Kapitel 3

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Ich trat einen Schritt aus dem Tor, das ganze Dorf hatte wie ausgestorben gewirkt. Alle unterwarfen sich dem Willen meines Vaters und hielten mich wohl schon für eine Verräterin, aber das war nur ein weiterer Grund für mich mal aus den Eislanden herauszukommen. Mein Vater und Alecia standen am Tor, während der Schamane seinen bepackten Bären hinausführte. Ich drehte mich kurz zu meinem Vater und Alecia um. „Du brauchst nie wieder einen Fuß in dieses Dorf zu setzen." sagte er mit rauer Stimme, aus der man dennoch die Traurigkeit heraushören konnte. Er hatte die Arme verschränkt und drehte sich schwungvoll um, um zu unserem Haus zu gehen. „Komm Alecia, du warst viel mehr Tochter für mich als es je jemand gewesen war." hörte ich ihn murmeln, doch Alecia blieb stehen. „Es tut mir leid, aber ich kann nicht länger in einem Dorf leben in dem der eigene Vater seine Tochter wie Dreck behandelt. Ich werde mitgehen!" sagte sie entschlossen und schwang sich eine kleine Tasche um, in die sie ihre wichtigsten Habseligkeiten gepackt hatte. An ihrem Gürtel blinkten ihre beiden Dolche in der Sonne, während sie beim Laufen leicht gegen ihr Bein schlugen. Meine Miene hellte sich sofort auf und auch der Schamane zwinkerte Alecia zu. Und so liefen wir drei Gestalten neben dem großen, schwarzen Bären durch den Schnee immer weiter auf die Grenze des Meeres zu und ließen einen wütenden und verbitterten Mann hinter uns.

Nach einiger Zeit in der wir schweigend neben einander her gelaufen waren, blieben wir stehen. Wir standen schon auf der Eisschicht, die das Festland etwas umgab. Das eiskalte Wasser schwappte in leichten Wellen auf uns zu. „Und wie kommen wir jetzt hier weg?" fragte Alecia, da sie weder ein Schiff noch eine andere Möglichkeit das Wasser zu überqueren sehen konnte. Wir hatten Glück, das wir noch keinem Schatten begegnet waren – wobei, der Schamane und Alecia hatten Glück, aber das war jetzt unwichtig dabei. Der Schamane grinste nur und legte seine Hand auf die Wasseroberfläche. Sofort kräuselte sich das Wasser und aus den Tiefen des Ozeans kam ein Schiff empor, das krachend aber perfekt am Eis landete. Das Schiff lag so nah am Eis, dass wir uns ein Seil greifen konnten und daran auf das Schiff klettern konnten. „Wie hast du das gemacht?" fragte ich voller Erstaunen, doch der Schamane grinste nur noch breiter. „Ich habe einen Bruder, der ist Magier und hat mir so einiges gezeigt." sagte er nur und schnippte kurz mit den Fingern: Sofort erklomm der Bär das Schiff, auch wenn er dabei seine Krallen benutzte und nicht wie wir ein Seil. „Wenn ihr hier mitfahren wollt, dann macht euch mal nützlich!" sagte er lachend, während er dem Bär befahl sich hinzulegen. „Während ich das Schiff steuere könnt ihr ja mal die Kisten abladen und in den Laderaum bringen. Und richtet euch eine Koje ein, wir werden wohl einige Tage auf See bleiben. Sylvain ist ein gutes Stück entfernt von uns!" sagte er, dann verschwand er hinter dem großen Steuerrad.

Alecia und ich tauten langsam aus und grinsten uns an. Dann schleppten wir die Kisten in den Laderaum und stapelten sie sorgfältig. Zu gerne hätte ich gewusst, was er in den Kisten hatte, schließlich hatte er nicht alle in den Eislanden gelassen. Offensichtlich brachte er nicht nur uns einige Ressourcen mit, sondern auch anderen Dörfern. Gab es so etwas überhaupt in Sylvain? Die Siedlungen müssten viel anders aussehen als bei uns, schließlich gab es die Angriffe der Schatten nicht. Keine große, Pech-verklebte Holzwand um das Dorf herum, keine Katapulte auf den Dächern mancher besorgten Bürger und keine Späher-Gruppen die regelmäßig das Gebiet absuchen mussten. Auf ein Mal freute ich mich richtig auf Sylvain, auch wenn gleichzeitig die Angst in mir hochstieg, wie das alles enden sollte. Falls ich wirklich einen Teil dieser Königsmacht in mir hatte, dann hatte ich sicherlich eine Aufgabe. Und wenn ich diese Aufgabe nicht schaffen würde? Was würde überhaupt danach passieren? Mein Vater hatte mir ja ausdrücklich verboten wieder nach Hause zu kommen – wo sollte ich also hin? „Dawn, alles in Ordnung?" fragte Alecia, die mich aus meinen Gedanken riss. „Jaja, mir geht's gut." sagte ich nur schnell und ging aus dem Laderaum. „Du kannst immer mit mir reden, dass weißt du oder?" fragte sie noch Mal nach, doch sie akzeptierte meine kurze Antwort, ein Nicken. Unsere eigenen Habseligkeiten brachten wir in eine der Kojen, dieses Schiff war zwar eher klein, aber wir hatten die Wahl zwischen vier Räumen und suchten uns natürlich den größten aus. Das Leben auf einem Schiff war wohl sehr sparsam, da wir nicht mal richtige Betten hatten. Es waren einfach zwei Fischernetze als Hängematten aufgehängt worden. Allerdings fanden wir in einem kleinen Schrank der noch im Raum war viele Kissen und Decken mit denen wir es uns bequem machen konnte. „Wie lange wird wohl der Weg nach Sylvain dauern?" fragte sich Alecia laut, während sie das Fischernetz mit einer rötlich-braunen Decke aus Fell auskleidete und hineinlegte. „Es wird schon seine Zeit brauchen, schließlich kann man von den Eislanden aus nicht Sylvains Ufer sehen. Egal wie niedrig das Wasser steht." entgegnete ich, während ich mir selbst eine Wolldecke nahm und sie auseinander faltete. Als unsere Betten endlich kuschelig waren, richteten wir uns selbst noch etwas ein. Ich hatte wirklich wenig mitgenommen, es waren gerade mal einige Kleidungsstücke und alles, das irgendwie wertvoll sein konnte. Schmuckstücke und Trophäen wie eine Kette aus Bärenzähnen. In Sylvain bezahlte man mit Goldstücken, doch wir tauschten und teilten alles. Daher musste ich hoffen, dass die Stücke die ich bei mir hatte irgendwie wertvoll waren.

Dawn - Königin der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt