Kapitel 21

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Lauthals fluchend schlitterte ich die Treppe vor dem Eingang hinunter, nur um gerade noch zu sehen, wie mein Bus in Höchstgeschwindigkeit vom Schulgelände fuhr. „Verdammt!" Wütend knallte ich meine Tasche zu Boden und ignorierte die Tatsasche, dass sich ein Kugelschreiber in den Rasen verflüchtigte. Wunderbar! Da ich heute Nachmittag Unterricht hatte, war es jetzt schon vier Uhr – was bedeutete, dass außer mir nun keine Schüler mehr hier waren und der nächste Bus erst in ein paar Stunden kommen würde. Um neun Uhr abends, um genau zu sein.

So ein ungeheures Glück hatte doch auch nur ich, oder? Meine Mum hatte Dienst, also konnte ich sie schon mal nicht anrufen. Liam hatte ich nach dem Streit mit Josh nicht mehr gesehen, doch da er wahrscheinlich ohnehin früher aus gehabt hatte, war es zwecklos, nach ihm Ausschau zu halten.

Was sollte ich jetzt machen?

Möglichkeit Nummer 1: Planlos in die Stadt laufen, mich auf dem Weg zum Supermarkt verirren, und mich anschließend von irgendwelchen Idioten ausrauben zu lassen.

Möglichkeit Nummer 2: Mich in die Schule verkrümeln, den Kaffeeautomaten leeren und für morgen lernen.

Da mir die zweite Möglichkeit verlockender erschien, schnappte ich mir seufzend meine Tasche und schlurfte zur Tür zurück. Wenigstens die war nicht abgeschlossen. Wie leer dieses Gebäude ohne all die Schüler wirkte ... beinahe erdrückend. Jeder meiner Schritte hallte an den Wänden der Aula wider, als ich die Halle durchquerte und mich auf unseren Stammplatz an den rechten Fenstern fallen ließ. Missmutig stellte ich fest, dass ich von hier aus einen wunderbaren Blick auf den Tisch hatte, an dem ich mich heute mit Josh gestritten hatte ... na toll. Wie sollte das nur weitergehen? Um ehrlich zu sein, war mir Zayn sympathischer – wenn er nicht gerade einen auf verschlossenen, harten Typen machte – aber Josh war immerhin noch der Anführer unserer Band, sodass ich ihm nicht einfach die kalte Schulter zeigen konnte. Wenn ich ausstieg, würde mich Mum zur Rede stellen, und sie mochte Josh offenbar. So wie so ziemlich jeder andere außer Zayn und mir. Aber nach dieser hitzigen Diskussion heute hatte ich mir wieder einmal selbst bestätigt, dass ich garantiert nichts mit ihm zu tun haben wollte. Freundschaftlich nicht, und schon gar nicht MEHR. Brrr. Der glaubte wohl, er könnte sich alles erlauben. Und das war sowieso schon das zweite Mal gewesen, dass ihm so die Sicherungen durchgebrannt waren, da musste ich nur an den Zwischenfall im Café denken, als er erst Zayn eine reingesemmelt und anschließend das Schlagzeug zerlegt hatte. Er war unberechenbar. Und so jemanden brauchte ich nicht in meinem Leben. Punkt. Ende.

Resolut wandte ich den Blick ab und begann damit, alles Nützliche aus meiner Tasche zu räumen, was zugegebenermaßen nicht allzu viel ausmachte.

Nach einer halben Stunde hatte ich alles an schulischem Zeug hinter mich gebracht und bettete den Kopf auf den Tisch. Nichts war schlimmer als Langeweile. Im Augenblick hätte ich sogar freiwillig Hefteinträge auswendig gelernt.

Ächzend erhob ich mich und schüttelte die Glieder aus. Diese ewige Herumsitzerei machte einen schier wahnsinnig. Am liebsten hätte ich mich hingelegt und geschlafen, aber da ich wusste, dass ich dann nur den nächsten Bus verpassen würde, ließ ich es sein und machte mich lieber auf den Weg in den Keller zum Kaffeeautomaten. Wer auch immer auf die Idee gekommen war, dieses Teil im letzten Loch abzustellen, hatte es mit logischem Denkvermögen wohl nicht so gehabt.

Also legte ich den Weg quer durch das ganze Schulhaus zurück, bis ich bei meinem Ziel angelangt war, und in meiner Hosentasche nach Geld zu kramen begann. Als ich in den dunklen Raum trat, flackerten die Neonröhren ober meinem Kopf mit einem lauten Summen auf und spendeten künstliches Licht.

Eigentlich wollte ich nur schnell das Geld einwerfen, den Becher schnappen, und so schnell es ging wieder nach oben verschwinden, aber ein Geräusch ließ mich mitten in der Bewegung erstarren – es kam aus Richtung Westeingang, der in den Lehrerparkplatz an der Rückseite der Schule mündete.

Stay away  - ZiallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt