Kapitel 25

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Eigentlich hatte ich vorgehabt, Zayns Haus zu suchen und mich bei ihm auszulassen (fragt mich nicht wieso, aber irgendwie erschien er mir die richtige Person dafür zu sein, zumal es hier um IHN und seinen Vater ging), aber als ich mich nach einer Stunde Fußmarsch plötzlich in der Nähe der Schule wiederfand, stand außer Frage, dass ich wohl noch ein wenig an meinem Orientierungssinn feilen sollte – der offenbar dem einer blinden Brieftaube glich.

Was war nur los mit mir? Alles ging den Bach runter.

Jetzt saß ich hier an der letzten Bushaltestelle vor der Schule auf einer Bank, und die einzige Person, nach der ich mich sehnte, war Zayn. Wieso eigentlich Zayn? Was brachte mich dazu, ihm so zu vertrauen?

„ ... jede Menge Kohle einbringen."

Ich zuckte zusammen, als hinter mir wie aus dem Nichts Stimmen ertönten, und war plötzlich froh darüber, mir die Kapuze meines Shirts über den Kopf gezogen zu haben, sodass man mich von hinten nicht erkannte, denn als die Leute vorübergingen, konnte ich einen von ihnen einwandfrei als Josh identifizieren. Von ihrem ziemlich leise gehaltenen Gespräch konnte ich nur noch Fetzen wie „Papiere", „Geld" und „Polizei" hören, doch das reichte, um mein Misstrauen auf ein Höchstmaß ansteigen zu lassen. Mein Körper handelte für mein Gehirn, als ich mich langsam in Bewegung setzte und ihnen folgte. Zayn hatte zwar gesagt, dass ich mich von Josh und seinen Leuten fernhalten sollte, aber erstens war Zayn nicht mein Vormund, und zweitens war doch nichts Schlimmes dabei, zufälligerweise den gleichen Weg zu gehen? Richtig, war es nicht.

In großzügigem Abstand lief ich ihnen mit gesenktem Kopf hinterher und verbarg mich inmitten anderer Leute oder in Hauseingängen, wenn sich einer von ihnen umdrehte. Von den vier jungen Männern kannte ich neben Josh nur einen vom Sehen her aus der Schule, die anderen beiden waren mir unbekannt – sie sahen auch deutlich älter aus als neunzehn oder zwanzig.

Ich war so in Gedanken versunken, dass ich erst registrierte, dass sie stehengeblieben waren, als ich nur noch drei Meter von ihnen entfernt war. Geschockt vollführte ich einen mehr oder weniger akrobatischen Satz hinter eine Mülltonne. Ein Typ, der darin wohl nach Essbarem gesucht hatte, musterte mich mit einem seltsamen Blick und entfernte sich eilig. In welchem Teil der Stadt war ich hier wohl gelandet, dass es Obdachlose gab? Dort wo wir uns normalerweise herumtrieben, sah alles gepflegt und hergerichtet aus, aber hier bröckelte der Putz von den Mauern, der Teer auf der Straße war rissig und die Verkehrsschilder waren verbogen und zerkratzt. Das einzige Gebäude, das einen ansehlichen Eindruck machte, war der große, hellblau gestrichene Kasten auf der anderen Straßenseite, zu dem eine wuchtige Steintreppe hinaufführte. Entgeistert starrte ich das Schild davor an, das in riesigen Buchstaben das Wort RATHAUS zeigte. Diese Logik musste man mal verstehen: In dieser Stadt gab es etliche vornehme Viertel mit modernsten Ausstattungsmethoden und einem Haufen Geld – aber das Rathaus befand sich in einem vermoderten Loch am Ende der Welt.

Ich verschob den Gedanken auf später und spähte vorsichtig über den Rand der Mülltonne, gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie Josh und einer der Unbekannten die Treppe hinaufgingen und in der schweren Holztür verschwanden. Abschätzend warf ich einen Blick auf ihre beiden Kumpels, die an der gegenüberliegenden Hauswand lehnten und gemächlich ihre Zigaretten rauchten.

Ich schlug alle Zweifel in den Wind und ging wie ein normaler Mensch (sofern man mit Kapuze überm Kopf normal aussehen konnte) über die Straße, um ebenfalls auf das Rathaus zuzusteuern. Ich spürte die Blicke der beiden anderen im Rücken, als ich die Tür einen Spalt aufdrückte und mich hindurchzwängte, bevor sie mich womöglich zurückhalten konnten.

Mit klopfendem Herzen sah ich mich um und duckte mich unwillkürlich, als Schritte erklangen und jemand im Anzug an mir vorbeilief. Fast hätte ich geglaubt, Josh nun letztendlich doch verloren zu haben, aber als flüsternde Stimmen aus dem Gang weiter hinten ertönten, wusste ich aus Instinkt, das es sich um ihn handelte.

Ich hatte zwar keine Ahnung, was ich hier eigentlich genau machte, aber ich rückte mit dem Rücken an der Wand weiter an die beiden heran und musste meine Kinnlade davon abhalten, sauber zu Boden zu krachen, als ich sah, wie Josh mit irgendetwas im Schloss einer Tür herumstocherte, während sein toller Kumpel Schmiere stand und dabei den Eindruck erweckte, als hätte er einen halben Waffenschrank in seinen Hosentaschen. Wollten die beiden etwa in dieses Büro einbrechen? War das ihr Ernst? Was gab es da bitte schon zu holen außer ein paar Ordnern, Heftklammern und Schreibtischlampen?

Verwirrt sah ich zu, wie Josh die Tür mit einem leisen Knacken vollständig aufbrach und die beiden anschließend darin verschwanden. Bevor ich mich zurückhalten konnte, war ich schon aus meinem Versteck hinter der Biegung hervorgetappt, um das Türschild zu inspizieren, dessen Buchstaben so dermaßen kitschig verschnörkelt waren, dass ich ganze zehn Sekunden brauchte, um sie zu entziffern.

Yaser Malik, zweiter Vorsitzender.

Mit blankem Gesicht starrte ich das Schild an und musste die vier Wörter immer wieder durchlesen, bevor sie in meinen Geist durchgedrungen waren.

Josh und seine Leute brachen in das Büro von Zayns Vater ein? Was zur Hölle? Stirnrunzelnd untersuchte ich das gesplitterte Holz am Türschloss und tastete unschlüssig nach meinem Handy. Sollte man in solchen Fällen nicht eigentlich die Polizei rufen? Oder doch lieber Zayn und ihn fragen, was hier ablief, denn anscheinend schien er einen Überblick über die gesamte Lage zu haben.

Ich hatte keine Zeit mehr für ausschweifende Überlegungen, denn als eine Sekunde später plötzlich die Tür aufgerissen würde, stolperte ich wie vom Blitz getroffen rückwärts gegen die Wand.

Dem bulligen Typen in der Tür stand der Mund sperrangelweit offen. „Boss, da steht einer vor der Tür."

Obwol dieser Satz an sich so dümmlich war, ging mir seine tiefe, knurrige Stimme durch Mark und Bein. Bevor der Typ einen Muskel rühren konnte, hatte ich mich schon blitzschnell an ihm vorbeigeschlängelt und sprintete den Gang entlang in Richtung Ausgang.

Die beiden hinter mir wechselten ein paar gehetzte Worte, dann erklangen schon schnelle Schritte, die davon zeugten, dass sie mir in Höchstgeschwindigkeit hinterherjagten.

Shit. In einer fließenden Bewegung zerrte ich die Tür auf, die Leute verfluchend, die angeordnet hatten, ein so dermaßen schweres Modell einzubauen. Auf dem Weg über die Stufen nach unten hätte ich beinahe einen Purzelbaum über das Geländer gemacht, bevor ich die letzten zwei Meter nach unten sprang und in irgendeine Richtung rannte. Die beiden Männer mit ihren Zigaretten schauten mir verwundert hinterher, bewegten sich aber nicht vom Fleck – bis die Tür wieder aufgerissen wurde und Joshs Stimme schrie: „Haltet ihn auf! Bewegt euren Arsch!"

Den Befehl befolgend schnitt mir prompt einer den Weg ab, womit er mich dazu zwang, eine enge Gasse zwischen zwei Häusern hinunterzulaufen. Ein Fluchen bestätigte mir, dass Josh beinahe vorbeigeschlittert wäre. Einer Eingebung folgend schlug ich den Weg in einen schmalen Gang nach rechts ein, der mit Sicherheit wieder nach oben führte. Leider hatten das die anderen offenbar auch gewusst, denn ich war gerade an einer Hausecke angelangt, nach der der Weg zur Straße hinaufzuführen begann, stieß ich mit jemandem der gleichen Geschwindigkeit zusammen, sodass wir ineinander verheddert auf dem Kopfsteinpflaster landeten. Noch während ich mich benommen auf den Rücken zu drehen begann, war der andere schon wieder auf Beinen und zog mich grob hoch, um mich an einer möglichen Flucht zu hindern. „Boss, ich hab ihn!", brüllte er in die Richtung, aus der ich gekommen war, und im nächsten Moment stürmten die restlichen drei auf uns zu. „Wer ist es?" Josh fuhr sich grimmig durch die Haare.

Schnell senkte ich den Kopf. Was würde er tun, wenn er mich erkannte? Wütend trat ich nach dem Typen, der noch immer meine Arme umklammert hielt, doch er schlang mir einen Arm um den Hals und drohte mir die Luft abzuschneiden. Ich hörte das Knirschen von Schritten, dann zog mir jemand die Kapuze vom Kopf und ich starrte direkt in das entgeisterte Gesicht von Josh.

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KEHRTWENDE! Nix romantisch xD

Äh ja.

Lasst mir doch ein Vote und ein Kommi da <3 Ich würd mich totaaal drüber freuen :))


Stay away  - ZiallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt