals endende Reihe schwarzer und grauer Mopeds. Nur ein einziges hatte überhaupt eine Farbe, nur leider keine schöne. Strahlend scharlachrot stach dieses Motorrad aus dem Grau heraus, jedoch nicht minder laut hupend. Ich hörte einen Krach, einen verärgerten Aufschrei und sah weg. Mein Gott, andere fuhren auch Autos! Fühlten diese Leute sich zu cool dafür oder waren sie einfach nur lebensmüde?
„Becca! Da bist du ja!", hörte ich eine Stimme neben mir und drehte mich um. Direkt vor meinem Gesicht schwebte das wunderschöne Antlitz meiner besten Freundin Hexe. Ich nickte. „Da bin ich."
„Gut. Sheila? Sheila!" Hektisch wandte Hexe sich an ihre Kollegin und reichte ihr einen Schlüssel und ein Stück Papier. „Wo ist denn nur Thomas?" Sheila zuckte nur die Achseln und sagte: „Thomas? Ach der! Auf ihn werden wir wohl noch warten müssen."
Beim Namen Thomas war ich hellhörig geworden. Natürlich gab es reichlich Thomas' auf dieser Welt, aber es könnte ja sein... nein. Unmöglich. So ein Kotzbrocken konnte keinesfalls ein Schauspieler sein. Ich schob den Gedanken an die Sache von gestern beiseite und folgte Hexe in das Flughafengebäude. Irgendjemand hatte sich meines Koffers angenommen, denn ich fand ihn auf dem Band wieder, knallrot wie dieses Motorrad von eben. Hexe redete die ganze Zeit nonstop auf mich ein, doch ich hörte nur mit halbem Ohr zu, so berauscht war ich von diesem Gefühl. Ich könnte Schauspielerin werden. Ich war auf dem Weg eine zu werden. Und ich war in der sechsten Runde eines Castings. Etwas, was ich mir nie hätte träumen lassen. Die Angst war verschwunden.Die Sitze der kleinen Privatmaschine waren viel zu bequem und es dauerte nur Minuten bis ich mich in einem Dämmerzustand befand, und das bevor wir überhaupt gestartet waren. Menschen murmelten monoton um mich herum und schienen mich in den Schlaf zu wiegen. Manchmal sprach jemand etwas lauter und beförderte mein Bewusstsein damit ein Stück nach oben, aber im Großen und Ganzen befand ich mich ziemlich weit unter der Oberfläche des Bewusstseins. Noch ein bisschen weiter und ich würde mich im Tiefschlaf befinden. Oh Gott, wie lange schon hatte ich nicht mehr vernünftig geschlafen geschweige denn darüber nachgedacht, wie wichtig das war? Es tat so gut hier unter Wasser herumzuschwimmen, Gemurmel im Kopf, das sich zu einer leisen, wunderschönen Melodie zusammenfügte. Ein kleiner Ton von der Base drum und schon setzten langsam und träge die Geigen wieder ein, begleitet von gedämpften Stimmen...
Ein lauter Einsatz der Rhythmusgruppe ließ mich dicht an die Oberfläche schießen, ein kräftiges E-Gitarrensolo und ich war wieder wach, das Orchester verschwunden. Stattdessen stand dicht neben dem Flugzeug ein knallrotes Motorrad, von dem ein Junge sprang. Er schien total überfordert zu sein mit all den Dingen, die er zu tun hatte. Mit einer Hand hielt er das Handy fest, in das er sprach, während er mit der Linken dazu gestikulierte und das ohne den Koffer loszulassen. Sein rechter Fuß stützte das Motorrad, der andere war damit beschäftigt, den Schlüssel hochzuhieven oder es wenigstens zu versuchen. Ich konnte mir ein leises Lachen nicht verkneifen. Zumindest zu dem Zeitpunkt, in dem ich den Jungen nur von hinten sehen konnte. Als er sich umdrehte brodelte zwar etwas in mir wütend auf: das war doch der Typ von gestern! Dieser arrogante Kotzbrocken, der mir nicht einmal helfen wollte, etwas aufzuheben, was er hinuntergeschmissen hatte! Der dann so seltsam zu mir war, der mit mir geflirtet und mich total verwirrt hatte. Dieser arrogante, verwirrende Kerl - hier? Doch andererseits, ganz tief in mir drin, wusste ich es schon: es war um mich geschehen.
Seit Thomas (er hatte sich mir mit einem leichten Lächeln vorgestellt und mir seinen Namen genannt als wären wir uns nie begegnet) im Flugzeug war, hatten wir noch kein einziges Wort miteinander gewechselt. Überhaupt schien niemand mit mir reden zu wollen, Lily Irgendwas, die zwei Plätze hinter mir saß, am allerwenigsten. Irgendwann hatte ich meine Kopfhörer rausgeholt, die Augen immer noch auf Thomas' verwuschelten Hinterkopf gerichtet. Die Musik rauschte viel zu laut und total verzerrt in meinen Ohren und nach einer Zeit schaltete ich sie ab, schloss die Augen, versuchte mir eine Mütze Schlaf zu holen. Als ich aufwachte, schien die Sonne, zwar schaute sie nur ab und zu hinter den dichten, grauen Wolken hervor, aber immerhin - sie schien. Draußen regnete es ein bisschen, doch das hatte ich auch nicht anders erwartet, schließlich waren wir hier in Seattle, einer Stadt, in der es ungefähr zweihundert Tage im Jahr regnete. Mindestens. Oder auch nicht, so genau hatte ich dann doch nicht recherchiert.
„Rebe- Becca McKenzie, Lily Andrews, Ashley Condrey..." Hexe las eine ellenlange Liste mit verschiedensten Namen vor, machte Häkchen auf irgendeiner Liste und erlaubte uns dann, das Flugzeug zu verlassen; unser Gepäck würde direkt an das Hotel geliefert werden, wir würden mit dem Taxi hingefahren werden.
Als ich ausstieg, sah ich etwas, was dem grauen Flugplatz zuhause in keinster Weise ähnelte. Direkt neben dem Flieger erstreckte sich die gläserne Wand eines riesigen Gebäudes in den Himmel, leuchtende Reklamen priesen durch die Fenster die verschiedensten Waren an, da oben war eine CCTV, direkt daneben ein Bildschirm, der unsere circa dreißigköpfige Gruppe zeigte, wie sie sich auf das Glasgebäude zubewegte. Als ich unter dem Bildschirm angekommen war, sah ich kurz nach oben und starrte meinem schwarz-weißen Ich entgegen, mit total zerstrubbeltem Haar.
„Zufrieden?", hörte ich jemanden hinter mir höflich fragen. Ohne dass ich mich umdrehen musste, wusste ich, wer gesprochen hatte, obwohl ich erst zwei Mal mit ihm geredet hatte. Thomas. Ich seufzte. „Womit?"
„Mit deinem äh... Aussehen?" Thomas lächelte schelmisch und zog an mir vorbei, das Handy in der Hand. Schneller als ich gucken konnte, hatte er eine Nachricht eingegeben und steckte das Handy wieder weg. Dann verschwand er hinter der Drehtür. Ich sollte ihn eine ganze Weile nicht wiedersehen. Und ahnte nicht, dass es mich so bedrücken würde.
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Newcomer ☆Abgebrochen☆
De Todo"I bloody love you." Diesen Satz habt ihr bestimmt schon mal auf einem Google-Bild gesehen und ich habe ihn mir zum Motto gemacht und mir vorgenommen, das gewünschte Buch dazu zu schreiben! Für dich, @Darkshadow_99!♥ Beccas Leben ist von...