„Du weißt schon einiges." begann Raven. Sie hatte eine ausdrucksstarke aber auch ruhige Stimme und sah mir während sie sprach direkt in die Augen. „Du hast einen Teil der Königsehre in dir, Dawn. Der Teil, den das Schicksal zu vergeben vermochte. Damit bist du auserwählt eine große Legende zu werden." sagte sie und ich musste schlucken. So etwas hätte ich mir im Leben nicht vorstellen können, bis vor einigen Tagen hatte ich fest vor irgendwann das Dorf in den Eislanden zu leiten. Ich hätte dort die Pflichten meines Vaters übernehmen müssen und auch wenn das schon eine große Aufgabe war, kam sie mir vergleichbar klein vor, zu dem, was ich nun tun sollte. „Du hast diese Träume, richtig? Jemand spricht zu dir, du hörst die Person nur im Wind oder in den Wellen. Sie flüstert oder zeigt sich in den Wolken? - das ist das Schicksal. Wenn sich das Schicksal nicht direkt zeigt, gibt es Hinweise. Auch wenn es manchmal einfacher gewesen wäre, wenn man ihr direkt begegnet wäre, aber man muss die Zeitlinien einhalten, so wie sie für einen bestimmt sind." sagte Raven mit klarer Stimme. Ich verstand trotzdem inhaltlich nur die Hälfte, aber ich hörte weiter gespannt zu. „Der König der Schatten, der die Schatten kontrolliert, ist das Drachengebirge hinter Kalmhar'. Du hast es wahrscheinlich schon gesehen, aber noch nicht wirklich wahrgenommen – es ist schließlich nur ein Gebirge. Aber die Jahre, in denen der Drache schlafen sollte sind bald um und dann wird dieser König sehr wütend sein. Er hat zwar den Vertrag unterzeichnet gehabt, allerdings leidet das Gedächtnis und die Moral darunter, wenn man tausende Jahre in Stein eingeschlossen ist. Zudem in einer Gestalt eines Drachen, eines Tieres, das wirklich sehr launisch ist." sagte Raven. „Und was ist nun meine Aufgabe?" fragte ich leise, meine Stimme war etwas heiser geworden, jetzt, da wir langsam zu dem Teil kamen, an dem ich ins Spiel kam. „Der Drache wird erwachen, daran kann ihn nichts hindern. Aber wenn er erwacht ist, wird er die gesamte Welt zerstören, da bin ich mir sicher. Er wird den Schatten eine Möglichkeit bieten nach Sylvain zu kommen und sie dort dazu veranlassen, dass sie jeden Menschen der hier lebt gnadenlos ermorden. Du hast einen Teil der Königsehre, aber sie ist nicht vollständig. Um die Schatten aufzuhalten, muss sie vollständig sein. Ich denke, du weißt was deine Aufgabe ist um uns alle zu retten." sagte Raven und warf schwungvoll ihre glatten, schwarzen Haare nach hinten. „Den Drachen töten." murmelte ich leise. Raven nickte und nahm meine Hände in ihre. „Sicher, jeder könnte theoretisch den Drachen aufhalten. Aber dich rühren die Schatten nicht an, daher hast du einen Vorteil. Du hast die größte Chance es zu schaffen." sagte sie und schlug ihre Augen nieder, so dass man ihre unglaublich langen Wimpern noch deutlicher sah. „Ich glaube an dich!" sagte sie, dann stand sie auf und wechselte zu einem normaleren Ton. „Ich habe den Magier dieses Ordens dazu veranlasst seine Schriftstücke nach Informationen zu durchsuchen, wie man einen Drachen tötet." sagte sie nun. Ich nickte, bedankte mich und lies mir von ihr noch den Weg durch die endlos scheinenden Gänge zum Magier zeigen. Die Gänge und Räume waren fein säuberlich in den Stein gehauen, der offensichtlich den gesamten Untergrund der Wiese auf dem die Hütte stand ausmachte. „Das muss Jahre gedauert haben..." staunte ich, als Raven vor mir weg lief. Sie musste schmunzeln: „Ehrlich gesagt habe ich das alles innerhalb einiger Tage geschaffen." sagte Raven und ich sah sie verwundert an. „Es hat Vorteile die Tochter des Schicksals zu sein!" sie lächelte versonnen und griff sich kurz an ein wunderschönes Amulett, dass sie um den Hals trug, dann lief sie weiter. Bald schon waren wir in einem großen Raum angekommen, in dem die Wände nur aus Regalen bestanden. Überall standen Tränke, Bücher und Substanzen herum, die ein Magier eben brauchte. Auf den Arbeitstischen, die mitten im Raum standen, herrschte ebenso großes Chaos. Es gab auch viele seltsame Geräte, die ich nicht deuten konnte. Ein Trichter über einer Landkarte fiel mir als erstes auf, ebenso wie einige Statuen, die nicht so ganz in das Gesamtbild des alchemistisch gestalteten Raumes passten. Ein Mann flitzte im Raum umher, er war klein und hatte einen weißen langen Bart. Seine dunkelgrünen Augen suchten stetig die Tische ab und hier und da griff er sich ein Pulver oder eine Flüssigkeit um sie in einen großen Topf zu schütten. Als er Raven erblickte, unterbrach er sofort seine Arbeit und begrüßte sie. „Guten Tag, Raven!" sagte er zu ihr. „Lange nicht gesehen! Seit dem du unseren Unterschlupf ausgebaut hast wird es immer schwieriger alle beieinander zu haben, findest du nicht?" er grinste. „Es ist einfach zu ruhig da draußen – gäbe es Probleme, bräuchten wir deine Hilfe viel mehr!" sie lachte. „Aber wie du siehst ist es nicht ganz so ruhig da draußen... oder das wird es bald nicht mehr sein." sie warf einen Blick auf mich. Sofort sah der Magier mich an und musterte mich. „Dawn – hab ich Recht?" fragte er mich. Ich hatte aufgehört nachzudenken woher die Leute meinen Namen wussten. Schließlich war ich im Orden der Diebe gelandet und auch wenn er erst sein ein paar Jahren wieder agierte, wusste ich, dass sie für ihre Illusionsmagie bekannt waren.
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Dawn - Königin der Schatten
FantasiaSylvain ist ein Ort mit vielen Facetten: die immergrünen Wälder des Hains, tiefblauen Flüsse die das Land durchziehen und Schneeflocken die Tag ein Tag aus auf die höchsten Spitzen der Gebirge fallen sind nur wenige Beispiele. Und seit das Schicksal...