Kapitel 10

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Der Abend rückte schneller näher, als mir lieb gewesen wäre; schon um sieben Uhr war ich völlig nervös und hatte schwitzige Hände – und das wegen einer gewöhnlichen Party. Manchmal verstand ich mich selbst nicht. Andere gingen jeden zweiten Tag auf eine und verspürten keinerlei Hemmungen, sich unter all den betrunkenen Leuten aufzuhalten oder sich selbst vollaufen zu lassen. Tja, ich eben schon.

Um elf stand Liam mit seinem Auto vor der Haustür und war seltsamerweise ganz gut gelaunt, während ich eher mit der miesesten Stimmung des Jahrhunderts gerechnet hätte. Als ich ihn im Wagen darauf ansprach, antwortete er im Singsang: „Sophia wird auch da sein!"

Ach ja, stimmt. Das hatte ich ja total vergessen. „Genau, Liam. Die perfekte Gelegenheit, es ihr endlich zu sagen", schlug ich sogleich vor, worauf Liams Lächeln für eine Sekunde ins Schwanken geriet. „Nein, es ist noch zu früh", gab er zurück; die Nervosität in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Ich verdrehte die Augen. „Li, das geht jetzt schon seit Ewigkeiten so. Ihr beide labert immer aneinander vorbei, das Zuschauen tut schon beinahe weh! Ich kann ja nachhelfen", meinte ich mit einem gespielt listigen Unterton in der Stimme, den Liam allerdings gleich für bare Münze nahm und auffuhr: „Untersteh dich! Oder soll ich Josh anrufen und ihm sagen, dass er dich heute flachlegen soll?"

Jetzt war es an mir, den Mund aufzureißen. Eine solche Wortwahl hätte ich niemals von dem peniblen, zivilisierten Liam Payne erwartet, der sonst grundsätzlich großen Wert auf eine angemessene Ausdrucksweise legte und mir jedes Mal über den Mund fuhr, wenn ich „Fuck" oder andere Schimpfwörter aus meiner (zugegebenermaßen ziemlich langen) Liste vom Stapel ließ. „Spinnst du?! Wie kommst du auf so einen Schrott!" Hätte Liam nicht am Steuer gesessen, hätte ich ihm einen empörten Schlag verpasst. Er brach in schallendes Gelächter aus und wollte gar nicht mehr aufhören. „Niall, du müsstest mal dein Gesicht sehen, das ist unbeschreiblich."

„Danke, wirklich toll", brummte ich missmutig zurück und versuchte, beleidigt auszusehen, doch das wollte mir einfach nicht gelingen, denn Liam lachte nur noch mehr. „Gib dir keine Mühe, mit deinem Blondschopf siehst du immer noch aus wie ein liebenswertes Hündchen."

„Ich kann sie mir auch schwarz färben. Oder rot. Oder grün. Oder ...".

„Mach das bloß nicht." Liam setzte den Blinker und fuhr an einem schlecht geparkten Auto vorbei, das voller Betrunkener war. „Sonst schneide ich sie dir heimlich über Nacht ab."

„Weißt du eigentlich, wie lächerlich diese Diskussion gerade ist?"

„Natürlich. Aber wenigstens bringt es dich auf andere Gedanken."

Er hatte recht. „Danke, Li."

„Kein Problem." Er lenkte den Wagen in eine Parklücke ganz nahe am Fluchtweg ... äh, an der Ausfahrt natürlich. Nachdem er den Motor abgestellt hatte, blieb er noch für einen Moment sitzen. „Ni, du weißt, wie es da drinnen zugeht. Lass dich nur in nichts reinziehen, lass dein Getränk nicht unbeobachtet irgendwo stehen, nimm nichts, was dir irgendjemand andrehen will, lass dich von keinem zwielichten Typen abschleppen." Er durchbohrte mich mit seinen durchdringenden Blicken. „Okay?"

Seufzend nickte ich. „Ja, Mama."

„Ich meine es ernst, Niall. Deine Mum bringt mich um, wenn dir was passiert. Mal ganz von der Tatsache zu schweigen, dass du mein bester Freund bist und es ungünstig wäre, dich im Krankenhaus besuchen zu müssen." Nachdrücklich zog er den Zündschlüssel aus dem Schloss und stieß die Autotür auf. „Auf in den Kampf. Wenn was ist, ruf mich einfach an."

„Mann, Liam!"

„Schon gut, schon gut."


Stay away  - ZiallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt