Kapitel 11

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Es war sehr langweilig im Brunnenpark gewesen. Aber so war die Arbeit nun auch mal, wenn man jemanden verfolgte. Octavion hatte Recht gehabt, Balian war wirklich ein Langweiler. Er hatte die ganze Zeit auf der Bank gesessen, gezeichnet und danach war er einige Listen für den Ball durchgegangen. Welche Gänge serviert werden würden und wie viel man wohl brauchen würde. Es war so langweilig, dass ich teilweise lieber die anderen Leute im Park beobachtet hatte. Wir hatten zwar ein gutes Versteck in den Büschen gefunden, aber ich wäre dort dennoch fast eingeschlafen, wenn mich Shaitan nicht regelmäßig an den Auftrag erinnert hätte. „Wir werden seine Freundin wohl erst beim Ball sehen..." sagte Shaitan leise. Ich hatte nur genickt, da mir mal wieder fast die Augen zu gefallen waren. Ab da an hatten wir Balian immer wieder verfolgt, von der Adelsburg in irgendeinen Park und wieder zurück. Wenn er nicht ganz zu Hause blieb.

Es war der Tag des Balles und ich lies mir von Anya und Velene bei meinem Kleid helfen. Das Korsett, dass ich darunter tragen musste, schnürte mir beinahe die Luft ab, doch ich bestand darauf. Wir wollte glaubhaft aussehen. Nach dem ich auch mein Haar gewaschen und gekämmt hatte, schlüpfte ich noch schnell in die weißen, hohen Sandalen. Shaitan kam mal wieder in letzter Sekunde angerannt, sein Anzug stand ihm wirklich gut und auch mit seinen zurückgekämmten Haaren sah er umwerfend gut aus. Seine Augen blitzten als er mich sah. „Wo warst du?" fragte ich als erstes genervt. Er lachte und zeigte dabei seine strahlend weißen Zähne. „Ich war noch kurz auf dem Markt..." sagte er und zeigte die Innenseite seines Mantels. Er holte aus einer Innentasche zwei kleine Flaschen, die gerade mal so groß waren wie ein Finger. „In der etwas größeren Flasche ist ein leider illegaler Liebestrank, der allerdings eher Versessenheit als Liebe hervorruft. Und in dem anderen ist unsere letzte Lösung: Gift." sagte er. „Also dein Plan ist es, seiner Freundin was davon in den hoheitlichen Wein zu schütten?" fragte ich lachend. Wobei, die Idee war nicht mal schlecht. „Genau so ist es. Wir müssen nur aufpassen, man reagiert auf die nächste Person die man sieht, also pass am besten auf, dass du nicht in ihrer Nähe stehst. Könnte etwas nervig werden." sagte er, dann hielt er mir galant die Hand hin. Die Kutsche war schon vorgefahren, denn auf dem Kutschbock saß der Mann, der den Stall leitete und sah wie immer missmutig in unsere Richtung. „Hast du die Papiere, Bruderherz?" säuselte ich und klimperte ironisch mit den Wimpern. „Aber natürlich, Schwesterchen." kam es sofort in dem selben schmierigen Tonfall zurück. Ich unterdrückte meinen Lachanfall und sah nur elegant aus dem Fenster der Kutsche. Die Kutsche fuhr los und ratterte über die Straßen hin zur etwas außerhalb liegenden Adelsburg. Der Ball sollte gegen Mittag beginnen und sich bis in den Abend ziehen. Wir waren pünktlich, denn als Shaitan mit die Tür der Kutsche öffnete und mir aus der Kutsche half, stand die Sonne senkrecht über uns und brannte auf uns nieder. Selbst in diesem leichten Stoff, den ich trug, war mir beinahe zu heiß und ich musterte neidisch einige Hofdamen, die bunte aber edel aussehende Fächer in der Hand trugen. Jetzt erst sah ich die Adelsburg in ihrer vollen Pracht: das Gebäude aus weißem Marmor strahlte nur so in der Sonne und die Rubinfiguren zeigte Könige und Königinnen, Hofdamen und andere adelige Personen. 'Langsam gehen', 'Kopf gerade' und 'Wenn du auf dein Kleid trittst, bist du am Arsch!' hallte es in meinem Kopf immer wieder, diese paar Sätze hatte ich mir gut eingeprägt. Vor der Burg hatte sich schon eine Schlange gebildet und überall wurde geredet. Vor uns in der Schlange standen zwei Damen aus einem der wichtigeren Häuser. Das erkannte ich an ihren aus dunkelrotem Samt gefertigten Kleidern, die mit echten Perlen besetzt waren. Eins war schöner als das andere, aber dennoch war ich froh Seide anzuhaben. Der Stoff lies wenigstens etwas von den leichten Windböen, die uns umgaben hindurch.

Nach einiger Zeit waren wir endlich an der Reihe und ein kleiner, in ein schwarzes Kostüm gekleideter Mann hielt uns sein viel zu großes Gästebuch unter die Nase. „Wer seid Ihr?" fragte er mit einer näselnden Stimme. „Dylander und Lynnea Dehlea." sagte Shaitan melodisch. „Wir sind heute morgen aus Jayway angereist..." sagte ich und zeigte das falscheste Lächeln, dass ich diesem Mann gegenüber aufbringen konnte. „Dehlea..." murmelte der Mann nur. „Verwandte von Ashron Dehlea?" fragte er dann und sah uns prüfend in die Augen. „Ja, er ist unser Onkel. Er war immer der Meinung, dass uns die Adelsgesellschaft in den anderen Teilen von Sylvain nichts anzugehen habe, aber nun sind wir alt genug um das selbst zu entscheiden!" sagte Shaitan. Der Mann, der schon ziemlich müde geworden sein musste, hielt uns nur einen Stift und das Buch hin. Wir trugen uns ein und schritten dann weiter durch die große Tür aus teuer aussehendem, dunklem Holz. Innen tat sich eine Eingangshalle auf, die überflüssiger nicht eingerichtet werden konnte. Der Kamin bedeckte fast die ganze Wand und die Schnitzereien daran konnte man gar nicht mehr zählen, auf dem Boden breitete sich ein seltsam geflecktes Fell einer großen Raubkatze aus und von der Decke hing ein Kronleuchter, von dem diamantene Tropfen herabhingen. Einer dieser Tropfen konnte sicher eine ganze Bauernfamilie durch das Jahr bringen und hier verstaubten sie an der Decke. Ich wollte gerade Shaitan darauf ansprechen, doch rechtzeitig fiel mir ein, dass ich mich benehmen musste.

Dawn - Königin der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt