Kapitel 8

319 19 1
                                    

Ich war etwas eingedöst, doch wurde von Anya zaghaft geweckt. Sie deutete nur aus dem Fenster der Kutsche, die schneller als jedes andere Fahrzeug. Das Gras unter uns war wieder gelb geworden, da die Rubinstadt auf der anderen Seite der Steppe lag. Einige Wüstenvögel zwitscherten in den vertrockneten Sträuchern und die Tore der Rubinstadt kamen immer näher. Man konnte schon von weitem erkennen, warum die Stadt so genannt wurden: ihre purpurroten Toren aus reinem Rubin glitzerten in der Nachmittagssonne. Vor uns ragte hinter der Stadt auch noch ein riesiges Gebirge auf, dessen Form man schlechter erkennen konnte, desto näher man ihm kam. Das Gebirge hatte die Form eines schlafenden Drachen und wenn seine verschneiten Gipfel auch noch so ruhig und einsam aussahen, fühlte ich eine gewisse Anspannung in mir. Der Drache war zwar aus Stein, aber dennoch riesig. Ich beschränkte meinen Blick wieder auf die Rubinstadt, die aussah, wie an dem Gebirge hinauf gebaut. Allerdings nur ein Stück, an sich war die Stadt sehr eben.

Die Kutsche hielt vor der Stadt und Shaitan lenkte sie auf den Hof eines Stalles. Der Mann, der dort mit leicht gräulichem Haar an der Häuserwand lehnte nickte Shaitan nur zu und auf seinem knitterigen Gesicht entfaltete sich sogar ein Lächeln. Als wir alle aus der Kutsche gestiegen waren, nahm der Mann Shaitan die Zügel aus der Hand und trennte das Pferd von der Kutsche. Während er das Pferd in einen Stall führte, ging Shaitan schon ganz selbstverständlich auf die Stadt zu. „Er ist ein netter Mann, vielleicht etwas seltsam, aber er hilft uns oft." sagte er zur Erklärung, warum dieser Mann kein Geld für seine Dienste wollte. Ein Pferd unter zu bringen war sicher auch nicht ganz billig. Wir durchtraten die Tore und sofort vielen mir die vielen Rubinornamente an jeder Häuserwand auf. Überall gab es rote Verschnörkelungen oder Rubinstatuen an den Häuserwänden. „Die Rubinstadt gräbt sich immer weiter in den steinernen Drachen hinein und wie man sieht stoßen sie dort auf wertvolle Edelsteine. Anscheinend gibt es einige Höhlen unter der Stadt, weshalb hier auch sehr viele Minen stehen. Die Stadt ist dadurch eine der reichsten im Land geworden!" sagte Shaitan und öffnete den Mund um noch etwas zu sagen, doch da unterbrach Velene ihn. „Nicht dein Ernst, Shaitan! Willst du ihr die Stadtgeschichte erklären oder sollen wir anfangen zu suchen?" fragte sie. „Richtig – wir brauchen eine Aufgabe! Oder willst du ewig warten bis jemand die Zeitlinie unterbricht?" fragte ihre Schwester Anya. Shaitan schüttelte lachend den Kopf. „Also, wir müssen alle Beziehungen der vier Söhne zerstören. Ich würde sagen wir gehen systematisch nach dem Alter vor..." schlug Shaitan vor, als wir uns auf einem kleinen Platz auf eine steinerne Bank setzten. „Auf dem Pergament steht, dass nur die ältesten Söhne eine Beziehung haben. Die beiden Jüngeren sind Zwillinge und gerade mal vier Jahre alt, da braucht es einige Zeit bis sie die Liebe ihres Lebens treffen." sagte ich zu ihm. „Woher sollen wir überhaupt wissen, welcher Sohn es ist? Es kann doch auch passieren, dass der jüngste Sohn seine Geliebte erst findet wenn er erwachsen ist – das wäre etwas spät für uns, findest du nicht?" fragte Anya jetzt. Für ihr junges Alter war sie ganz schön schlau. Ratlos saßen wir so auf der Bank und sahen den vorbeigehenden Leuten zu, es waren Mägde, Bürger und Kinder, allesamt schienen sie in Eile zu sein. So war eben das Stadtleben, es war laut und stressig. Ich sah mich um: die Häuser am Rand des Platzes waren meist steinerne Wohnhäuser mittlerer Klasse oder etwas verwahrlost aussehende Läden. Neben einem Laden für Antiquitäten, der offensichtlich selbst eine Antiquität geworden war, standen einige weitere Läden mit unleserlichen Schildern. Bei einem Laden wurde ich stutzig und stand auf. „Hier, nehmt ein Goldstück und kauft euch etwas zu Essen, wenn ihr Hunger habt. Velene, du versuchst möglichst viel über den ältesten, Octavion, heraus zu finden und du Anya, suchst nach allem was du über den zweit ältesten, Balian, herausfinden kannst. Wir treffen uns bei Sonnenuntergang wieder hier!" sagte Shaitan und gab den beiden Kindern jeweils eine Goldmünze. Dann sah er mich an. „Und was machen wir beide jetzt?" fragte er mich und sah mit blitzenden Augen zu mir hinüber. „Rausfinden um welchen Sohn wir uns kümmern müssen?" fragte ich lachend. „Tut mir leid, aber auch ich habe eine Idee wo ich suchen werde. Versuch du es doch in der Hausbibliothek der Familie Pycah..." schlug ich vor, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich bei meiner Idee alleine sein musste. Shaitan schien überrascht über den Vorschlag zu sein, aber dann nickte er. „Du weiß sicher was du tust, bis heute Abend!" sagte er noch, dann stand er langsam auf und machte sich auf den Weg zur großen Burg der Adelsfamilie. Es würde für ihn nicht leicht sein dort hinein zu gelangen, aber hoffentlich fand er was. Ich selbst sah ihm noch so lange nach, bis er zwischen den Gassen verschwunden war, dann lief ich zu einem Haus hinüber, über dem ein Holzschild hieng. Die Farbe war schon seit Jahren abgeblättert, doch man konnte noch leicht das Wort „Seher" erkennen. Vielleicht war das ja der richtige Weg, ich hatte vom Schamanen gehört, dass sich viele Seher und Magier untereinander kannten und vielleicht wusste ja der Seher hier auch etwas über die Zeitlinien. Oder über die Adelsfamilie. Je nach dem, ich hatte ein gutes Gefühl dabei.

Dawn - Königin der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt