9th Letter

312 43 17
                                    

Lieber Niall,

das Sterben gehört zum Leben dazu. Genauso wie dein Leben beginnt, muss es irgendwann auch damit zu Ende gehen. Denn zu aller erst, entscheidet die Mutter, ob ihr Kind geboren werden soll oder nicht. Der einzige Unterschied liegt darin, dass irgendwann nicht mehr die Mutter für ihr Kind eine Entscheidung trifft, sondern das Kind selbst. Natürlich, wenn ein Mensch ganz friedlich einschläft oder infolge einer Krankheit stirbt, dann entscheidet er natürlich nicht selbst, ob und wann er diese Welt verlässt. Aber dann spürt derjenige dies oftmals. Wie auch ich. Also sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Arten zu gehen, doch gar nicht so unterschiedlich. Es sind eben minimalistische Dinge, die das Ableben eines Menschen ausmachen.

Erst heute wurde ich noch heftiger als sonst auch mit dem Tod konfrontiert. Ich bin froh, dass ich diese Briefe schreiben kann, denn jeder normale Mensch würde mich jetzt auslachen. Aber dir vertraue ich. Bei dir weiß ich, dass du nichts verrätst.

Da ich heute nach der Schule zu meiner Oma musste - meine Eltern sind der Meinung, man kann mich nicht mehr alleine lassen, weil ich nicht mehr mit ihnen rede und sie sich Sorgen machen - wollte ich nach meinem letzten Haustier schauen, das ich noch besaß. (Wir können bei uns daheim leider keine Tiere halten, da dies vom Vermieter nicht erwünscht ist.) Mein schwarz-weißes Zwergkaninchen. In letzter Zeit war ich so mit der Schule, mir selbst und anderen beschäftigt, dass ich gar nicht mehr nach ihm geschaut habe. Ich habe die volle Verantwortung meinem Opa überlassen, was eigentlich nicht Sinn und Zweck eines Haustieres ist. (Also dass sich dann jemand anderes darum kümmert.) Deshalb war ich der Meinung, ich müsste auf jeden Fall schauen, wie es meinem kleinen Racker geht.
Aber als ich hinging, war der Stall leer. Da hoppelte kein kleiner Hase mehr durch seinen Stall und huschte ans Gitter, sobald er mich kommen hörte. Nein, der Stall war leer. Ich habe wirklich meinen ganzen Oberkörper in den Stall gezwängt, ich wollte wirklich auf Nummer sicher gehen, dass sich nichts mehr im Stall befand. Ich wurde panisch. Mein Herz fing an zu rasen und ich habe wirklich gespürt, dass ich schwach wurde und meine Augen glasig wurden.

Bin ich wirklich so eine Versagerin? Schaffe ich es nicht mal, mich um ein süßes, unschuldiges Tier zu kümmern, das am wenigstens für meine psychische Verfassung kann? Wieso bin ich so ein Monster, Niall? Es tut so weh. Ich mache mir solche Vorwürfe. Es war zwar nur ein Hase, aber ich verband so viele Erinnerungen mit ihm! Im Sommer, als meine Schwester und ich mit extra Hasen-Leinen mit ihm Gassi gegangen sind. Oder als er uns ausgebüchst ist und wir in bis spät abends gesucht haben und er in aller Seelenruhe am nächsten Morgen vor seinem Käfig saß. Klar, es ist "nur" ein Tier. Aber Tiere sind so wahnsinnig treue & ehrliche Freunde. Weißt du, was ich an Tieren so mag, Niall? Sie können dich nicht durch Lügen vollkommen zerstören.

Ich werde meinen kleinen Schatz vermissen. Aber mir wird heute nur wieder aufs Neue klar, wie sehr der Tod zum Leben dazugehört.

Ich freunde mich immer mehr mit dem Gedanken des Abschieds an. Was hält mich hier noch?

In Liebe
Amber

14th March 2016

Sheets Of Paper [Niall Horan]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt