Kapitel 9

119 14 0
                                    

So, der letzte Tag.
Mit mulmigem Gefühl wachte ich auf. Was würde heute passieren?
Ich machte mich im Bad fertig und gerade als ich zur Tür raus war, klingelte es auch schon. Emily war früh dran heute. Sie meinte, sie habe eine Überraschung für mich.

Ich öffnete die Haustüre, um eine strahlende Emily zu entdecken. Sie trug ein weißes Sommerkleid mit Blumen und Ballerinas dazu. Ihre blauen Augen leuchteten. Die blonden Locken fielen in großen Wellen über ihre Schultern.
Sie sah aus wie ein Engel.
"Können wir? ", meinte sie leicht amüsiert. Anscheinend hatte ich sie angestarrt.
Ertappt räusperte ich mich und schnappte mir Portemonnaie und Schlüssel und verließ das Penthouse.

Da ich nicht wusste, wohin wir gingen, folgte ich Emily einfach.
Zuerst wollte sie frühstücken gehen, was mir nur recht war, da ich ja nichts gegessen hatte.
Anschließend liefen wir in die Stadt und hielten schließlich bei einem Straßenmusiker an.
Er sah ziemlich arm aus mit seinen zerlumpten Kleidern. Doch seine Musik war wirklich gut.
Ich erkannte die Songs nicht, was nur bedeuten konnte, dass er sie selber komponiert hatte.

"Das ist Ben. Er hat nichts außer seiner Gitarre. Er lebt vom einen Tag in den nächsten. Nachdem seine Firma pleite ging, verließ ihn seine Frau. Seitdem lebt er auf der Straße. Nichts währt ewig, Harry. Man sollte schätzen, was man hat. Es kann alles im nächsten Moment vorbei sein. "
Ich dachte über Emilys Worte nach.
Sie hatte recht. Das Leben war wertvoll.
Bevor ich antworten konnte, fuhr sie fort.

" Sieh dir Ben an. Er ist zufrieden. Er hat nichts und ist trotzdem glücklich. Man braucht mehr als ein volles Bankkonto um wirklich glücklich zu sein. "
Ben sang wirklich gut und es schien ihm gut zu gehen. Er lächelte dabei.

Emily zog mich weiter bis in den Park am See. Dort setzten wir uns auf eine Bank.
Die Sonne schien, ein strahlend blauer Himmel bot sich uns. Leicht ungeduldig sah ich zu Emily nach ein paar Minuten. Das war überhaupt nicht mein Ding. Ich war nicht der verträumte Typ, der sich ohne was zu tun einfach im Park herum treibt.
Genervt verscheuchte ich eine Biene, die anscheinend fälschlicherweise etwas süßes an mir roch.

"Jetzt schau doch mal. Lass alle Gedanken frei, entspanne dich. Hör den Geräuschen der Natur zu. ", hörte ich Emilys Stimme leise neben mir.
Sie nahm meine Hand in ihre und lehnte ihren Kopf an meine Schulter.
Ein ungewohntes, aber warmes Gefühl durchfuhr mich.
Was hatte ich schon zu verlieren?

Ich sah mir die Gegend einfach an. Eine ältere Dame ging mit ihrem Pudel spazieren, einige Jogger liefen ihre runden und am Ufer spielten ein paar Kinder.
Sie lachten und hatten einfach Spaß. Unzählige Enten watschelten um ihre Füße, um das Brot zu erwischen, das die Kinder auf den Boden krümelten.

Unwillkürlich musste ich bei dem Anblick schmunzeln. Wann war ich je so unbekümmert und locker? Außer bei Emily seit Jahren nicht mehr. Die Arbeit, der Druck, das alles hatte mich so zynisch und egoistisch werden lassen.

Wie sagte man so schön "Der gebrannte scheut das Feuer". Und so war es. Ich wurde zu oft verletzt und enttäuscht, sodass ich mir eine Mauer errichtete. Eine Mauer, durch die eine Fremde eingedrungen war. Natürlich saß mir der Teufel immer noch im Nacken, doch ich ignorierte ihn. Keinem Menschen könnte ich erklären, was es war, das mich so zu ihr hinzog. Aber sie war der Magnet und ich das Metall. Allein der Gedanke daran, dass sie mich verlassen könnte, ließ sich mein Herz zusammen ziehen...

Eine Weile saßen wir einfach so da und beobachteten alles um uns herum. Ich begann sogar, es zu genießen. Das Rauschen der Blätter der umstehenden Bäume und Büsche war irgendwie beruhigend.

Dann holte uns das Klingeln meines Handys aus der Trance.
Genervt nahm ich ab. "Ja?"

"Spreche ich mit Mr. Styles? Harry Styles? ", fragte mich eine junge Frau. Sie klang irgendwie nervös."Am Apparat ", erwiderte ich knapp.
Ich hoffte, das war nicht so eine Werbetussi, die einen Artikel schreiben wollte. Denn dann würde sie etwas zu hören bekommen.
Doch ihr nächster Satz überraschte mich dann doch.

" Ich rufe aus dem City Hospital an. Ihre Mutter liegt hier auf der Intensivstation. Sie hatte einen Unfall. Sie sollten besser schnell herkommen. "

Kurz dachte ich darüber nach ob das vielleicht ein blöder Scherz sein sollte, jedoch bezweifelte ich, dass meine sogenannten 'Freunde' so einen niveaulosen Scherz mit mir trieben.

" Ich bin gleich da ", meinte ich knapp und legte einfach auf.
Emily sah mich fragend an.
" Meine Mutter hatte einen Unfall und liegt im Krankenhaus. Kommst du mit? ", war das einzige was ich sagte. Sie stand sofort auf und zog mich mit sich.
Mit dem nächsten Taxi fuhren wir ins Krankenhaus.

EngelsmusikWo Geschichten leben. Entdecke jetzt