Kapitel 11

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~~ Emily ~~

Mit Tränen in den Augen saß ich nun da. Ich durfte nicht einmal nachsehen, wie es ihm ging oder was er jetzt machte. War er geschockt? Verletzt? Verwirrt? Sauer?
Wahrscheinlich alles zusammen.
Ich seufzte erneut und ließ mich zurück auf die Couch fallen, auf der ich saß. Vor mir saß Silas hinter seinem Schreibtisch und schaute mich herausfordernd an. Er erwartete meinen ausführlichen Bericht, doch ich war gerade absolut nicht in der Lage, alles erlebte wiederzugeben. Abgesehen davon hätte ich die intimen Stellen sowieso ausgelassen.

"Emily. Reiß dich gefälligst zusammen. Du bist ein Engel und hast Verpflichtungen. Ich gebe dir etwas Zeit um dich zu sammeln. Doch dann erwarte ich Ergebnisse. Du darfst gehen. ", herrschte Silas mich an.
Er war sichtlich enttäuscht und sauer. Das wäre ich an seiner Stelle auch, aber was hätte ich denn tun sollen? Ich hatte keine Kontrolle über meine Gefühle.
Ich liebte diesen Menschen.
Doch nun war es vorbei und es gab kein zurück. Vermutlich durfte ich nie wieder auf die Erde.

Mit gesenktem Kopf verließ ich Silas' Büro und ging in den Garten. Hier sah es aus, wie sich wahrscheinlich jeder das Paradies vorgestellt hatte. Blühende Blumen, Wasserfälle, grüne Wiesen, stets blauer Himmel und ein angenehmes Klima. Kinder spielten miteinander und die verstorbenen Seelen genossen es, wieder mit ihren Verwandten zusammen zu sein.

Dieser Anblick hatte mich immer aufgeheitert. Nicht so jedoch heute. Es schien, als ergebe nichts mehr Sinn. Wofür noch schuften? Ohne Harry kam mir alles trostlos vor. Ich fühlte mich leer und ausgelaugt.
Obwohl ich doch erst gerade angekommen war im Himmel.
Das war also der berühmte Liebeskummer.
Bisher liebte ich mein Dasein als Engel. Ich konnte Menschen helfen und das füllte mich aus. Doch nun schien alles sinnlos. Ich wollte nur in seine grünen Augen sehen, darin versinken.. Durch seine Locken fahren mit den Fingern und ihn küssen. Auch wenn das sehr ungezogen war und ich mich eigentlich für solche Gedanken schämen müsste, tat ich es nicht.

Ich setzte mich an einen Baum und dachte einfach nur nach. Ging es ihm genauso? Vermisste er mich genauso wie ich ihn? Was er jetzt wohl machte? Mein Herz zuckte kurz zusammen bei den ganzen Gefühlen, die mich überkamen. Das erste mal in meinem Leben fühlte ich mich frei und geliebt und dann wurde es mir aufgrund von irgendwelchen Verpflichtungen weggenommen. Er wurde mir weggenommen. Wir waren doch Engel? Warum taten sie mir das dann an?

Die Zeit hier oben verging anders als auf der Erde. Wenn hier eine Stunde verging, war auf der Erde bereits ein Tag vergangen.

Trostlos beobachtete ich all die glücklichen Seelen, bis mir plötzlich jemand bekanntes ins Auge stach.

Karen saß dort am Ufer des Sees und schaute auf das Wasser hinaus.
Harrys Mutter sah nicht zufrieden aus. Sie schien nachdenklich und ich beschloss, zu ihr zu gehen. Auch wenn ich zu ihren Lebzeiten keine Gelegenheit hatte, sie kennenzulernen.
Ich setzte mich einfach zu ihr und begrüßte sie freundlich.

"Bist du auch so ein Engel? ", fragte sie, einen kurzen Blick auf mich werfend. Wir Engel hatten im Himmel eine gewisse Aura. Ein leichtes Leuchten ging von uns aus, damit die Seelen uns von ihnen unterscheiden konnten.

" Ja, aber ich bin nicht nur das. Ich kenne Harry. ", erklärte ich ihr woraufhin sich ihr Gesichtsausdruck schlagartig änderte. Zuerst strahlte sie und im nächsten Augenblick riss sie geschockt die Augen auf.

" Er ist doch nicht - ", begann sie mit Tränen in den Augen.
Ich berührte sanft ihren Arm um sie zu beruhigen.
" Nein, keine Sorge, er lebt. "
Karen atmete erleichtert auf.
Ich erzählte ihr in Kurzform von meinem Auftrag und meinen Erlebnissen auf der Erde. Sie hörte mir aufmerksam zu und schmunzelte bei der Erwähnung, dass Harry und ich uns näher gekommen waren.
Als ich zu ende erzählt hatte, musste ich mich wirklich zusammenreißen, um nicht los zu heulen. Harry... Ich vermisste ihn so sehr.

Doch dann hatte sie plötzlich eine Idee.
"Ich glaube, ich kann dir vielleicht helfen. ", grinste sie verschwörerisch, während ich sie nur perplex ansah.
Wie sollte sie mir helfen können?

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