25.03.2017

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1 year later

N I A L L

"Schwing dein zartes Popöchen nach unten, Niall, sonst setzt's was! Aber ein bisschen zackig, wenn ich bitten darf! Vite vite!", plärrte Louis durch ganze zwei Stockwerke hinauf zu meiner Etage. Dieser Junge konnte einem aber auch keine fünf Minuten Pause gönnen. Geschafft atmete ich laut aus und ließ mich auf mein Bett plumpsen, wobei das Bettgestell kläglich quietschte. Aber eigentlich hatte ich das Bett doch noch gar nicht so lange? Wieso sollte es dann jetzt schon solche kümmerlichen Töne von sich geben und seinen Geist aufgeben?

Stirnrunzelnd versuchte ich, mich um 180 Grad auf den Bauch zu rollen, was mir aber nicht ganz so grazil gelang, wie ich erhofft hatte. Mit einem schweren Rums vollendete ich meine Bewegung, was dazu führte, dass das Bett erneut unangenehme Töne von sich gab. Meine Güte, was hatte ich denn jetzt wieder angestellt, dass wieder ein Gegenstand aus meinem Besitz kaputt war?

Genervt hievte ich mich hoch und zerrte die Matratze vom Bettgestell. Was auch sofort den Übeltäter für die nervigen Geräusche zum Vorschein brachte. Es waren einfach nur ein paar Bögen weißes Papier, die in den Lattenrost gerutscht waren. Wie diese jedoch dorthin gekommen waren, blieb mir schleierhaft.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen streckte ich meine Hand nach dem Stapel von Briefumschlägen, wie sich jetzt beim näheren Betrachten herausgestellt hatte, aus. Doch als ich die Handschrift erkannte, glitten sie mir sofort aus der Hand. Ich war der Meinung gewesen, ich hätte diese Briefe entsorgt. Wieso also lagen sie jetzt zwischen meiner Matratze und dem Bett? Mir fiel es wie Schuppen vor den Augen. Lange hatte ich nicht mehr an diesen Tag gedacht, doch jetzt schossen die Erinnerungen wie Blitze durch meinen Kopf.

Es musste vor ziemlich genau einem Jahr gewesen sein, als mich ihr Tweet erreicht hatte. Hastig zog ich mein Handy aus der Hosentasche und tippte auf das Galerie-Symbol. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte ich damals einen Screenshot des Tweets gemacht. Eilig wischten meine Finger über den Bildschirm, wurden erst langsamer als ich den Monat März von 2016 erreichte. Konzentriert ruhte mein Blick auf den verkleinerten Ansichten der Bildschirmaufnahmen.

Tatsächlich. Ein Screenshot, auf dem die Formatierung eines Tweets deutlich erkennbar war, weckte meine Aufmerksamkeit. Zitternd näherten sich meine Finger, die sich mittlerweile ganz kalt und taub anfühlten, der kleinen Grafik. Ich hatte ein komisches Gefühl, da sich mein ganzer Körper ruhig, aber fast schon zu ruhig anfühlte. Selbst mein Herzschlag fühlte sich plötzlich fremd an. Verlangsamt, kalt, stockend.

Ich kniff meine Augen zusammen. Wieso zur Hölle sträubte sich alles in mir so dagegen, dieses Bild anzusehen? Ich wusste es nicht. Aber was ich wusste, war, dass ich Antworten dafür wollte. Immer noch zitternd legte sich mein Finger auf das Bild, was dieses dadurch schlussendlich vergrößerte. Was sollte auch anderes geschehen? Der Text ließ meine Regungen noch mehr erstarren. Wie konnte es passiert sein, dass ich das ein ganzes Jahr lang gekonnt verdrängt hatte? Wie konnte ich so grausam sein? Oder sprach man hierbei von einem gewissen Selbstschutz? Einer Tat, die der Körper und das Gehirn ausführte, um sich selbst zu beschützen?

Meine blauen Augen flackerten, während ich die Zeilen las. Von Sekunde zu Sekunde entglitt mir meine Umgebung immer mehr. Der Tweet lähmte meinen gesamten Körper.

@NiallOfficial I'm really sorry, Niall. But may you do me a favour, please? My sister took her own life & she's got something for you. Could you please dm me? It's really important! Thanks

Meine Hand war inzwischen eiskalt. Immer und immer wieder huschten meine Augen über den Text, Erinnerungen prassten auf mich ein. Das IPhone entglitt meiner Hand, krachte auf dem Boden auf, das Display zersplitterte. Wie auch etwas tief in mir.

Sheets Of Paper [Niall Horan]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt