Kapitel 16

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Als ich aufwachte, schmeckte ich Blut. Mein Brustkorb brannte und ich sah nur verschwommen. Ich musste husten uns spuckte Blut neben mich auf den kalten Boden. Dieser Boden war mir vertraut, es war eisiger, gefrorener Eisland-boden. Bei dem Gedanken etwas vertrautes zu sehen musste ich lächeln, doch dabei zitterten meine blutenden Lippen so stark, dass ich sofort wieder zurücksank. Mein Helm lag zerbeult neben und meine Rüstung klebte ekelhaft an meiner Haut. Ich lag noch immer auf dem Boden, doch erst jetzt fiel mir der Drache neben mir auf. Er war riesig, gewaltig und gleichzeitig so anmutig, dass es mir fast schon leid tat. Ich blinzelte ein paar mal, bis ich wieder klar sehen konnte, dann wagte ich den Kopf ganz zu drehen. Der Drache lag dort, wie ein schlafendes Tier und wirkte so, als wäre er niemals erwacht. Langsam konnte man beobachten, wie sich seine Schuppen von ihm ablösten und wie als wären sie aus Pergament langsam durch die Luft segelten. Immer mehr Schuppen flogen hinauf in den Himmel, auch wenn es nicht das kleinste Anzeichen für Wind gab. Hier unten auf der Erde war es zwar kalt, aber ziemlich windstill. Der Drache löste sich immer weiter auf, bald schon war die Luft erfüllt von diesen schwarzen Pergamentfetzen und es dauerte nicht lange, da war der Drache ganz verschwunden. Ich atmete auf, so gut ich es konnte jedenfalls, denn mir blieb fast die Luft weg. Ich fragte mich, wie ich es geschafft hatte, aus so einer großen Höhe zu fallen und zu überleben. Dann versuchte ich nach dem Luftschiff zu suchen und schaffte es, meinen Kopf auf die andere Seite zu drehen. Meine anderen Glieder rührten sich nicht und mein Nacken tat bei dieser eigentlich so leichten Bewegung höllisch weh. Mit den Augen suchte ich die Luft nach dem Luftschiff ab und fand es schon bald im Landeanflug. Doch kaum war es gelandet und Shaitan sprang über die Reling um mir zur Hilfe zu eilen, bemerkte ich die düstere Atmosphäre, die sich über die Eislanden gelegt hatte. Kaum hatte das Luftschiff auf dem Boden aufgesetzt, war es auch schon von Schatten umringt. Sie starrten und ließen die schrecklichsten Waffen in ihren Händen erscheinen. „Lasst sie in Ruhe!" zischte ich und hoffte, dass es sich immer noch bedrohlich anhörte, auch wenn ich regungslos auf dem Boden lag. Das hatte ich nicht erwartet, aber die Schatten drehten ihren Kopf nach mir um. Nicht nur, dass sie mich nicht sofort getötet hatten, sondern sie hörten auf mich. Ich schaffte es mich aufzurichten und ignorierte den Schmerz, den ich empfand, als ich mein Gewicht auf meine Beine verlagerte. Ich musste schrecklich aussehen, mein sonst so hellblondes Haar war blutverklebt und meine gesammte Oberlippe war aufgeplatzt und das Blut rann an der Rüstung herunter. Über die ganzen inneren Verletzungen wollte ich gar nicht sprechen. Nun stand ich vor der Horde aus Schatten und mir fiel auf, dass es deutlich mehr waren als ich geschätzt hatte. „Ihr werdet keinem Menschen mehr etwas zu leide tun!" sagte ich und meine Stimme klang schwach und leise, aber dennoch bestimmt. Die Schatten sahen sich um, richteten sich auf und starrten mich immer noch an, als würden sie nicht verstehen, was ich sagen wollte. „Wenn ich das richtig verstanden habe, dann bin ich jetzt eure Königin. Doch ich brauche keine Armee, die alle Menschen abschlachtet. Ich brauche auch keine Armee, die meine Feinde beseitigt wenn ich es will, oder die immer genau das tut was ich zu sagen habe. Ich bin eine Königin und eine gute Königin herrscht nicht über eine Armee, sondern über ein freies Volk." sagte ich und musste am Ende dieses Satzes so kräftig husten, dass ich Blut ausspuckte. Die Menge der Schatten teilte sich und ich konnte kurz einen Blick auf Shaitan erhaschen, der noch in Kampfhaltung stand und aussah, als wäre er eingefroren. Dann trat ein Schatten ins Bild, an den ich mich noch genau erinnerte: Es war der Schatten, der mich verfolgt hatte, der Schatten, der mich verschont hatte. Eigentlich der Schatten, mit dem alles angefangen hatte. Seine tiefschwarzen Augen blitzen kurz in der Abendsonne auf, als er vor mich trat. Ich schluckte und wartete gespannt, was er mir zu sagen hätte. Ich hatte Angst was er tun würde, schließlich war ich sehr geschwächt und konnte mich gerade so auf beiden Beinen halten. Als der Schatten vor mir stand, erkannte ich seine Gesichtszüge wieder. Manche Schatten sind so zerstört und mit sich selbst im Unreinen, dass sie nicht mal mehr Gesichtszüge haben und es soll sogar Schatten geben, die als dunkler Rauch auf dem Boden herumkriechen und keine Gestalt mehr haben. Doch dieser hatte ein Gesicht, Augen, klar definierte Mimik und als er den Mund auf machte, hörte ich sogar seine Stimme. „Ich wusste das du es bist." sagte er und ich konnte ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht ausmachen. Ich zog nur fragend eine Augenbraue hoch, da ich zu einer Frage nicht mehr in der Lage war. Doch der Schatten deutete dies und sprach weiter. „Für uns Schatten existiert keine Zeit mehr, wir leben zwischen den Welten. Dadurch wissen wir was passiert ist, was passiert und was passieren wird. Wir haben auf dich gewartet, Dawn, aber unser Wille wird gesteuert von unserem König. So lange, bis uns jemand freispricht. Wir haben alle auf dich gewartet, auf die erste Person, die ihre Macht als Herrscher über die Schatten nicht für seine Zwecke ausnutzt." sagte er und ich war überrascht, das seine Stimme so normal klang. Ich hätte sie mir als Stimme einer gequälten Seele viel verzerrter und weinerlicher vorgestellt, doch sie klang einfach nur tief und gelassen. Der Schatten verneigte sich vor mir und ihm taten es tausende Schatten nach. Nun konnte ich wieder das Luftschiff erkennen, dass in mitten der Berge aus schwarzem Rauch stand. Die Mitglieder des Ordens wirkten allesamt überrascht wie auch überfordert. Auch dahinter verneigte sich noch ein jeder Schatten, sogar hinter der Meerenge konnte ich noch Schatten erkennen, die tief in eine Verneigung versunken waren.

Dawn - Königin der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt