Teil 8

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Jede Woche danach verging unerträglich langsam, ich vermisste Tims Nähe, die ich zwar nur so unglaublich kurz genießen durfte, die mich aber auch gleichzeitig wie eine Droge nach dem ersten Mal probieren süchtig machte.

Jede Stunde, Minute, jede Sekunde vermisste ich seine Wärme, seinen Geruch- seine ganze Anwesenheit und es trieb mich in den Wahnsinn.

Seit einer Weile ließ ich sogar meinen PC aus und verließ meine Wohnung nur noch im äußersten Notfall, gegessen hatte ich noch weniger, unregelmäßig und ich wurde noch dünner.

Ich wusste, dass ich ihn brauchte, er mich aber nicht und es war eine Qual, das alles auszuhalten, doch ich wollte keine neuen Narben oder Wunden, ich wollte, dass es weg ging, wollte stark bleiben, beweisen, dass ich genau so gut ohne ihn klar kam, doch es ging einfach nicht.

Es war die reinste Hölle.

Irgendwann bekam ich eine Nachricht von Tim, ob es mir gut ging, warum ich nicht mehr auf Skype online war oder im TS gammelte und ob ich an Weihnachten schon etwas vor hätte.

Verwirrt schaute ich auf das Datum auf meinem Display.

Tatsächlich.

Bald war Weihnachten.

Er wollte sich mit mir treffen und Weihnachten verbringen.

Ohne weiter darüber nachzudenken sagte ich zu.

Meine Familie würde es ganz bestimmt verstehen und wenn ich ehrlich bin, war es mir scheiß egal, ob sie sich aufregen würden oder nicht, ich brauchte Tim, ich brauchte seine Nähe und wenn ich sie nicht bekam, würde ich durchdrehen.

Eine Weile schrieben wir noch zusammen und ich grinste die ganze Zeit über vor mich hin.

Ich würde ihn wieder sehen, spüren, hören dürfen, ich dürfte in seiner Nähe sein und ich freute mich darauf, als wäre ich ein kleines Kind, das sich auf seinen fünften Geburtstag freut.

Die Zeit verging unglaublich langsam und ich zählte jeden Tag, der verging, bis ich Tim endlich wieder besuchen könnte, bis es endlich so weit war.

Meine Tasche hatte ich bereits gepackt und dieses Mal würde ich ganze zwei Wochen bei ihm sein dürfen.

Ein Geschenk hatte ich sogar auch für ihn und die ganze Zugfahrt über war ich aufgeregt, hibbelig und am grinsen wie so'n Vollpfosten und als endlich die richtige Haltestelle angesagt wurde, sprang ich regelrecht von meinem Platz auf, stolperte aus dem Gefährt und schaute mich um, konnte Tim jedoch weit und breit nicht entdecken.

Leicht enttäuscht erinnerte ich mich daran, dass wir uns das letzte Mal beim Eingang getroffen hatten und begab mich dort hin, natürlich nicht, ohne dass ich mich die ganze Zeit nach ihm umsah.

Am Eingang blieb ich stehen und gerade, als ich ihm eine Nachricht schreiben wollte, wo er denn blieb, hörte ich wie beim letzten Mal sein Lachen und schaute auf.

Ich sah den Braunhaarigen auf mich zu kommen, stolperte die Treppen hinunter und fiel ihm um den Hals.

"Hey, nicht so stürmisch!", lachte er, schloss mich jedoch ebenfalls in seine Arme und wirbelte mich ein Mal herum, bevor er mich wieder absetzte.

"Ich hab dich vermisst, Timmy...", nuschelte ich glücklich mit geschlossenen Augen in seine Jacke, während ich mich näher an ihn schmiegte und er lachte wieder, senkte seinen Kopf und drückte mich ebenfalls näher an sich, bevor er ein: "Ich dich auch, Stegi." grinste.

Wir blieben eine Weile so stehen, bevor wir dann endlich zu ihm gingen und ich wie ein Wasserfall brabbelte, wie langweilig es doch die ganze Zeit über war.

"Ist echt rein gar nichts bei dir passiert?", fragte er plötzlich. "Kein lustiges Ereignis, kein Stress mit deiner Familie, weil du Weihnachten über bei mir bist?"

Doch, es ist was passiert, sehr viel sogar, allerdings gab es rein gar nichts lustiges oder tolles, bis auf das Treffen, auf das ich so sehnsüchtig gewartet habe.

Dass ich die ganze Zeit an nichts anderes denken konnte, fast durchgedreht bin, quasi auf Entzug war, konnte ich ihm alles nicht erzählen und Stress mit meiner Familie hatte ich auch nicht, weil sie wussten, was ich für Tim fühlte.

Ich schüttelte also den Kopf. "Bei dir?"

Er erzählte mir, dass er und seine Freundin einen Streit hatten und dass sie sich getrennt hatten, als ich jedoch wissen wollte, worum es in dem Streit ging, meinte er, es wäre belanglos und unnötig gewesen und dass er nicht darüber reden wollen würde, weswegen ich meine Klappe hielt.

Bei ihm zu Hause zockten wir wieder, machten Quatsch und es war das totale Gegenteil von meinem Alltag: Es war nicht die Hölle, sondern der Himmel, in dem ich mich befand, wenn ich hier zusammen mit ihm war.

Den dritten Tag, an dem ich da war, schmückten wir den Baum und machten uns einen Filmabend, wobei er unbedingt Horrorfilme schauen wollte...

"Tiiiimmmm!", quängelte ich. "Müssen wir wirklich Horrorfilme schauen...?"

"Wir haben abgemacht, dass du einen Film aussuchen darfst, genauso wie ich einen aussuchen darf, Stegi.", antwortete er, als wäre er meine Mutter und ich versuchte weiterhin, ihn davon zu überzeugen, doch lieber etwas anderes zu gucken, doch irgendwie klappte das ganze nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte...

Ich hatte bereits zugegeben, dass ich scheiße Angst vor Horrorfilmen hatte und dass er sich noch irgendwas anderes wünschen könnte oder sowas, wenn wir einen anderen Film gucken würden, doch er ließ sich nicht überzeugen, weswegen wir doch dabei hängen blieben.

Auf dem Tisch standen Knabbersachen, Süßigkeiten und Getränke, auf dem Sofa lagen Kissen und Decken und es war nur das kleine Licht der Lichterkette des Tannenbaums an, anstatt das große und auch, wenn die Atmosphäre gerade nicht wirklich zu einem Horrorfilm passte mit dem ganzen Kram, wusste ich, dass Tim das Licht komplett aus machen würde, wenn der Horrorfilm an der Reihe sein würde und ich hatte wirklich ziemliche Angst.

"Müssen wir den Film wirklich schauen?", versuchte ich noch ein letztes Mal mit einem leidenden Gesichtsausdruck und einem verzweifelten Unterton in meiner Stimme mein Glück, doch er blieb standhaft, weswegen wir es uns nur auf dem Sofa gemütlich gemacht hatten und ich ruhig war.

Immerhin hat er zugestimmt, meinen Film zu erst zu gucken, aber ich solle bloß nicht auf die Idee kommen, mich davon zu schleichen oder etwas derartiges zu versuchen, um seinem Film zu entgehen und ich wusste genau, dass wenn ich das tat, ich total am Arsch war, weswegen ich nichts machte.

Als mein Film zu Ende war, bekam ich erst so richtig Bammel, meine Hände schwitzten, mir war abwechselnd eiskalt und viel zu heiß und mein Herz pochte stark, während mein Atem beschleunigt war.

Tim legte den Film ein, setzte sich wieder neben mich und ich schluckte schwer, als er ihn startete.

I just want your heart ~ StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt