Kapitel 10

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Es war ein kühler Morgen und die Luft war frisch und rein. Ich erwachte durch einen Wassertropfen, der durch das undichte Dach des Pferdestalls auf meine Stirn tropfte. Ich hatte wohl doch einige Stunden schlafen können, wenn es auch wenige gewesen waren. Neben mir lag Shaitan bei den Mädchen im Stroh und schlief friedlich. Ich rieb mir die Augen, bis ich bemerkte, dass der Tropfen kein Einzelfall gewesen war. Immer und immer wieder tropfte es durch das kleine Loch in der Decke, bis ich das Prasseln eines der seltenen Wüstenregen auf dem Holzdach vernehmen konnte. Das Prasseln wurde lauter und lauter und bald schon wurden auch Shaitan und die Kleinen wach. Es regnete draußen wie aus Eimern und ich war froh, wenigstens das undichte Dach über dem Kopf zu haben. Regen hatten wir in den Eislanden selten gehabt, meistens war es zu kalt gewesen, als das das Wasser, dass vom Himmel kam, nicht gefror. Ich kuschelte mich in eine Pferdedecke eng an die hintere Wand des Stalles und beobachtete die fallenden Wassertropfen. Der Regen wurde immer stärker und hörte dann, nach etwa einer halben Stunde auf, als wäre nichts gewesen. Niemand hatte etwas gesagt, diese Regen in der Wüste waren sehr selten und schafften eine eigenartige Atmosphäre. „Na los, wir haben noch eine Menge zu tun!" sagte Shaitan den ersten Satz an diesem Morgen. Nach dem Regen war es still geworden. Ich holte aus einem Korb, der eigentlich für die Pferde gedacht war, einige Äpfel und warf zwei von ihnen den Kindern zu. Sie fingen das Obst lachend auf und bissen sofort hinein. Auch Shaitan warf ich einen zu, dann aß ich einen Apfel selbst. Als kleine Stärkung sollten die Äpfel ja wohl reichen, schließlich hatten wir einen weiteren wichtigen Tag vor uns. Immer noch im Stall auf dem Stroh sitzend, erklärte Shaitan unseren beiden Spionen, was wir herausgefunden hatten. Von seiner Festnahme erzählte er nichts. Das war typisch, seine Fehler wollte er wohl nicht zugeben. Die Kinder lauschte gespannt und nickten dann synchron. „Also, Aufgabenverteilung!" sagte Shaitan nun. „Velene und Anya, ihr schwärmt aus und sucht bei Balian und Octavion nach den Wappen. Vergesst nicht, wir suchen eine silberne Flamme!" sagte er zu ihnen. „Dawn und ich werden ebenfalls die Augen offen halten, allerdings egal welcher junger Mann es ist – wir brauchen anständige Kleidung wenn wir in sein Umfeld wollen." sagte er und zwinkerte mir zu. „Ist meine Lederhose und mein viel zu weites Hemd etwa nicht schick genug für den Hof der Pycah's?" fragte ich mit einem ironisch schmollendem Unterton. Die beiden Mädchen kicherten, warfen ihre Reste der Äpfel zu einem hübschen rotbraunen Wallach in die Box und stürmten dann durch die rubinroten Tore der Stadt davon. „Ich werde einen Brief an den Orden der Diebe schicken, ob sie uns gefälschte Papiere senden können. Man kommt nicht leicht an einen Hof – und einbrechen habe ich ja gestern schon versucht. Auch wenn ich nur in die Bibliothek wollte..." sagte er und ich musste grinsen. „Danke noch mal fürs rausholen!" sagte er und auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln.

Wenig später hatten wir auf dem Mark eine Brieftaube, eine Feder, etwas Tinte und eine Seite Pergament erstanden, auch wenn Shaitan so lange herum gefeilscht hatte, bis er alles zu einem unglaublich billigem Preis bekommen hatte. Dennoch war das Geld, mit dem er bezahlt hatte, von einer bürgerlichen Familie der Mittelklasse gestohlen, die gestresst versuchte ihre sechs kleinen Kinder beisammen zu halten. Wir verzogen uns in eine Gasse in der neben einem Haus Weinfässer gestapelt wurden. Shaitan benutzt eines dieser Fässer als Tisch und kritzelte schnell einen Brief an seine Mutter auf das Papier. „Ich hoffe, dass dauert nicht so lange..." murmelte er, als er das Pergament zusammenrollte und mit einem von seiner Kleidung abgerissenem Faden an das Bein der Taube band. Dann gab er der Brieftaube den Befehl zu fliegen. Sylvains Brieftauben waren legendär. Es waren keine einfachen Brieftauben, die dort hin zurück flogen, wo sie herkamen. Man hatte ihr mit langem Training die Namen aller Städte und aller Ordensburgen eingeprägt und somit verstanden sie ein wenig Sprache. Nicht viel, ehrlich gesagt konnten sie nur die Namen der Orte mit Bildern verknüpfen, aber nur selten verirrte sich eine Brieftaube auf ihrem Weg. Wir sahen der Taube hinterher, wie sie in den Himmel stieg und noch einen kurzen Kreis über der Rubinstadt flog.

Dawn - Königin der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt