Annie

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Keine Jagd ist so wie die Jagd auf den Menschen und die, die lange genug Menschen gejagt haben, die Spaß daran hatten, interessieren sich nie wieder für etwas anderes.

- Hemingway

Chloe P.O.V

Plötzlich kam ein kleines Mädchen im Alter von ca. 4 Jahren auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen.

"Kannst du uns etwas über dich erzählen?"

"Ähm..Ja, na klar kann ich das machen", antwortete ich etwas zurückhaltend.

"Also mein Name ist Chloe Black. Ich bin 14 Jahre alt, komme hier aus New York und lebe bei meiner Mutter. Mein Vater ist der blasse Typ von gerade und er arbeitet für das FBI"

"Was ist das FBI?", fragte plötzlich ein kleiner Junge, der das selbe Alter wie das Mädchen dass mich gefragt hatte haben musste.

"Das FBI. Tja wie soll ich dir das jetzt erklären ohne dir den Schock deines Lebens zu verpassen?", stellte ich die Frage an mich selbst.

"Also weißt du.... Du weißt doch was die Aufgabe der Polizei ist, oder?", fing ich an.

Er nickte etwas schüchtern und meinte dann:

"Die jagen böse Leute und bestrafen sie"

"Genau. Und das FBI macht genau das selbe mit dem kleinen Unterschied, dass die Leute die das FBI bestraft viel bösere Dinge getan haben"

"Dann ist dein Dad ja ein Held", stellte das kleine Mädchen fest und fuhr dann fort:

"Ich habe keine Eltern"

"Aber jeder hat doch Eltern. Manche kennen sie vielleicht nicht, wie du vielleicht, aber auf jeden Fall hat jeder Mensch Eltern", korrigierte ich sie.

Doch auf die Antwort des kleinen Mädchens war ich alles andere als vorbereitet.

"Nein. Ich bin doch die Ausgeburt der Hölle"

Sie sagte, es als wäre es das normalste auf der ganzen Welt, doch mir blieb der Mund fast offen stehen.

Wer bezeichnete sein Kind denn bitte als Ausgeburt der Hölle?!

"Hey, wie heißt du eigentlich?", fragte ich sie und versuchte dabei nicht allzu geschockt zu klingen.

"Annie"

"Okay Annie. Kannst du mir ein bisschen was über dich erzählen?", fragte ich sie.

Mittlerweile waren wir nur noch zu zweit. Um nicht immer zu ihr herunter sehen zu müssen setzte ich mich neben sie auf den Boden.

"Also, ich habe in einem Kloster gelebt. Das haben sie mir dort gesagt. Und sie haben auch gesagt ich müsste den Herrn um Vergebung bitten weil ich eine Ausgeburt der Hölle bin. Sie haben mich ganz lange in eine ganz kleine Kammer gesteckt. Es war überhaupt nicht schön da drin. Da war es ganz staubig und dunkel. Die Nonnen haben mir gesagt ich solle den Herren um Vergebung bitten. Manchmal hatte ich aber zu viel Angst und dann habe ich angefangen zu weinen. Sobald sie das gehört haben, haben sie mich in den Keller genommen und dann haben sie mich bestraft. Irgendwann hat mich dann die Polizei gefunden und seitdem bin ich hier."

Ihre Geschichte machte mich einfach nur sprachlos. Sie war maximal halb so alt wie ich und hatte in ihrem Leben schon doppelt so viel der menschlichen Grausamkeit erlebt.

"Wie haben Sie dich denn bestraft?", fragte ich ohne, dass ich es eigentlich wirklich wollte. Es war einfach so aus mir heraus gekommen.

Ohne eine Mine zu verziehen antwortete mir Annie:

"Sie haben mich ausgepeitscht"

Bevor ich irgendeine Chance hatte zu antworten, ertönte die Stimme von Spencer:

"Chloe kommst du? Wir wollen los"

"Ja gleich!", rief ich zurück und wandte mich wieder an Annie.

"Hör mal ich werde wiederkommen und dich besuchen"

Sofort fing sie an zu Strahlen und das brachte mich dazu, dass ich dieses kleine Mädchen noch mehr ins Herz schloss als ich es sowieso schon getan hatte. Ich wuschelte ihr noch einmal durch die Haare und verließ dann den Raum in Richtung Flur, wo ich auch schon auf Spencer und Morgan traf. Fragend sah Letzterer mich an und fragte:

"Können wir dann?"

"Ja klar"

Gemeinsam verließen wir das Haus. Aber im Gegensatz zu mir verabschiedeten sich die beiden Special Agents noch von der Frau.

Auf dem Weg zu den Motorrädern fragte ich:

"Und? Was hat sie gesagt?"

"Naja so wirklich viel gesagt hat sie nicht, aber sie meinte, dass das ihr zweiter Arbeitstag wäre und sie noch nicht alle Kinder beim Namen kannte und sie das Verschwinden von Alexander nicht bemerkt hatte. Wir konnten dann herausfinden, dass er gestern noch da gewesen war", meinte Morgan.

"Aber ist es nicht merkwürdig, dass sie ganz allein war?", gab ich skeptisch zu bedenken.

"Sie hat gemeint, dass ihre Chefin schon 2 Jahre keinen freien Tag mehr hatte und dass sie den heute nachholen wollte"

Somit hatte sie also auch dafür eine Ausrede gefunden, doch ich konnte dabei nicht so wirklich an einen Zufall glauben. Glücklicherweise dachte Spencer wohl genau das selbe:

"Aber wenn ich jetzt mal so darüber nachdenke ist das doch ein ziemlicher Zufall oder? Gerade heute nach dem Fund der Babyleichen hat die Chefin ihrer neuen Mitarbeiterin das Kommando übertragen und macht ihren freien Tag. Also für mich hört sich das eher nicht nach einem Zufall an"

"Doch du vergisst dabei, dass wir das Alibi der Frau überprüfen werden. Wenn also einer der beiden gelogen haben sollte, dann werden wir es sicherlich merken. Aber ich muss euch Recht geben: Es ist doch schon etwas seltsam."

"Na dann würde ich sagen fahren wir mal los. Wart ihr eigentlich schon mal in New York?", fragte ich die beiden, woraufhin sie die Köpfe schüttelten.

Sofort danach schaute Spence mich unsicher an und fragte:

"Chloe was hast du vor?"

Ich grinste ihn nur verschwörerisch an und antwortete dann, während ich mir meinen Motorradhelm aufsetzte:

"Ich zeige euch New York aus einer Sicht die ihr bei keiner Stadtrundfahrt sehen werdet."

Bevor Spencer irgendetwas sagen konnte, rief Derek begeistert:

"Cool. Ich bin dabei!"

"A-aber das können wir doch nicht machen! Wir müssen zu Hotch zurück! Er killt uns wenn wir nicht gleich zurück kommen!"

Leicht verzweifelt sah er uns an und ehrlich gesagt hatte ich in diesem Moment etwas Mitleid mir ihm. Er war mit der ganzen Situation offensichtlich komplett überfordert. Morgan seufzte und versuchte dann Spencer zu überreden:

"Wir wäre es damit: Ich rufe Hotch an und frage ihn, aber ich glaube kaum, dass er etwas dagegen haben wird. Es ist schließlich schon früher Abend und heute können wir sowieso nichts mehr tun."

Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten entfernte sich Morgan ein paar Meter und holte sein Handy hervor. Zwischen Spencer und mir herrschte in der Zwischenzeit Stille. Ich hatte so das Gefühl, dass es ihm ein wenig peinlich war, dass er nicht unbedingt den obercoolen Vater abgab. Aber ich nahm es ihm nicht übel. Ich meine er hatte bis vor kurzem ja noch nicht einmal die Gewissheit ob ich überhaupt noch lebte und ich erwartete auch nicht von ihm dass er wegen mir sein komplettes Verhalten änderte. So war er eben und das hatte ich zu akzeptieren. Und ich fand es eigentlich auch gar nicht schlimm, dass er so war wie er war.

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