12th Letter

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Lieber Niall,

ich hasse mich. Heute ist der Selbsthass enorm groß. Präsenter denn je, stärker denn je. Wieso kann ich nicht auch mal etwas Positives an mir sehen? Richtig. Es gibt nur Negatives. Kennst du das Gefühl, in den Spiegel zu schauen und dich zu fragen, wie wohl andere dich sehen? Sehen sie dich auch als hässlichen, fetten Trauerkloß an? Oder erkennen sie etwa die tiefen Ränder unter den Augen, den glasigen, leeren Blick? Oder sehen sie nur das, was sie sehen wollen? Dein gezwungenes, gestelltes Lachen? Deine blitzenden Augen, in denen eigentlich der Schmerz um Hilfe schreit?
Wieso sind die Leute alle so oberflächlich, Niall? Wieso gibt sich keiner mehr die Mühe, hinter die Fassade zu gucken? Wieso wird alles einfach hingenommen? Ist doch klar, dass die Menschen so nach und nach kaputt gehen.

Meine Freundin meinte heute zu mir, dass sie sich sehr freut, dass ich psychisch wieder so stabil bin. Sie ist meine beste Freundin, Niall! Und selbst sie kann sich nicht dazu aufraffen, meinen Schutzwall zu durchdringen. Es ist erbärmlich. In unserer Gesellschaft interessiert sich niemand mehr richtig für seinen Nächsten, sein Gegenüber, seine Familie, einfach niemanden. Da zählt nur noch, sich selbst irgendwie über die Runden zu kriegen.

Ich hasse mich, Niall.
Ich will, dass die Sonne wieder öfter scheint.
Ich will unbeschwert lachen.
Ich will fröhlich hüpfend durch die Welt spazieren.
Ich will aber auch dünn sein, sodass man die Knochen sehen und spüren kann.
Und ich will Blut auf meiner Haut sehen. Blut, das meiner eigenen, persönlichen Geschichte Farbe verleiht. Welch wunderbares Wortspiel.

Mein Entschluss verfestigt sich immer mehr in meinem Kopf.

Ich wünschte, ich könnte dich an mich drücken und mal an dir schnuppern. Ich würde wahrscheinlich sofort aus den Latschen kippen.

Danke fürs Zuhören, Niall.

In Liebe
Amber

17th March 2016

Sheets Of Paper [Niall Horan]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt