Kapitel 12

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~~ Harry ~~

Fuck, Fuck, Fuck... War das einzige, was mir in dem Moment einfiel.
Wütend, enttäuscht, verletzt und mehr als alles andere verwirrt lief ich einfach ziellos durch die Straßen bis es dunkel wurde und ich nach Hause ging.
Warum musste sie es mir gerade heute sagen? Jetzt hatte ich zwei Menschen an einem Tag verloren.
Seufzend schmiss ich mich aufs Sofa und erschrak kurz, als das Telefon klingelte.
Die kleine Hoffnung, dass es doch Emily sein könnte, verwarf ich sofort, als ich Joeys Namen auf dem Display erkannte.

Widerwillig hob ich ab. Er würde ja doch nicht locker lassen. Hatte ihm meine Ansage in der Stadt nicht gereicht?
"Was willst du? ", fragte ich direkt schroff.
Ich hatte keine Lust auf irgendjemanden und das sollte jeder merken.

" Hey Alter, komm mal wieder runter. Was ist denn los mit dir? Ich erkenne dich gar nicht wieder. Lass uns einen trinken gehen, dann kommst du auf andere Gedanken. ", schlug er vor und ich zögerte erst.
Ich wollte nicht. Irgendwie hatte Emily es geschafft, mir die Augen zu öffnen. Und sich in Bars besaufen war bestimmt nicht sinnvoll.

Andererseits war ich wirklich deprimiert und brauchte dringend Ablenkung. Deswegen sagte ich schließlich zu.

Eine Stunde später saßen wir in unserer Stammbar. Wenigstens konnte ich Joey überreden, den Rest der Truppe nicht mitzubringen. Ich hatte wirklich keinen Bock auf die.
Die Kellnerin baggerte mich pausenlos an, was mir aber mehr auf den Sack ging als sonst was. Noch vor ein paar Wochen hätte ich sie mir im Hinterzimmer genommen ohne nachzudenken, doch jetzt widerte es mich an. Wer wusste , wie vielen sie es schon besorgt hatte?
Ich erkannte mich selbst nicht mehr, doch so war es.
Joey erzählte ich einfach, dass ich etwas Stress in der Firma hatte und deswegen so drauf war. Er musste nichts von dem Vorfall mit Emily wissen und was wir erlebt hatten zusammen.

Er glaubte mir und erzählte, was ich angeblich so 'Wichtiges' verpasst hatte.
Nach zwei Stunden war es mir zu blöd und ich verabschiedete mich mit einem Vorwand.

Irgendwie kam mir nun alles so trostlos vor. Als hätte mir jemand die Energie gestohlen. Wenn Emily da war, fühlte ich mich angenommen und wohl, ohne mich zu verstellen. Ich musste nicht immer darüber nachdenken, ob sie auch nur hinter meinem Geld her war, wie die anderen Frauen. Entweder wollten sie Sex oder mein Geld, oder beides.
Doch Emily wollte mich, als Person. Obwohl ich so unhöflich war zu ihr anfangs, gelinde ausgedrückt.
Es musste doch verdammt nochmal eine Lösung geben. Einen Weg, sie wieder herzuholen.
Ich war so verzweifelt, dass ich auf direktem Weg zur nahe gelegenen Kirche ging. Schließlich war sie ein Engel. Vielleicht hörte sie mich ja.

Ich betrat das kalte Gemäuer und setzte mich auf die hinterste Bank. Ein ungutes Gefühl überkam mich. Kirchen wirkten immer so kalt auf mich. Kein Ort zum wohlfühlen. Vorne auf dem Altar brannten ein paar Kerzen, sonst war es beinahe dunkel hier. Die einzige Lichtquelle war der Schein des Mondes, der durch die vielen Buntglasfenster strahlte. Auf den Fenstern waren skurrile Figur, die wohl Engel darstellen sollten. Wenn die Menschen wüssten...
Diese Fenster erinnerten mich immer an Horrorfilme.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und hoffte gleichzeitig, dass mich keiner sah, der mich kannte, denn irgendwie war es mir peinlich. Ich faltete meine Hände zum Gebet und begann einfach drauf los zu quatschen. Dass ich es kapiert hatte, dass Emily ihren Auftrag doch erfolgreich absolviert hatte und dass sie sie mir wieder geben sollten. Natürlich geschah rein gar nichts.

Nach zwanzig Minuten war es mir dann doch zu blöd und ich begab mich zum Ausgang.
Doch kurz bevor ich die große Doppeltüre aufmachte, vernahm ich eine mir bekannte Stimme und ich fuhr herum.

"Du denkst, so bekommst du sie zurück? Indem du einmal betest? Was kannst du ihr bieten? Wie soll eure Zukunft aussehen? Ein Engel und ein Mensch! Wie stellst du dir das vor? ", fragte Silas herrisch und leicht erzürnt.
Was war sein Problem?

Ich straffte meine Schultern, um mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Schließlich stand hier ein verdammter, echter Engel vor mir. Da konnte man schon mal ein wenig nervös werden.
"Es ist mir egal, was sie ist. Wir lieben uns und ich will sie zurück. Gibt es denn keine Möglichkeit? ", fragte ich.

Der Engel seufzte und schien nachzudenken.
" Du kannst von Glück sprechen, so eine tolle Mutter gehabt zu haben. Bald wirst du deine Antwort bekommen. Hab noch etwas Geduld. ", erklärte er kryptisch und verschwand im selben Moment. Seine letzte Aussage klang gar nicht mehr so verbittert, sondern eher... resigniert? Ja, es schien, als würde er mit sich selbst kämpfen. Was würde geschehen? Und wann bekam ich meine Antwort?

Ratlos und nicht viel schlauer als vorher saß ich nun in dieser Kirche und starrte vor mich hin. Was hatte meine Mutter damit zu tun, dass ich Emily wieder haben wollte?

Seufzend schleppte ich mich nach Hause. Anscheinend konnte ich so nichts erreichen. Aber wenigstens wusste ich, dass sich etwas tat und ich bald Antworten erhalten würde.

Wie auch immer diese aussahen...

EngelsmusikWo Geschichten leben. Entdecke jetzt