Blackshattered ▪ H.S. #everlight2k20

O N E

Zuletzt überarbeitet am 18.05.2016 ✔

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"Habe ich auch schon versucht. Hat mir aber nicht den erhofften Kick verschafft, glaub mir."

Ich drehe irritiert den Kopf in die Richtung, aus der ich diese tiefe, unvergleichlich raue Stimme vernehme. Nicht weit von mir entfernt. Mir unheimlich vertraut. Völlig verblüfft ertappe ich mich dabei, wie ich die Quelle der Stimme mit geweiteten Augen angaffe.

Volltreffer. Volle Punktzahl für die Kandidatin.

Neben mir, am anderen Ende der Holzbank, sitzt niemand geringeres als Harry mit überschlagenen Beinen. Wie immer kommt seine Gestik superlässig, aber unausstehlich selbstgefällig um die Ecke. Wie ich schon sagte, als always. Ich spüre, wie mir die unverdaute-für-chronisch-Irre-Nervenheilanstaltsinsassen-Frühstückspampe wieder hochkommt. Ein Umstand, der meinen Magen doppelt rebellieren lässt.

Ich wende mich schnaubend von meinem unwillkommenen Besucher ab. Schenke stattdessen meine ungeteilte Aufmerksamkeit wieder den kleinen weißen Pillen. Ich weiß, ich sollte besser auf mein Bauchgefühl hören. Sollte die Alarmglocken, die laut in meinem Inneren schellen, meinem eigenen Wohlergehen zu Liebe nicht ignorieren.

Es sollte mir eine Warnung sein, wie spielerisch leicht sie mich mit ihren bösartigen Verführungskünsten um den Finger wickeln.

Ein wohlig warmes Kribbeln durchflutet mich. Und mit der Faszination einer frisch gebackenen Mutter himmle ich das kleine Wunder in meinen Händen an.

Ein irrer Gedanke schießt mir durch den Kopf, doch ich denke, er ist in Wahrheit nicht halb so verrückt, wie er in meinen Ohren für mich klingt; ich würde diesem kleinen Wunder die Sterne vom Himmel holen, hier und sofort. Ich würde jedes einzelne hell scheinende kleine Licht wie einen kostbaren, unbezahlbaren Schatz feinsäuberlich und hingebungsvoll vom Horizont kratzen.

So hingebungsvoll wie man als Kind auch immer den letzten Rest vom Keksteig aus der Schüssel kratzt. Ohne dieser lästigen Tätigkeit je überdrüssig zu werden.
Weil ein Kind noch Mitleid kennt. Weil ein Kind den Tränen nahe ist, wenn es mit ansehen muss, wie seine herzlose Mutter diese tödlich süße, aber unwiderstehlich köstliche Leckerei mit Zusatz von Spülmittel unumkehrbar ungenießbar macht.

Tödlich ist hier das Schlüsselwort, das gelbe im Ei. Die perfekte Formulierung um meine Lage exakt auf den Punkt zu bringen. Die, die exakt mitten hinein ins ungewisse Schwarze sticht.

Ich sag's euch, alle Pillen auf einmal zu schlucken, das ist schon eine harte Nuss. Und unter uns gesagt, ich bezweifele sehr stark, dass ich diese Überdosis überleben werde.

Aber es ist seine Anwesenheit, die mir meine Entscheidung erleichtert. Sie wird mir einfach aus der Hand genommen. Als wäre nicht ich es, die eigentlich dazu befugt wäre, sie zu treffen.
Unter all dem wird endgültig ein Schlussstrich gesetzt. Ohne Einwände meinerseits anzuhören. Es ist, als hätte es den Moment nicht gegeben, in dem ich einen Augenblick lang gezögert habe. Als hätte ich mich nicht dabei ertappt, wie ich Harry im Stillen erlaube, einen Moment länger bei mir sitzen zu bleiben. Als hätte ich mir nicht erhofft, es könnte für uns vielleicht doch noch ein Happy End geben.

Ich nehme einen letzten langen Atemzug und schließe die Augen. So ist es sehr viel besser. Ich weiß, dass ein entspannter Geist die halbe Miete ist. Ich weiß auch, dass es gewiss ganz problemlos über die Bühne gehen wird. Der Sieg ist mir so gut wie sicher. Denn ich habe diesen Moment tagelang in der Besenkammer, die sich wohlwollend mein Klinikzimmer schreit, geprobt.

Meine Generalprobe zum Beispiel verlief katastrophal. Diagnose: Herzstillstand. Auch wenn ich mich nur für unbedeutend lächerlich wenige Augenblicke in diesem Zustand befunden habe. Und ohne, dass gesundheitliche Folgeschäden festgestellt werden konnten. Meine behandelnden Ärzte waren not that amused über meinen Aussetzer.