39. Kapitel

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39. Kapitel

Fassunglos starrte ich meine Mutter an, die blutend auf dem Boden kniete. Ich stand vollkommen unter Schock, als ich ihr erschrockenes Gesicht sah, ihre Augen waren geweitet, der Mund geöffnet, keuchend versuchte sie zu atmen.

Sie konnte ihren eigenen Tod nicht begreifen. Blut lief aus ihrem Mundwinkel und aus ihrer Brust. Ich wollte zu ihr laufen und ihr noch ein letztes Mal in die Augen sehen, bevor sie starb.

Doch als ich den ersten Schritt machte, packten mich mehrere Hände von hinten und hielten mich fest. Ich schrie und zerrte und zappelte, um dem festen Griff zu entkommen, doch die beiden Männer waren einfach zu stark.

"Mom...nein, bitte. Mom- sieh mich an, okay? Alles wird gut, okay! Alles wird gut, das verspreche ich dir! Mom- bitte sieh mich an!", immer wieder brach meine Stimme ab, ein seltsamer Geschmack breitete sich in meinem Mund aus.

Mom drehte den Kopf und sah zu mir. Augenblicklich begannen die Tränen zu fließen. Sie sah mich an und strahlte, ausgerechnet jetzt lächelte sie.

"Ich bin so stolz auf dich und ich wollte immer dass du das weißt! I- ... i-ich liebe... di- dich Süße!", ihre Stimme klang heiser und gebrechlich. Sie musste immer wieder kurze Pausen machen, dann hustete sie, ihre Atmung wurde immer langsamer.

Und irgendwann sackte sie endgültig zusammen, ihr Kopf knallte auf den kalten Waldboden und sie bewegte sich nicht mehr, kein Geräusch war von ihr zu hören.

Ich schrie noch lauter, mein Schluchzen durchtönte die Stille der Nacht. "Mom...-bitte wach wieder auf! Mom, wach doch auf!! ICH BRAUCHE DICH DOCH!! MOM...NEIN!", meine Stimme wurde heiser und ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals.

Charlie lächelte immer noch boshaft, offenbar kümmerte ihn der Tod meiner Mutter überhaupt nicht, ganz anders Dad, der mit bleichem Gesichtsausdruck hinter Charlie und Cromwell, dem Bäcker stand und mit schuldigem Blick auf Moms erschlafften Körper starrte.

Der Dorfälteste zeigte auf ihren Körper und starrte Dad an. "Das hättest du tun sollen, Robert! Hörst du! DAS WÄRE DEINE AUFGABE GEWESEN!!", er war auf Dad zugetreten und hatte ihn am Kragen gepackt. Jetzt hob er ihn wenige Zentimeter an.

Charlie ließ ihn herunterplumpsen, sodass er ungünstig und wacklig zu stehen kam. Er traute sich nicht ihm in die Augen zu sehen, stattdessen sah Dad auf den Boden, worauf Charlie ein Schnauben hören ließ.

Der Älteste wandte sich wieder mir zu uns sah mir mit einem diabolischen Grinsen in die Augen. Mein Zähne klapperten leise, immer wieder musste ich an Mom denken und an das, was passiert war, ich hatte die ganze Situation noch gar nicht richtig begriffen.

Mein Körper hatte auf Durchzug geschaltet, ich blendete sämtliche Emotionen aus, in der Hoffnung, dass sie mich nicht überrennen würden, doch tief in meinem Inneren wusste ich, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis diese Mauer in mir brechen würde.

"So, du Monster. Und jetzt zu dir!", Charlie kam gemütlich einige Schritte aif mich zu geschlendert, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Die übrigen Dorfbewohner starrten ausdruckslos in der Gegend herum. Als wäre nichts gewesen.

Charlie bemerkte wie mein Blick auf ihren leblosen Körper fiel und lachte. "Ach Kindchen, keine Sorge du wirst schon bald wieder mit deiner Mutter vereint sein. Sie war nur eine Sympathisantin. Etwas zu viel mütterliche Liebe, wenn du mich fragst. Aber sie war nur ein Symptom, eine lästige Person, die dem Frieden im Weg steht.", er grinste und fuhr dann fort.

"Aber du Kindchen, du bist die Krankheit, der Fehler im System, die unbekannte in der Gleichung. Und diese muss ausgemerzt werden. So verlangt es das Gesetz Gottes. Und wir als Diener Gottes, werden es ausführen.", endete er und fuhr mit seinen blutverschmierten und kalten Fingern über meine Wange.

Ich wand mein Gesicht aus seinen Händen. Ich musste mich immer mehr anstrengen nicht die Kontrolle zu verlieren, Charlies Worte entfachten eine Wut in mir, die ich langsam aber sicher nicht mehr in mir halten konnte.

Mein Überlebensinstinkt gewann die Oberhand über meinen Körper und mein Kopf ratterte sämtliche Fluchtmöglichkeiten ab, die mir auf die schnelle einfielen. Die Zeit wurde immer knapper, das spürte ich innerlich.

Je länger Charlie so nah neben mir stand, desto schneller schlug mein Herz. Mir war klar, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb. Und wenn ich wirklich entkommen wollte, würde ich einen mächtigen Zauber sprechen müssen. So viel hatte Leila mir schon erklärt.

Doch meine Gedanken entglitten mir immer wieder, zu viel war passiert, als das ich jetzt rational an einen Ausweg denken konnte. mich zu konzentrieren wurde von Sekunde zu Sekunde anstrengender und komplizierter.

Dass ich ihren Leichnam im Augenwinkel die ganze Zeit im Blick hatte, erschwerte es mir zusätzlich. Ich musste mir klar machen, dass ich für Sentimität jetzt keine Zeit hatte. Ich musste einen Weg hier raus schaffen und ich war weiterhin auf mich allein gestellt.

Auf meinen Vater konnte ich jedenfalls nicht zählen, er würde nie den Mumm dazu haben sich zu gegen Charlie und Deather zu erheben, lieber würde er sterben. Ich zitterte immer noch am ganzen Körper, meine Atmung hatte sich ebenfalls nicht beruhigt, ich war aufgewühlt wie ein emotionales Wrack.

Aber vielleicht war das die Chance, wenn ich all meine Emotionen in den Zauber stecken würde, dann könnte er stark genug sein. Ich begann die Emotionen in mir zu bündeln, sie auf einen Punkt zu konzentrieren, sodass ich den Zauber würde sprechen können.

Denn lange würde Charlie mich nicht mehr leben lassen. All meine Wut auf Charlie, auf Dad, eigentlich auf jeden machte mich stärker. Und dann geschah alles beinahe wie von selbst.

Als seine Finger erneut meine Wange streiften, sprang der Funken über. In einem Schwung aus Adrenalin riss ich mich los und berührte den matschigen Boden. Der Bezug zur Erde, hakte ich gedanklich ab und langsam und tief weiter.

"Was willst du jetzt tun, Kindchen? Wie willst du denn jetzt noch gewinnen? Nur du gegen alle von uns.", Charlie schüttelte grinsend den Kopf. Seine Worte klangen als wollte er mich bemuttern. Schnaubend erhob ich mich und sah Charlie in die Augen.

"Du hast eine Sache vergessen, Charlie. Ich bin eine Hexe. Das scheinst du offenbar vergessen zu haben. Nur leider wird das dein Untergang sein. Ich habe schon längst gewonnen.", in seinen Augen schwand jegliche Überheblichkeit und wich Angst von Schlag auf Schlag waren sich die Dorfbewohner doch nicht mehr so sicher.

Nach einem letzten Atemzug ließ ich die angestaute Energie frei. Bunte funken sprühten nur so aus dem Boden und ich begann zu schreien. Diruptio ex viras ex impetus. Immer wieder verließen die Worte meinen Mund und schossen eine neue Magiewelle auf meine Gegner ab.

Sie krümmten sich und nach wenigen Sekunden lagen sie alle ohnmächtig auf dem Boden. Doch sie würden wieder aufwachen. So grausam war ich dann auch nicht. Die Magie hatte mich leider noch mehr aufgewühlt, als ich es eigentlich wollte.

Ich spürte innerlich, wie meine Mauer bröckelte. Diesen Nablick konnte ich nicht länger ertragen. Und dann rannte ich los. So schnell ich konnte durchquerte ich den Wald, ohne noch einmal zurück zu blicken.


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So auch mal wieder ein neues Kapitel von mir :)) In NRW (wo ich wohne) waren Ferien und ich hatte noch Klausuren, deshalb hat es etwas länger gedauert. Ich hoffe ihr hattet oder habt noch schöne Ferien und bis bald ;)





Wake of a WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt