17 Der beste Freund.

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Selten war ich mir so komisch vorgekommen, trotzdem stand ich nun in der Nähe des Gerichtsgebäudes vor einem Bürobauklotz und starrte auf den Eingang. In der Hand hielt ich eine Tüte mit Bagels. Harrys großer Tipp. Ich kam mir nur vor wie ein Trottel.

Vielleicht war ich das auch, denn eigentlich war ich nicht der Typ, der irgendwelchen Leuten hinterher rannte. In der Regel hatte sich das anders zu verhalten.

Der kalte Wind ließ mich frösteln und dann sah ich aus den Augenwinkeln die ersten Verfolger, die sich positionierten. Zwei Fotografen näherten sich. Bevor ich mich dieser dämlichen Meute auslieferte betrat ich besser das Gebäude. Normalerweise suchte ich den gegenüberliegenden Wolkenkratzer auf, wenn ich mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Aber heute hatte ich zur Abwechslung keinen direkten Termin beim Anwalt meiner Familie.

Harrys Pokerrunde war fast eine Woche her und meine Unzufriedenheit war stetig gewachsen. Denn weder Harry hatte mit der Sprache raus gerückt („Ich habe keine Ahnung, Liam, im Ernst!") noch von Niall hatte eine auf WhatsApp eine vernünftige Antwort bekommen.

Im Gebäude war die Hölle los und da ich den Weg zu den Pflichtverteidigern kannte, brauchte ich nicht lange im Foyer verweilen. Im vierten Stock sah ich so einige zwielichtige Gestalten vor den Büroräumen lungern und warten. Der Abschaum der Welt quasi.

Es war mir ein Rätsel warum Niall es sich gerade zur Aufgabe gemacht hatte diesen Drecksleuten helfen zu wollen, denn bei den meisten lag es bereits von Anfang an auf der Hand, dass es nichts zu verteidigen gab. Sie waren so schuld im Sinne der Anklage, wie sie nur sein könnten.

Die Kanzlei der Pflichtverteidiger gehörte einen gewissen Bobby Donnell und mittlerweile wusste ich, dass der aalglatte Typ mit allen Wassern gewaschen war und ein besonderen Stein im Brett bei jeden größeren Drogendealer der Stadt hatte. Da fragte man sich, was wollte Niall in solch einem Milieu.

„Mr Payne!", begrüßte mich Bobby Donnell sichtlich überrascht und mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen. Er hatte große Ähnlichkeiten mit einem gealterten Barbie Ken.

Der große Raum, in dem sich mehrere Schreibtische befanden war leer, jeder Tisch bog sich unter den Unterlagen und lediglich die Sekretärin war zu hören, die versuchte Herrin des Telefons zu werden. Ich reichte Donnell die Hand und sprach: „Ich bin auf der Suche nach Niall."

„Da werden Sie warten müssen, er ist bis mindestens sechzehn Uhr bei Gericht. Die Geschworenen sind erst vor einer Stunde zurückgekommen und je nachdem, ob er Berufung einlegen muss, oder nicht, zieht sich sein Verfahren", wurde mir sofort erklärt.

„Wie immer ist er stark beschäftigt", stellte ich fest und Donnell nickte: „Ja, aber wahrscheinlich nicht mehr allzu lange bei mir."

Ich hob die Augenbrauen und mit einem breiten Lächeln erklärte er mir: „Anwälte wie Niall bleiben keine Strafverteidiger. Er ist zu gut und das er eigentlich Zivil- und Familienrecht als Schwerpunkt gewählt hat, fällt nicht einmal auf. Ich gebe ihm noch ein Jahr, dann bekommt er ein Angebot, das er nicht ablehnen kann und verschwindet in eine renommierte Kanzlei. Es sei denn ein Sweeting-Fall landet auf seinem Tisch."

Selbst ein Laie, wie ich, wusste, was mit Sweeting-Fall gemeint war. Erst letztes Jahr hatten Latham & Watkins, die auch meine Familie vertraten, den Mordfall bezüglich Colin Sweeting gewonnen. Den Beweisen nach soll er eindeutig seine Frau ermordert haben und trotzdem wurde er wegen der überragenden Prozessführung von Latham & Watkins von den Geschworenen freigesprochen. Zugegeben, wenn man so viel Geld besaß wie Sweeting, dann verzichtete man nicht auf die besten Anwälte New Yorks. Demnach begegnete man Sweeting immer noch mit einem faden Nachgeschmack auf gegebenen Anlässen.

RED [ Erster Akt ] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt