Kapitel 5

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~~ Harry ~~

Diese Frau wurde immer mysteriöser. Erst lässt sie mich abblitzen, dann lässt sie sich von mir küssen, bevor sie mich wieder abserviert.
Was sollte das? War das ein krankes Spiel oder was? Wenn hier einer spielt, dann war ich das. Ich weiß ja, dass ich überstürzt gehandelt habe, aber sonst hat diese Masche eindeutig funktioniert. Wenn ich sie anders nicht rum kriegen sollte, dann wollte ich sie wenigstens so bekommen. Und sie hat den Kuss erwidert anfangs...

Traurig sah sie mich an. Es war deutlich zu sehen, dass ihr diese letzten Worte schwer fielen. Sie hat den Kuss genauso genossen wie ich, das war klar. Doch warum stieß sie mich dann weg? Und dann der Zusammenbruch...

Es war schon seltsam genug, dass ich mir überhaupt über so etwas Gedanken machte. Normalerweise liefen die Frauen mir hinterher und nicht umgekehrt.
Die letzten zwei Tage verbrachte ich damit, sie mir aus dem Kopf zu schlagen und mich durch Arbeit abzulenken.
Was ja offenbar super geklappt hatte.
Doch auch meine Geduld hatte irgendwann ein Ende.
Ich setzte meine Maske auf, die ich mir die letzten Jahre angeeignet hatte und trat einen Schritt zurück.

"Wenn es das ist, was du willst. ", meinte ich kühl und sah sie herausfordernd an.
Sie lehnte sich an die Wand, als wäre sie erschöpft, sah mich immer noch an und nickte dann zaghaft.
Mann, sie wollte es doch auch. Warum verhielt sie sich dann so? Vielleicht hatte sie einen Freund oder war gar verheiratet...
Das würde erklären, warum sie ihre Gefühle unterdrückt.

Wer nicht will, der hat schon. Sauer drehte ich mich um und ließ Emily einfach in dieser Gasse stehen. Sollte sie sich doch jemand anderes zum Verarschen aussuchen. Ich machte dieses Theater jedenfalls nicht mehr mit. Nicht schon wieder!
Ich fuhr zurück zur Firma, wo mich eine leicht nervöse Sekretärin erwartete. Ich verstand beim besten Willen nicht, warum so viele Angestellte Angst vor mir hatten.
"Was gibt's, Lucy? ", fragte ich gerade raus und zugegebenermaßen nicht sehr freundlich .
Ich hatte weder die Lust noch Laune, mir ihre Probleme anzuhören. Nur weil ich sie einmal durchgenommen hatte, sollte sie sich keine Hoffnungen machen.
Sie wusste, worauf sie sich eingelassen hatte. Das wussten sie alle.

" Ihre Mutter wartet in Ihrem Büro, Mr. Styles. ", erklärte sie leise.
Aha. Daher wehte der Wind. Sie wusste, dass ich mich nicht gut verstand mit meiner Mutter, daher ihre zaghafte Antwort. Bei ihrem letzten Besuch ging eine Fensterscheibe zu Bruch.
Ohne etwas zu erwidern steuerte ich genervt auf mein Büro zu. Das hatte mir heute gerade noch gefehlt.

Widerwillig öffnete ich die Tür und ging, ohne meine Mutter anzusehen, die auf der Couch saß, direkt auf zu meinem Schreibtisch und setzte mich. Seufzend stand sie auf und kam zu mir, um auf einem der Besucherstühle Platz zu nehmen.
"Mutter? ", war meine knappe Frage für den Grund ihres Besuches.
Sie starrte mich an. Ihre braunen Haare waren leicht ergraut und Falten zeichneten ihr Gesicht. Sie sah wirklich... erschöpft aus. Doch das interessierte mich nicht.
Es hatte sie auch nicht interessiert wie es mir ging, als sie mich wegen einem Kerl verließ,  als ich erst zehn Jahre alt war. Ich musste bei Verwandten leben, damit sie sich amüsieren konnte. Und gehalten hatte das ganze fünf Monate. Dann wollte sie mich zurück holen, doch es war zu spät. Durch den Wohnungswechsel und somit auch Schulwechsel wurde das Jugendamt aufmerksam und steckte mich in ein betreutes Heim.
Mit Beginn der Volljährigkeit startete meine Karriere als Musiker. Ich wollte von meiner sogenannten Familie nichts mehr wissen. Der Ruhm kam schnell und mit ihn auch das Geld.

Doch irgendwann reichte mir das nicht mehr.
Ich gründete meine Plattenfirma und durch meine Bekanntheit fanden immer mehr Stars den Weg zu mir. Mittlerweile hatte ich in den 3 Jahren mindestens zehn Talente entdeckt, sei es auf der Straße oder sonst wo, die nun weltberühmt waren.
Das ich den größten Teil des Geldes einsackte, stand mir meiner Meinung nach mehr als zu. Schließlich hatte ich sie entdeckt und berühmt gemacht.

"Harry. Können wir denn nicht einmal vernünftig miteinander reden? Du weißt, wie sehr ich alles bereue. Bitte Harry - ", stotterte sie, bevor ihre Stimme komplett abbrach. Ich sah sie finster an.
" Was tut dir denn leid, Mutter? Dass der Kerl dich hat sitzen lassen? Oder dass du mich nicht ein einziges Mal im Heim besucht hast? Oder dass es dir nicht gelingt, dich bei mir einzuschleimen, um an mein Geld zu kommen? Sag es mir! Ich würde es wirklich gerne wissen! ", schrie ich sie an. Wütend fuhr ich mir durch die Haare, bevor ich etwas ruhiger weitersprach.
" Ich würde jetzt gerne arbeiten, wenn du erlaubst?! "
Diese Aufforderung verstand sogar ein Affe, nur Karen Styles nicht. Verdutzt und verletzt sah sie mich an. In ihren grünen Augen, die ich von ihr geerbt hatte, schimmerte es.

" Harry, ich war Alkoholikerin. Ich wollte zuerst die Therapie zuende machen, bevor ich dir unter die Augen trete, aber die vom Heim ließen mich dann nicht mehr zu dir. Ich habe jede Woche nach dir gefragt und - "

" Ja, ja, ja, bla, bla bla... Spar dir das. Du bist wie 'ne Schallplatte mit Sprung... Geh jetzt. Und ich sage das nicht noch einmal! ", unterbrach ich sie schroff. Sie erhob sie daraufhin endlich mit einem Schniefen und verließ mit gesenkten Schultern mein Büro.
Meine Fresse! Wie kann man nur so begriffsstutzig sein?!

Der Tag heute war auf jeden Fall im Arsch. Ich konnte so nicht arbeiten.
Also ließ ich mir von Lucy meine anstehenden Termine für diese Woche aufzählen.
Einen konnte ich heute erledigen. Das würde mich etwas ablenken.
Ein von mir entdeckter Sänger sollte bald im großen Memorial Waisenhaus singen. Für die publicity natürlich. Presse etcetera würde auch erscheinen. Das musste ich nur noch mit dem Waisenhaus abklären.

Also machte ich mich auf den Weg dorthin.

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